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Als die Mauer fiel. So heißt das Stück, das derzeit im „Theater an der Parkaue“ in Lichtenberg zu sehen ist.

© Christian Brachwitz

Theaterprojekt aus Tagesspiegel-Wettbewerb: „Als die Mauer fiel“ ist wie eine Zeitreisedisko der Einheit

Im „Theater an der Parkaue“ wird der Umbruch für Jugendliche aufgeführt – wegen Corona modifiziert. Das Stück entstand aus einem Schreibwettbewerb für Kinder.

Und, warst Du bei den Pionieren? – Ja, klar. – Warst Du bei der Stasi? – Nein! – Kennst Du jemanden, der bei der Stasi war und das bereut? – Tja, also... – Und was gab’s bei Euch für Schokolade? So geht das minutenlang. Hin und Her. Zwei junge Männer, Ost und West, stehen auf der Bühne rufen sich Fetzen aus 30 Jahren deutscher Einheit zu; erzählen Geschichten, machen Mucke, spielen eine Radiosendung nach – und singen Pionierlieder, bis einer rausrennt, weil er keinen Bock mehr hat immer alles nachzusingen und mitzumachen, Türen schlagend rennt er von der Bühne, um nach einer Minute zurückzukehren und sich wieder einzureihen.

Und dann singen sie beide weiter, wieder im Takt, aber leiser. Und man versteht ein bisschen besser, was die DDR für ein Land war. Jedes Kind versteht das so. Für Kinder und Jugendliche ab 11 Jahren ist das Theaterstück „Als die Mauer fiel“ gemacht, das pünktlich zum Jahrestag der Einheit im „Theater an der Parkaue“ in Lichtenberg aufgeführt wird.

Es wurde schließlich auch von ihnen mitgeschrieben. Denn das Stück entstand auf der Grundlage von Workshops und von Texten des Tagesspiegel-Schülerwettbewerbs zum Mauerfall, bei dem Kinder ihre Eltern und Großeltern nach ihren Erlebnissen bei Revolution und Vereinigung befragten. Die Gewinner wurden bei einer Feierstunde im Berliner Abgeordnetenhaus zum 30. Jahrestag des Mauerfalls ausgezeichnet.

Und saßen nun in dieser Woche bei der Premiere im Theaterpublikum. „Darüber freuen wir uns am meisten“, sagt Dramaturgin Eva Stöhr vom „Theater an der Parkaue“, das schon in der DDR ein Jugendtheater war. „Und darüber, dass es überhaupt weitergeht.“ In der Corona-Pandemie hat das Theaterstück selbst ein Stück eigene Geschichte geschrieben.

Eigentlich für fünf Schauspielerinnen und Schauspieler auf kleiner, beweglicher Bühne konzipiert, wurde es im März kurz vor der Premiere wegen des Lockdowns abgesagt. Danach wurde das Skript umgeschrieben, um damit in Schulen aufzutreten – doch davon nahm man wegen der sowieso schon zu engen Klassenräume in der Pandemie wieder Abstand.

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Die Regisseurinnen schrieben das Stück mehrfach um

Also schrieben die beiden Regisseurinnen Romy Weyrauch und Marie Jordan das Stück noch ein drittes Mal: nun für zwei Schauspieler, die sich auf der Bühne nicht zu nahe kommen, aber doch interagieren – beinahe sinnbildlich wie Ost und West.

Marcus Thomas und Andrej von Sallwitz werden in ihrem Spiel immer wieder unterbrochen von Einspielern, Nachfragen, Liedern und Zeitzeugengeschichten, Werbeclips und Musik – eine moderne Art historischer Zeitreisedisko. Das bringt Rasanz in die Vorstellung, ebenso ein eingespieltes Youtube-Tutorial der Schauspielerin Sophia Hankings-Evans, die an einem Imbiss am Alexanderplatz der Frage nachgeht, wer eigentlich Karl Marx war und gleich noch ein paar Passanten fragt, was sie eigentlich im Monat verdienen wollen

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Nicht nur die Antworten darauf sind so witzig und erhellend wie das ganze Theaterprojekt. Es zeigt, wie man Geschichte leicht erzählen kann, ohne ihre Schwere auszublenden. Natürlich lässt sich auch die Schwere der Pandemie bei den Vorstellungen nicht ausblenden.

[Nächste Vorstellungen im Theater an der Parkaue in Lichtenberg am 5.10., 7.10., 26.10., 27.10., 28.10.; jeweils um 10 Uhr. Karten unter www.parkaue.de]

Die Zuschauerinnen und Zuschauer, mit Abständen platziert im großen Saal, müssen die gesamte Stunde einen Mund-Nasen-Schutz tragen, junge Ordner kontrollieren das. Im Theater gibt es ein Einbahnstraßensystem; Kontaktlisten müssen ausgefüllt werden.

„Natürlich ist das ein anderes Erlebnis und es war ja auch einmal ein ganz anderes Stück“, erzählt Regisseurin Romy Weyrauch. „Aber wir sind froh, dass wir überhaupt zeigen können, was wir aus der Einheit gemacht haben.“ Und diese Freude merkt man dem Stück in wieder bewegten Zeiten an. Die Freude daran, verstehen zu wollen, was mit einem Leben so alles passieren kann. Erst recht, wenn eine Mauer fällt.

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