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Tat ohne Folgen: Cybermobbing unter Kindern und Jugendlichen ist ein dauerhaftes Problem
Eine aktuelle Studie zeigt: Die Zahl der von Cybermobbing betroffenen Acht- bis 21-Jährigen bleibt hoch. Täter müssen meist nicht mit Konsequenzen rechnen.
Stand:
Mehr als 1,8 Millionen Kinder und Jugendliche in Deutschland sind Opfer von Cybermobbing unter Kindern und Jugendlichen, das sind 16,7 Prozent der Schüler:innen. Das zeigt die aktuelle Studie „Cyberlife IV - Cybermobbing bei Schülerinnen und Schülern“, die das Bündnis gegen Cybermobbing in Kooperation mit der Techniker Krankenkasse (TK) kürzlich in Berlin vorgestellt hat.
Demnach ist der Anteil der Schülerinnen und Schüler zwischen acht und 21 Jahren, die nach eigenen Aussagen schon einmal von Cybermobbing betroffen waren, im Vergleich zur Vorgängerstudie von 2020 zwar leicht gesunken (2020: 17,3 Prozent), stagniert aber auf einem hohen Niveau. Im Jahr 2017, vor der Corona-Pandemie, lag der Wert noch bei 12,7 Prozent.
Wichtige Maßnahmen, um Mobbing und Cybermobbing entgegenzutreten, sind Prävention und Aufklärung. Doch im Vergleich zur Vorgängerstudie 2020 sind die schulischen Angebote in diesem Bereich stark zurückgegangen. Den größten Rückgang gab es mit jeweils 40 Prozent bei Schulungen, die gezielt Strategien zum Umgang mit Cybermobbing vermitteln, sowie bei Anti-Gewalt-Trainings.
Unterschätzte Folgen, fehlende Konsequenzen
„Die Ergebnisse zeigen, dass Cybermobbing sich zu einem dauerhaften Problem an Schulen und im privaten Umfeld der Kinder und Jugendlichen entwickelt hat“, sagt Uwe Leest, Vorstandsvorsitzender des Bündnisses gegen Cybermobbing. „Die Folgen von Cybermobbing werden in unserer Gesellschaft immer noch unterschätzt und die Täterinnen und Täter müssen mit keinen Konsequenzen rechnen.“

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Die Corona-Pandemie hat das Problem noch verschärft. So gaben rund sieben von zehn Schülerinnen und Schülern an (65 Prozent), dass Cybermobbing seit Corona zugenommen habe. Ähnlich sehen es die Eltern sowie die Lehrerinnen und Lehrer mit jeweils 46 Prozent.
„Homeschooling und Kontaktbeschränkungen durch die Coronapandemie haben dafür gesorgt, dass Kinder und Jugendliche noch mehr Zeit online verbringen. Somit werden auch Konflikte häufiger über das Internet ausgetragen“, sagt Jens Baas, Vorstandsvorsitzender der Krankenkasse TK.
Das kann für die Betroffenen gravierende gesundheitliche Folgen haben. „Neben körperlichen Beschwerden wie Kopf- oder Magenschmerzen sind es vor allem die psychischen Auswirkungen von Mobbing und Cybermobbing, die Kinder und Jugendliche schwer belasten können. Dazu gehören beispielsweise Angst- und Schlafstörungen sowie Niedergeschlagenheit oder Depressionen“, sagt Baas.
„In vielen Fällen ist vor allem die Anonymität im Netz das Problem“
Das zeigt auch die Studie: So fühlten sich die Opfer von Cybermobbing vor allem verletzt (58 Prozent), 40 Prozent reagierten mit Wut und ein gutes Drittel (34 Prozent) gab an, verängstigt zu sein. Besonders alarmierend: 15 Prozent der Kinder und Jugendlichen hat aus Verzweiflung schon mal zu Alkohol, Tabletten oder Drogen gegriffen und 24 Prozent äußerte Suizidgedanken. „In absoluten Zahlen entspricht das etwa 430.000 Schülerinnen und Schülern, eine sehr erschreckende Zahl“, sagt Uwe Leest vom Bündnis Cybermobbing.
„Die aktuellen Zahlen zeigen, dass sich das Problem Cybermobbing in unserer Gesellschaft verfestigt hat. In vielen Fällen ist vor allem die Anonymität im Netz das Problem“, sagt Uwe Leest. Hier fordert das Bündnis die Einführung eines ‚Klarnamens‘.
Zum Schutz der Opfer fordert das Bündnis gegen Cybermobbing ein Cyber-Mobbinggesetz, das es in Österreich schon seit 2016 gibt. Dazu muss die Politik auch die personellen Voraussetzungen schaffen (z. B. Richterinnen und Richter, Staatsanwaltschaften und Polizeifachkräfte).
Grundlage der Studie ist eine Onlinebefragung von Mai bis Juli 2022 unter 355 Lehrer:innen, 1053 Eltern und 3011 Schüler:innen. (Tsp)
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