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Berlin: Türkische Familien schotten sich zu sehr ab Sprachstudie des Senats belegt erstmals,

wie isoliert Einwanderer in Berlin immer noch leben

Von Susanne Vieth-Entus

Türkische Familien leben in Berlin oft abgeschottet und ihre Kinder lernen zu wenig Deutsch. Das lässt sich erstmals anhand einer flächendeckenden Sprachstudie belegen. Wie die aktuellen Einschulungsuntersuchung der Gesundheitsämter belegen, können fast 50 Prozent der türkischen Kinder nicht ausreichend Deutsch, obwohl sie hier geboren sind. Gesundheitssenatorin Heidi Knake-Werner (PDS) kündigte deshalb an, offensiver das Problem mangelnder Integration anzugehen und im Senat zu thematisieren.

Im Jahr 2001 waren alle 28 000 Berliner Vorschüler erstmals nach einem standardisierten Verfahren von den bezirklichen Gesundheitsämtern abgefragt worden. Die gewonnenen Daten wurden in der Senatsverwaltung für Gesundheit gesammelt und ausgewertet. Im Vordergrund stand erstmals die Sprachfertigkeit, außerdem ging es zum Beispiel um das Problem Übergewicht (siehe grauen Kasten). Die Senatsverwaltung für Bildung hatte in den vergangenen Jahren zwar ebenfalls Sprachuntersuchungen vorgenommen, flächendeckend allerdings erst in diesem Jahr, und dafür liegt noch keine Auswertung vor. Insofern verdienen die gestern vorgelegten Daten aus dem Hause Knake-Werner besondere Beachtung.

Der Bericht legt Wert auf die Festellung, dass Kinder normalerweise automatisch („spontan“) und ohne besondere Anstrengungen die Landessprache lernen. Dass dennoch die Hälfte der türkischen Kinder, die hier geboren wurden, kein Deutsch spricht, lässt also nur den Schluss zu, dass die Familien „offensichtlich weitgehend abgeschottet in ihrer Gruppe“ leben, wie es in dem Bericht heißt. Dieser Befund wurde von der Senatorin und ihrem Staatssekretär Hermann Schulte-Sasse als derart brisant empfunden worden, dass sie den Bericht erstmals ein halbes Jahr auf Eis legten, bevor er an die Öffentlichkeit kam (wir berichteten). So kommt er jetzt in einem Augenblick ans Licht, in dem die Diskussion über die mangelnde Integrationsbereitschaft der ausländischen Eltern ohnehin im vollen Gange ist, nachdem die hohe Kriminalitätsrate unter ausländischen Jugendlichen von Innensenator Erhard Körting (SPD) thematisiert worden war.

Der Bericht der Gesundheitsverwaltung schlägt den Bogen von den mangelnden Sprachkenntnissen zu den verheerenden Berufsaussichten der Jugendlichen. Und er macht deutlich, dass die Kinder unbedingt in die Kindergärten gehen müssen, um das Sprachdefizit auszugleichen. Schulte-Sasse wollte gestern auch nicht ausschließen, im Senat eine Befreiung von der Kitagebühr für untere Einkommensgruppen zu thematisieren. Denn offenbar hält selbst der relativ geringe Mindestbeitrag von 48 Euro noch immer viele Familien vom Kitabesuch ab.

Die Vorklassen in den Grundschulen können dieses Defizit offenbar nicht beheben. Wie die Untersuchung zeigt, konnten sich knapp 30 Prozent der Vorklassenkinder „noch nicht mit ihren Lehrerinnen auf Deutsch verständigen“, nachdem sie ein halbes Jahr die Vorklasse besucht hatten.

Eine Verpflichtung zum Kita-Besuch ist laut Schulte-Sasse aus rechtlichen Gründen nicht möglich. Letztlich müsse man es mit Appellen versuchen.

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