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Abendstimmung im Zentrum lässt sich aus dem Helikopter noch viel eindrücklicher genießen

© IMAGO/Dirk Sattler

Tagesspiegel Plus Tagestipp

Neun Tipps für ein Wochenende zwischen den Welten in Berlin: Industrieromantik, rumänische Spezialitäten und Heli-Flug

Wie verbringen Pendler:innen ihre Wochenenden in Berlin? Tagesspiegel-Mitarbeiterin Cristina Marina verrät ihre Pläne.

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Es gibt Menschen, die sind auf eine Art immer auf Durchreise. Kaum an einem Ort angekommen, ziehen sie weiter. In der Jackentasche, auf Herzenshöhe, tragen sie eine Sehnsucht mit sich herum, die nie aufhört. Manchmal hängt das mit dem Berufspendeln zusammen, wie bei mir gerade. Man kann offenbar auch auf der Strecke zwischen zwei Orten wohnen – in meinem Fall wohl im ICE Hannover-Berlin. Oft geht es dabei aber weniger um äußere Umstände. Vielmehr hat diese Sehnsucht mit einem selbst zu tun.

Cristina Marina ist Redakteurin im Berlin Ressort, schreibt unter anderem über Kulturthemen und produziert den Newsletter „Checkpoint“. Sie lebt in Hannover und Berlin.
Cristina Marina ist Redakteurin im Berlin Ressort, schreibt unter anderem über Kulturthemen und produziert den Newsletter „Checkpoint“. Sie lebt in Hannover und Berlin.

© privat

Meine Lieblingsorte in Berlin sind deshalb sogenannte Nicht-Orte. Das sind Orte, an denen man sich nur kurz aufhält, wenn überhaupt – manchmal fallen sie einem nicht mal auf. Es sind aber auch welche dabei, die eigentlich gar keine Orte sind, sondern beispielsweise Gefühle, Gedanken, die einem Halt geben, oder auch nur eine Sicht der Dinge.

Meine Tipps – als Pendlerin, Zugezogene, Redakteurin mit Migrationshintergrund – richten sich deshalb an diejenigen, die sich tagtäglich zwischen Welten bewegen – mal sanft und geschmeidig, mal schwerfällig und holprig, je nach vorhandener Laune und Kraft. Somit richten sich diese Tipps an alle. „Das Leben ist eine Reise, die heimwärts führt“, schrieb der amerikanische Schriftsteller Herman Melville. Eine Durchreise also. Ob im ICE oder Bummelzug, bleibt jedem überlassen.


Tipp 1 – Rumänisches Essen im La Bebe Caraian

Carnati, eine traditionelle Wurstsorte aus Rumänien
Carnati, eine traditionelle Wurstsorte aus Rumänien

© imago images/florin1961

Wer ein Stück Walachei kennenlernen will, geht nach Neukölln einkaufen. Im kleinen Lebensmittelladen „La Bebe Caraian“ stammen alle Produkte aus Rumänien. Aus meiner Kindheit während des Kommunismus kenne ich immer noch etliche davon, etwa den „Prager Schinken“, die „Pariser Wurst“, die „Mici“ – so etwas wie Cevapcici –, oder den „Telemea“, einen Käse aus Schafsmilch. Absoluter Liebling: Schokolade mit Rumfüllung. Kurz bevor neue Ware eintrifft, stehen Kühltruhen und Regale leergefegt. Auch das ist noch wie damals in meiner Kindheit.

La Bebe Caraian, Sonnenallee 149, Neukölln, Mo-Sa, 11 bis 21 Uhr, mehr Infos hier


Tipp 2 – Theaterstück von der preisgekrönten Dramaturgin Sibylle Berg

Katja Riemann, Svenja Liesau, Vidina Popov, Anastasia Gubareva in 
„Und sicher ist mit mir die Welt verschwunden“
Katja Riemann, Svenja Liesau, Vidina Popov, Anastasia Gubareva in „Und sicher ist mit mir die Welt verschwunden“

© Ute Langkafel

„Ich habe eine Wut auf die Welt oder das System oder mich, weil ich alles verraten habe, woran ich nicht geglaubt habe, oder haben wir wirklich einmal daran geglaubt, die Welt zu retten?“ Das fragen sich Protagonisten in einem Stück der preisgekrönten Dramaturgin Sibylle Berg, das aktuell im Maxim-Gorki-Theater spielt.

„Die lagen doch nur dekorativ herum, die Bücher, die feministischen, marxistischen, queeren, die lagen herum, mit ihren Überschriften, über die wir nicht hinausgekommen sind, während wir lieber Serien geschaut haben,“ heißt es noch. Für die Wiederaufführung „Und sicher ist mit mir die Welt verschwunden“ führt Sebastian Nübling erneut Regie. Als prominenter Gast tritt Katja Riemann auf.

Maxim Gorki Theater, Am Festungsgraben 2, Mitte, So 4.9., 19:30 Uhr, Tickets ab 24 Euro sowie weitere Informationen hier


Tipp 3 – Am Hauptbahnhof in Büchern stöbern

Lieblingsort für pendelnde Büchermenschen: Virgin im Hauptbahnhof
Lieblingsort für pendelnde Büchermenschen: Virgin im Hauptbahnhof

© Sarah Borufka

Nicht nur für Pendler ist Berlins Hauptbahnhof eine Art Zuhause. Wer an Sonntagen nichts mit sich anzufangen weiß, findet dort eine Buchhandlung als Refugium. Im ersten Obergeschoss beherbergt „Virgin“ neben frisch gedruckten Zeitungen und Magazinen aus aller Welt ausreichend Bücher, um sich darin zu verlieren. Spürt man das Papier zwischen den Fingerkuppen, atmet man den Tintengeruch ein – oft hilft das schon, um sich wiederzufinden.

Allerlei Berlin-Paraphernalien gibt es obendrauf. Nach meinem ersten Probearbeitstag, als ich nicht wusste, ob etwas aus diesem Job wird, fand ich kurz vor der Rückreise nach Hannover eine Stofftasche. Darauf stand, Weiß auf Schwarz und in großen Buchstaben, wie an mich persönlich gerichtet: „If you can’t make it in Berlin, you won’t make it anywhere“. Wenn du es in Berlin nicht schaffst, schaffst du es nirgendwo. Sie liegt seitdem als Mahnung auf meinem Schreibtisch.

Berlin Hauptbahnhof, Ebene 1, Europaplatz 1, Moabit, Mo-So 5-20 Uhr


Tipp 4 – Spazierfahrt hoch über der Skyline Berlins

Luftige Perspektive: Berlin aus dem Helikopter ist ein Erlebnis
Luftige Perspektive: Berlin aus dem Helikopter ist ein Erlebnis

© imago/imagebroker

Manchmal hilft nur ein Perspektivwechsel, um Berlin ganz zu erfassen. Mit etwas Abstand, ohne lästige Alltagsquerelen, lässt sich die Stadt neu,  wieder staunend betrachten – so ähnlich wie in einer Liebesbeziehung. „Helicopter view“ nennt sich im angelsächsischen Raum der Blick von oben. Diesmal ist die Redewendung wortwörtlich gemeint. „Berlin Helicopter“ bietet Hubschrauber-Rundflüge, etwa über der Skyline der Hauptstadt. Während des viertelstündigen Flugs wird der Fernsehturm zum silbernen Fußball – und Berlin damit endlich zum Heimspiel.

Flughafen BER, Terminal 1, Fr 2.9., 17 Uhr, Sa 3.9., 18 Uhr, 125 Euro, Tickets hier buchbar

Tipp 5 – Industriekultur nachspüren auf dem Rad

Die Radtour „Energie am Fluss“ führt durch das Industriegebiet Oberschöneweide
Die Radtour „Energie am Fluss“ führt durch das Industriegebiet Oberschöneweide

© imago/Rolf Zöllner

Wer das Reisen liebt, ist überzeugt: Unterwegs lernt sich am besten. Das gilt auch mit Blick auf die Berliner Geschichte – wie etwa zur Energieversorgung. An den Ufern der Spree entstand ab Ende des 19. Jahrhunderts eine Industrielandschaft, von der Berlin seine Energie bezog. Eine Fahrradtour führt vom Treptower Hafen bis zur „Elektropolis“ in Schöneweide und lässt dabei die alten Kraftwerke, Speichern, Produktionsstätten und Arbeitersiedlungen wieder zum Leben erwecken.

Radtour „Energie am Fluss, Start am Treptower Hafen, Puschkinallee 15, Treptow,. So 4.9., 11 Uhr, Tickets ab 15 Uhr gibt es hier

Und diese vier weiteren Highlights hat die Ticket-Redaktion gesammelt:


Tipp 6 – Zeitzeugenberichte und Rampensäue in Karlshorst

Schweinischer Spaß: Das Interimsproramm im KAHO Berlin
Schweinischer Spaß: Das Interimsproramm im KAHO Berlin

© Silke Mayer

Leerstand als Chance: Im seit 2008 nicht mehr bespielten Herzstück des ehemaligen Theaters Karlshorst begibt sich das Kollektiv hannsjana auf eine Spurensuche. Beim Audiowalk lauscht man Erinnerungen von Zeitzeugen, die einst das Theater besuchten und begegnet einer Rotte Rampensäue. Eine einzigartige Kombination aus Geschichte und Gegenwart in einer ganz besonderen Ecke Berlins. (sabo)

KAHO Raum für Kutlur, Treskowallee 109, Karlshorst, Fr 2.9., 20 Uhr, Sa/So 3./4.9., 16 und 19 Uhr, freier Eintritt, vorab bitte hier anmelden

Tipp 7 – Erntezeit und Fete im Kleingarten Bornholm I & II

Fette Beute: Im Kleingarten gibt es im Herbst viele Äpfel und Birnen zu ernten
Fette Beute: Im Kleingarten gibt es im Herbst viele Äpfel und Birnen zu ernten

© imago stock&people

Am Wochenende wird in den Kleingartenanlagen Bornholm I&II ein Erntedankfest gefeiert. Sonnabend ist ab 11 Uhr die lokal e Politik zu Gast (u.a. die Senatoren Andreas Geisel und Bettina Jarasch), danach gibt es ab 12 Uhr Musik am Bierwagen, altdeutsche Küche am Imbissstand und syrische Falafel und Halloumi Sandwiches am Foodbike. Nachmittags geht es weiter mit Live-Musik u.a. von „Fluglotse“, Ballspielen und Kinderschminken. Am Sonntag gibt es ab 14 Uhr Musik von der Brasselbande, eine Pflanzentauschbörse, ab 15 Uhr eine Kräuterführung von Andreas Brieschke und für die Kids ist ab 15 Uhr der Kabautermann zu Gast. Herziger Spaß in zwei der schönsten Gärten Berlins. (sabo)

Kleingartenanlage Bonholm I&II, Björnsonstraße 5, Prenzlauer Berg, Sa 3.9., ab 11 Uhr & So 4.9., ab 14 Uhr, alle Infos hier


Tipp 8 – Tash Sultana live erleben

Psychedlic Soul: Tash Sultana
Psychedlic Soul: Tash Sultana

© Ben McFadyen

Zu den interessantesten in der Pandemie-Isolation entstandenen Alben gehört sicher „Terra Firma“, das im Februar 2021 erschienene zweite Album von Tash Sultana. Noch mehr als auf dem 2018 veröffentlichten Debüt „Flow State“ entfesselt Sultana zwischen psychedelischem Soul, reggaefiziertem Lagerfeuerfolk und fetttriefendem Bratzriffrock einen Gewittersturm der Verweise und Zitate, der Allzeithelden wie Jimi Hendrix,Led ZeppelinundBobMarley ebenso huldigt wie Erykah Badu und alt-J. Nicht jeder Schuss ist hier ein Treffer, aber wenn Sultana das Ganze als furiose „One-Person-Band“ auf die Bühne bringt, werden die Fans ausrasten. (wun)

Zitadelle Spandau, Am Juliusturm 2, Fr 2.9., 19 Euro, Tickets 52 Euro hier buchbar

Tipp 9 – Regener liest Kafka im Berliner Ensemble

Sänger und Autor Sven Regener mit grauer Katze
Sänger und Autor Sven Regener mit grauer Katze

© Charlotte Goltermann

„Jemand mußte Josef K. verleumdet haben, denn ohne daß er etwas Böses getan hätte, wurde er eines Morgens verhaftet.“ So schörkellos und schön wie die Sprache des Pragers Franz Kafka ist auch die Art, wie Autor und Sänger Sven Regener (Element of Crime) die Worte aus Kafkas „Der Prozess“ auf die Bühne bringt: Ohne viel Tamtam, trotzdem kraftvoll.

Berliner Ensemble, Bertolt-Brecht-Platz 1, Mitte, So 4.9., Karten 20 Euro gibt es hier noch

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