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Laëtitia Graffart starb auf der Frankfurter Allee, bei einer Mahnwache wurde hier ein weißes Fahrrad zur Erinnerung angebracht. 
© IMAGO / Stefan Zeitz, Facebook / privat

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Tödlicher Radunfall in Berlin: Freispruch für Lastwagenfahrer bestätigt

Vor drei Jahren wurde die Comic-Übersetzerin Laëtitia Graffart auf ihrem Fahrrad von einem Sattelzug erfasst. Vor dem Landgericht bleibt es für den Lkw-Fahrer bei einem Freispruch.

Stand:


Der Unfalltod von Laëtitia Graffart löste eine Debatte über die Sicherheit auf Berliner Radwegen aus. Drei Jahre später hat sich das Landgericht in einem Berufungsprozess mit dem Fall befasst. Die in Berlin lebende Französin war am 27. Mai 2021 auf der Frankfurter Allee in Friedrichshain mit dem Fahrrad unterwegs und wurde von einem Sattelzug überrollt, als sie einem auf dem Radweg verkehrswidrig abgestellten Geldtransporter ausweichen wollte.

Gegen den Lkw-Fahrer wurde Anklage wegen fahrlässiger Tötung erhoben. Der erste Prozess endete mit Freispruch. Dieses Urteil bestätigte am Donnerstag das Landgericht. 

Verschiedene unglückliche Umstände kamen zusammen.

Urteil des Landgerichts

Schweigend verfolgte der Angeklagte den Prozess. Seit dem Unfall ist er arbeitsunfähig. Als er sich nun zu seinen persönlichen Verhältnissen äußern wollte, versagte ihm die Stimme. Unter Tränen hatte er im ersten Prozess vor dem Amtsgericht Tiergarten im letzten September erklärt, es tue ihm „sehr leid, was geschehen ist“. 

Ein Geldtransporter blockierte damals den Radweg

Frank W. war am 27. Mai 2021 Fahrer eines aus dem Salzlandkreis in Sachsen-Anhalt kommenden Sattelzuges. Gegen 12 Uhr fuhr er auf der Frankfurter Allee stadteinwärts. Keine 30 Kilometer pro Stunde fuhr er – erlaubt auf der Strecke war Tempo 50. Parallel auf dem Radweg fuhr die 37-jährige Frau. Sie trug eine gelbe Weste und war laut Ermittlungen zügig unterwegs auf einem sogenannten Pop-up-Radweg. Auf Höhe U-Bahnhof Samariterstraße aber blockierte ein Geldtransporter den Radweg. 

Laëtitia Graffart wich aus. Aufnahmen einer Dashcam zeigen: Kein Blick ging nach hinten. Sie schaute vorher nicht, ob die Straße frei ist und zog unvermittelt auf die Spur, auf der sich der Lastwagen befand. Das Risiko wurde ihr zum Verhängnis. Sie kollidierte mit dem Lkw und dem Geldtransporter, stieß einen Schrei aus. Frank W. bremste. Allerdings führte er keine Vollbremsung durch. 

Die Dashcam zeigte die letzten Sekunden vor dem tödlichen Unfall. Der Schrei der Radfahrerin ist zu hören, dann die geschockte Stimme des Lkw-Fahrers. Die Frau sei ihm „einfach untergefahren, sie war die ganze Zeit neben mir“. 

Radaktivisten forderten nach dem Unfall mehr Schutz

Der Tod von Laëtitia Graffart – sie arbeitete unter anderem als Übersetzerin, war Herausgeberin des von ihr gegründeten deutsch-französischen Comic-Magazins „Beton“ und sang in einer Riot-Grrl-Band – hatte viel öffentliche Aufmerksamkeit erregt. Auch, weil sie einen Pop-up-Weg benutzte. Nach Graffarts Tod forderten Angehörige sowie Radaktivisten mehr Schutz für Radfahrende auf Berlins Straßen. Anfang 2023 wurde ein neuer geschützter Radweg in der Frankfurter Allee eröffnet. 

Die Staatsanwaltschaft ging davon aus, dass sich W. sorgfaltswidrig verhalten habe. Die Frankfurter Allee sei schwierig zu befahren – „die gesamte Verkehrssituation hatte er vor sich“. W. habe die Radfahrerin im Vorfeld wahrgenommen. „Wenn er eine Vollbremsung vollzogen hätte, wäre das Überrollen vermieden worden“, so der Staatsanwalt und plädierte auf eine Geldstrafe von 80 Tagessätzen zu je zehn Euro. Von einer erheblichen Mitschuld der Radfahrerin sei auszugehen. 

Der Lkw-Fahrer nahm keine Vollbremsung vor

Laut einem Experten wäre die Frau nicht überrollt worden, wenn der Lkw-Fahrer innerhalb von 1,5 Sekunden nach dem Aufschrei eine Vollbremsung vorgenommen hätte. Die Kollision hätte er allerdings nicht verhindern können. Der Verteidiger sagte, sein Mandant sei nicht einmal 30 Stundenkilometer gefahren, er habe sich vorbildlich verhalten. Für ihn sei nicht erkennbar gewesen, was die Radfahrerin tun würde. 

„Verschiedene unglückliche Umstände kamen zusammen“, urteilte das Landgericht schließlich und bestätigte den Freispruch der ersten Instanz. Der Lkw-Fahrer habe nicht damit rechnen müssen, dass die Radfahrerin „rechtswidrig über die durchgezogene Linie fährt“. Es habe keine Anhaltspunkte dafür gegeben.

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