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Tatort Tauentzienstraße. So sah es hier nach dem tödlichen Unfall aus.

© Britta Pedersen/dpa

Update

Tödliches Autorennen in Berlin: Neuer Prozess gegen Ku'damm-Raser hat begonnen

Ein Mann stirbt, als zwei Raser Anfang 2016 einen Unfall verursachen. Sie werden wegen Mordes verurteilt, doch der BGH hebt die Entscheidung auf.

Der Prozess gegen die zwei Ku'damm-Raser hat unter großem öffentlichen Interesse neu begonnen. Als Nebenkläger sitzt ein Sohn des Getöteten mit im Saal. Er hoffe auf Gerechtigkeit und kämpfe dafür, dass sich eine solche Tragödie nicht wiederholt, so der 37-Jährige vor Beginn der Verhandlung.

Erst am vergangenen Wochenende gab es wieder drei Fälle von extremer Rücksichtslosigkeit im Berliner Straßenverkehr: Ein Jaguar und ein BMW lieferten sich ein Wettrennen auf dem Tempelhofer Damm, ein Mercedesfahrer unter Drogen schlug nach einer Raserei durch Kreuzberg auf Polizisten ein und ein Porschefahrer, ebenfalls unter Drogeneinfluss, verletzte auf der Flucht am Ku’damm einen Polizisten. Wieder einmal war auch die Gegend rund um den Ku’damm Ort des Geschehens, wo nachweislich am meisten gerast wird. Reines Glück, dass diesmal nichts Schlimmeres passierte.

So wie vor zweieinhalb Jahren, als ein Unbeteiligter starb, weil Hamid H. und Marvin N. ein Rennen fuhren.

Ein Déjà-vu

Der Fall der Ku’damm-Raser wird ab heute neu aufgerollt. Es wird ein Déjà-vu. Wieder werden Hamdi H. und Marvin N. aus der U-Haft in den Gerichtssaal geführt. Der Andrang wird erneut riesig sein. Zwar hat der Bundesgerichtshof (BGH) die vielbeachtete Entscheidung auf Mord im ersten Prozess aufgehoben. Doch auch nach der erneuten Verhandlung vor einer anderen Strafkammer des Landgerichts könnte es dabei bleiben.

Sie hatten sich in der Nacht zum 1. Februar 2016 ein so genanntes Stechen geliefert. In der City West. Hamdi H. und Marvin N. in ihren Sportwagen flogen förmlich über den Ku’damm – über 20 Querstraßen und elf Ampeln hinweg. Hamdi H. im Audi A6 TDI mit 225 PS gegen Marvin N. im Mercedes AMG CLA 45 mit 381 PS. Sie rasten mit bis zu 170 Kilometern in der Stunde. Bis es an der Tauentzienstraße zum Unfall kam, bei dem das Opfer keine Chance hatte.

Jeep-Fahrer Michael W. rollte bei Grün auf die Kreuzung. Der Audi rammte den Geländewagen, bohrte sich in die Fahrertür. Der Jeep wurde mehr als 70 Meter weit geschleudert. Michael W., 69 Jahre alt, starb in seinem Wagen. Die Raser – beide bereits mehrfach wegen Delikten im Straßenverkehr aufgefallen – sowie eine Beifahrerin stiegen mit leichten Blessuren aus total demolierten Fahrzeugen. Als „Schlachtfeld“ beschrieben Augenzeugen den Unfallort.

Es erregte Aufsehen, als die Staatsanwaltschaft Anklage wegen Mordes gegen die damals 24 und 27 Jahre alten Raser erhob. Fast sechs Monate prüfte die 35. Große Strafkammer. Das Urteil ein Novum: Das bundesweit erste Mordurteil gegen Raser. Lebenslange Haft. Hamdi H. und Marvin N. waren fassungslos. Sie legten Revision ein. Tatsächlich hob der Bundesgerichtshof in Karlsruhe im März die Entscheidung auf und verwies das Verfahren an eine andere Strafkammer zurück.

Einer der Kernpunkte ist die Frage des bedingten Tötungsvorsatzes, von dem die Richter im ersten Prozess überzeugt waren. Die Raser hätten den Tod anderer billigend in Kauf genommen. Die Sportwagen seien in jener Nacht zu Tatwaffen, zum „gemeingefährlichen Mittel“ geworden. „Es ging um den Kick und das Ansehen in der Raser-Szene.“ Die Karlsruher Richter aber sahen einen bedingten Tötungsvorsatz nicht ausreichend belegt.

Der Fall bleibt umstritten

Der Fall ist weiterhin heftig umstritten. Auch viele Juristen gingen nach der BGH-Entscheidung davon aus, dass die Ku’damm-Raser im neuen Prozess vor dem Landgericht nur noch wegen fahrlässiger Tötung verurteilt werden – und so statt lebenslanger Haft eine Strafe von maximal fünf Jahren fürchten müssten.

Doch die 40. Große Strafkammer unter Vorsitz von Richter Peter Schuster, die nun für das Verfahren zuständig ist, sendete ganz andere Signale aus. In einem Beschluss über die Haftfortdauer für Marvin N. heißt es, das erste Urteil sei zwar durch den BGH aufgehoben worden. Das aber bedeute nicht, dass es in erneuter Verhandlung nicht auch erneut zu einer Verurteilung wegen Mordes kommen könne. Alles auf Anfang. Bis Ende Oktober ist der Prozess bislang terminiert.

Zwei weitere Raser schuldig gesprochen

Bereits schuldig gesprochen wurden am Montag zwei junge Autofahrer, die im Januar auf der Frankfurter Allee in Lichtenberg mit bis zu 100 Kilometern in der Stunde gerast waren. Sie wurden nun nach dem neuen Paragrafen 315d verurteilt: Der 19- und der 20-Jährige wurden der Teilnahme an einem nicht erlaubten Autorennen schuldig gesprochen. Das Amtsgericht Tiergarten verhängte je 40 Stunden Freizeitarbeit und entzog den Männern für sechs Monate die Fahrerlaubnis. Sie sollen zudem einen Verkehrserziehungskurs belegen.

Sie hätten sich einen Wettbewerb geliefert, hatte ein Beamter zuvor beschrieben. Im Prozess hatten die Angeklagten, die noch bei den Eltern leben und kein eigenes Einkommen haben, geschwiegen. Ihre Verteidiger plädierten auf Freispruch. Teilnehmer an illegalen Autorennen können seit Oktober härter bestraft werden. Nach dem neuen Paragrafen 315d drohen Haftstrafen.

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