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Verbindung nach draußen. Manche haben Glück und schauen auf den schön bepflanzten Balkon gegenüber.

© pa/dpa/nebenan.de

Tagesspiegel startet Foto-Aktion: Zeigen Sie uns Ihren Ausblick!

Träumen Sie auch von der Welt da draußen? Schicken Sie uns ihr schönstes Fotos vom Blick aus Ihrem Fenster, der Terrassentür oder dem Balkon.

Vermutlich hat jeder, der Musik liebt, auch einen persönlichen Soundtrack der Coronavirus-Krise. Einen fröhlichen, um die Schatten zu vertreiben, und einen melancholischen, zur Lage passend. Und zum zweiten gehört praktisch verpflichtend „Am Fenster“, der große DDR-Hit von City, der in seiner lyrischen Verschlüsselung alles Mögliche bedeuten konnte, Politisches, Persönliches, je nach Stimmung. Heute lässt sich dieser Text auch ganz wörtlich verstehen, als Reflektion über ein Leben, das zum größten Teil am Fenster stattfindet.

Das Fenster und mit ihm, wenn alles gut geht, der Balkon – das ist gegenwärtig unsere Verbindung zur Welt. Ganz streng für all jene, die das Pech haben, in Quarantäne geraten zu sein, ein wenig lockerer für alle, die zur Arbeit oder einkaufen gehen dürfen, und die dann doch spätestens am Abend zurückgeworfen sind auf die Perspektive, die ihnen der Fensterrahmen gestattet.

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Aber was ist das für eine Perspektive? Manche sehen nicht mehr als graue Fassaden auf dem Hinterhof, das ist verdammt wenig, auch wenn das sonnige Wetter das Grau ein wenig tönt. Es kann der Blick aus einem dunklen Souterrain auf die Füße der Vorbeihastenden sein oder, besser, aus einer großen Altbauwohnung in einen jetzt noch lichten Baum, der die Wärme der Frühlingssonne spürbar werden lässt und die Vögel anzieht. Was es da alles zu sehen gibt!

Und pssst, sind wir nicht alle ein bisschen wie der von James Stewart dargestellte Jeff Jeffries, der in Hitchcocks genialem Film „Das Fenster zum Hof“ an den Rollstuhl gefesselt ist und mit geschärften Sinnen die Nachbarn im Wohnblock gegenüber beobachtet?

Andere sehen ein weites Panorama durch die Scheiben und dazu viel Beton.
Andere sehen ein weites Panorama durch die Scheiben und dazu viel Beton.

© Doris Spiekermann-Klaas

Wer Glück hat, dem bietet sich auch aus der Quarantäne die ganz große, weite Sicht, die nicht unbedingt an großes Einkommen gebunden ist. Denn es gibt sie von einer Hellersdorfer Plattenwohnung ebenso wie aus einem Dachloft am Kurfürstendamm oder einer noch nach Bauarbeiten riechenden Maisonette am Hauptbahnhof.

Schön, dass uns das Virus wenigstens nicht im November überfallen hat, wenn alles grau, dunkel und melancholisch wie im City-Hit ist, sondern im hellen März und April, wenn der Balkon bereits Farben zeigt und die Nachbarn hoffentlich auch früh genug auf den Gedanken gekommen sind, sich mit dem Pflanzen Mühe zu geben – wozu wären sonst all die Gartenmärkte geöffnet?

Mit dem Kissen auf die Fensterbank wie unsere Großeltern

Das Fenster ist aber nicht nur ein verglastes, abschirmendes Viereck, sondern kann auch geöffnet werden. Und ist es nicht besonders schön, diese Möglichkeit angesichts des krisenbedingt gedämpften Straßenlärms auch zu nutzen und früh am Morgen dem offensiven Zwitschern der Vögel zuzuhören?

Der eigene Garten als Park-Ersatz - auch schön.
Der eigene Garten als Park-Ersatz - auch schön.

© Kitty Kleist-Heinrich

Wer ein dickes, gemütliches Kissen hat, der kann es auf die Brüstung legen und neugierig dem Treiben auf der Straße folgen, kann lästern und tratschen und kommentieren, wie es unsere Großelterngeneration noch geschätzt hat, zu Zeiten, als kein Rund-um-die-Uhr-TV die ewige Lebenskulisse darstellte.

Fensterputzen wird belohnt

Soweit wir wissen, gibt es kaum jemanden, der diese Krise gut findet – aber viele, die nach Möglichkeiten suchen, ihr zumindest neue Perspektiven fürs Leben danach abzugewinnen. Das Fenster kann, sofern es im Erdgeschoss oder nicht weiter darüber liegt, eine Art Schwarzes Brett sein und insofern auch nach draußen wirken, kann Nachbarschaft stiften und Bilder und Texte zur Lage zur Schau stellen, eine Art Twitter in analog.

Ach, und Zeit zum Fensterputzen ist jetzt ganz sicher auch, und wer die Schatten des Winters mit Putzmittel vertreibt, der wird durch mehr Licht belohnt, im unmittelbaren wie im übertragenen Sinn.

Am Ende des Liedes singt City-Frontmann Toni Krahl übrigens „Flieg ich durch die Welt…“ – das können wir grad nicht. Aber unser Fenster ist zumindest der Anfang der Verheißung, dass es bald wieder möglich sei.

Unsere Foto-Aktion

Der Blick aus Ihrem Fenster, vom Balkon oder aus der Terrassentür – was sehen Sie? Schicken Sie uns bitte ihr liebstes Foto, Ihren vollständigen Namen, Ihren Bezirk (und, wenn Sie mögen, Ihre Straße) bis zum 8. April 2020, 21 Uhr, per Mail an stadtleben@tagesspiegel.de, mit dem Betreff „Leserblick“. Demnächst veröffentlichen wir hier eine Online-Auswahl und zeigen auch ein Best-of im Tagesspiegel, Print und E-Paper.

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