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"Fahr Rad!" Klare Aufforderung auf den Ballons bei der Fahrradsternfahrt, die wie das Umweltfest eine Institution in Berlin ist (hier ein Archivbild aus dem Jahr 2010).

© Stephanie Pilick/dpa

Sicherheitsauflagen für Großevents in Berlin: Umweltfest zur Fahrradsternfahrt steht auf der Kippe

Nach dem Hin und Her um die Pokalfete gibt es erneut Sicherheitsbedenken: wegen des Umweltfestes am Tag der Fahrradsternfahrt. Die Veranstalter sollen einen Zaun ziehen, wie er bei G-7-Treffen verwendet wird. Doch das kann er nicht bezahlen.

Es ist das größte Umweltfest Europas. Es lockt seit zwei Jahrzehnten im Juni mehr als 120.000 Besucher auf die Straße des 17. Juni – zum bunten Ökomarkt, zu Musik und Spielen in einer „friedlich, fröhlichen Atmosphäre“, wie es in den Abschlussberichten regelmäßig heißt. Doch seit vergangener Woche droht dem am 14. Juni geplanten „Umweltfestival“ der Grünen Liga Berlin das Aus. Die Ursache sind aus Sicht der Veranstalter „ständig erhöhte, inzwischen unbezahlbare Sicherheitsanforderungen“.

Die Behörden bestehen auf einem unüberwindlichen Zaun, wie er bei den G-8-Treffen eingesetzt wird. Diese Einzäunung soll das gesamte Festgelände umschließen.

Der Konflikt ist nicht neu. Bereits das populäre „Nisan 23-Kinderfest“ am Brandenburger Tor scheiterte aus ähnlichen Gründen. Auch der Karneval der Kulturen stand vor allem wegen des Themas Sicherheit auf der Kippe – und nicht zuletzt die Pokalfete in der City West. Und das Kreuzberger Myfest ist nach dem letzten Mega-Andrang gleichfalls infrage gestellt.

Ruf nach "tragfähigen politischen Konzepten"

Angesichts des nun erneut ausgebrochenen Streits um die Sicherheit wurde am Sonnabend in der rot-schwarzen Koalition der Ruf nach „tragfähigen politischen Konzepten“ laut, „mit denen das Land solche zentralen, für Berlin imagefördernden Großveranstaltungen erhalten kann“, so der SPD-Abgeordnete und Stadtentwicklungsexperte Daniel Buchholz. Es geht ihm dabei besonders um Hilfen für „weniger finanzkräftige, teils ehrenamtliche Veranstalter“ wie das Öko-Netzwerk Grüne Liga, „die dennoch Großes auf die Beine stellen“.

Das Umweltfestival zwischen Brandenburger Tor und Großem Stern zieht ökologisch Interessierte auch in Scharen an, weil dort am gleichen Tag traditionell die bundesweit größte Fahrrad-Demo – die Sternfahrt des Allgemeinen Deutschen Fahrradklubs (ADFC) – endet. Im Gegensatz zu den kommerziellen Großevents am Tor, wie die Fanmeile oder Silvesterfete, nimmt die Grüne Liga aber geringfügige Standmieten von etwa 90 Euro pro Platz. „Wir arbeiten nur kostendeckend“, sagt Projektchefin Anke Ortmann.

Die meisten Sicherheitsauflagen, die ein Expertenteam von Polizei, Feuerwehr und Bezirk Mitte der Grünen Liga auferlegt hat, hält auch sie für sinnvoll. Dazu gehören mehr als elf große Notausgänge sowie eine ausreichende Zahl von Ordnern, die neu hinzukommende Besucher zählen und bei einer drohenden Überfüllung die Tore sperren können. Auch mit einem anfangs diskutierten Bauzaun für rund 20.000 Euro hatte sich die Liga noch arrangiert. Dieser sollte das Festivalareal derart großzügig umschließen, dass bei einer Massenpanik sogar noch innerhalb der Umzäunung genug sichere Ausweichflächen vorhanden sind.

G-8-Zaun um die Umwelt-Fete für 60.000 Euro

Erst Anfang vergangener Woche hätten die Behörden aber dann plötzlich einen Sicherheitszaun nach G-8-Standard verlangt: 2,20 Meter hoch, engmaschig, nicht demontierbar und kippfest. Voraussichtliche Kosten: 60.000 Euro. Ortmann fühlt sich unfair behandelt. „Das hätte man uns früher sagen sollen.“ Außerdem hält sie den Zaun für völlig übertrieben“. Beim Festival werde kein Alkohol ausgeschenkt, „es gab da noch nie Chaoten“.

Deshalb hat die Grüne Liga nun den Regierenden Bürgermeister Michael Müller (SPD) in einem Brandbrief um Hilfe gebeten. „Lassen Sie uns gemeinsam ein Konzept für die Zukunft entwickeln, dass solche Volksfeste weiter im Herzen Berlins stattfinden können“, heißt es darin.

Das ist offenbar auch ganz im Sinne der Koalitionsfraktionen sowie des Ordnungsstadtrates in Mitte, Carsten Spallek (CDU). An den Einschätzungen der Sicherheitsexperten wollen die Politiker allerdings nicht rütteln. Angesichts der Loveparade-Katastrophe in Duisburg und steigender Terrorgefahr seien solche Auflagen „unverhandelbar“, betont auch ein Sprecher von Stadtentwicklungssenator Andreas Geisel (SPD). Und Stadtrat Spallek verweist auf ein „Grundsatzschreiben“ des Polizeipräsidiums von 2014. Darin heißt es, „eine unübersteigbare Umzäunung bei Großveranstaltungen“ sei unerlässlich. Abgewiesene Fans könnten sonst das Gelände stürmen.

Berlin könnte künftig Zaun zur Verfügung stellen

Unisono versichern aber auch alle Beteiligten, man wolle solche Events, von denen Berlin nachhaltig profitiere, natürlich nicht verhindern. „Wenn sie von ihrem eigenen Erfolg überrollt werden, müssen wir helfen“, sagt CDU-Vizefraktionschef Stefan Evers. „Wir sollten beispielsweise darüber nachdenken, logistische Unterstützung zu leisten.“

Für den hauptsächlichen Streitpunkt hat SPD-Mann Daniel Buchholz da schon eine konkrete Idee. Das Land Berlin solle einen geeigneten Sicherheitszaun erwerben und diesen zumindest Veranstaltern, die nicht gewinnorientiert arbeiten, „jeweils zur Verfügung stellen“. Bis zum Umweltfestival wird das kaum klappen. Doch in den nächsten Tagen wird weiter verhandelt. Für Daniel Buchholz ist klar: „Dieses Fest müssen wir hinkriegen.“

Zu erfolgreich geworden: Ein Überblick über riesige Events in Berlin

Rauschendes Fest: Bei der Straßenparade des Karnevals der Kulturen der Welt jubeln Tausende am Straßenrand den Tänzern und Gruppen zu.
Rauschendes Fest: Bei der Straßenparade des Karnevals der Kulturen der Welt jubeln Tausende am Straßenrand den Tänzern und Gruppen zu.

© dpa

Viele beliebte Großevents in Berlin haben sich derart erfolgreich verselbstständigt, dass sie inzwischen an den nötigen Sicherheitsvorkehrungen zu scheitern drohen. Hier ein Überblick:

Karneval der Kulturen

Das Multi-Kulti-Fest Ende Mai wäre 2015 fast ausgefallen. Erst in letzter Minute wurden die Sicherheitsauflagen der Größe angepasst. Wegen des Streits darum war die Werkstatt der Kulturen als Veranstalter zurückgetreten. Die „Kulturprojekte Berlin“ sind nun zuständig. Sie wollen das ganze Konzept überarbeiten. Aus Sicht des SPD-Abgeordneten Daniel Buchholz müssen dann die Sicherheitsrichtlinien für alle Großevents angeglichen werden. Beim Karneval seien diese weniger streng als beim Umweltfestival der Grünen Liga.

Myfest Kreuzberg

250.000 Besucher – das war beim diesjährigen Myfest nicht mehr zu verkraften. In den Straßen herrschte teils das Chaos. Auch die grüne Bürgermeisterin Monika Herrmann ist beim Thema Sicherheit kompromisslos. Wie es weitergeht, soll am Runden Tisch besprochen werden.

CSD-Umzug

Eine Million Menschen werden am 27. Juni beim Umzug von Lesben und Schwulen am 37. Christopher Street Day erwartet. Derzeit verhandeln Polizei und Veranstalter intensiv über das Sicherheitskonzept.

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