zum Hauptinhalt
Praktisch, aber wenig nachhaltig. Die Zahl der Einwegverpackungen hat dank der Beliebtheit mobiler Getränke in letzter Zeit zugenommen. Foto: picture alliance

© picture alliance / Sueddeutsche

Berlin: Umweltschutz zum Mitnehmen

Berlin erwägt eine Abgabe für Einwegverpackungen. Das finden fast alle gut – mit einer Ausnahme.

Der Mülleimer offenbart den Zeitgeist. Bestandsaufnahme eines Behälters am Pariser Platz, dunkelgrüne Verkleidung, „GoGreen“-Aufkleber am Eimerrand: fünf Pappbecher inklusive Plastikdeckel, eine Plastiktasse, mehrere Bäckerei-Papiertüten, zerknüllte Servietten. Eine Schokoriegelhülle klebt am Mülleimerrumpf. Vieles, was in der Stadt verzehrt wird, gibt es heute „to go“, zum Mitnehmen in der praktischen Wegwerfhülle – mit entsprechenden Folgen für Umwelt und Stadtbild.

„Die Abfallvermeidung und -beseitigung von Einwegverpackungen ist in Berlin daher eine besondere Herausforderung“, erklärt Michael Arndt, Mitglied des Abgeordnetenhauses und Kreisvorsitzende der SPD Steglitz-Zehlendorf. Auf ihrem vergangenen Parteitag hatte die Regierungspartei eine neue Abgabe entworfen: Fast-Food-Abfälle sollen in Berlin gesondert besteuert werden und die Mehreinnahmen unmittelbar der Stadtreinigung zugute kommen.

Nun soll geprüft werden, auf welche Weise eine solche Sonderabgabe umgesetzt werden könne, sagt Arndt. Er sieht nicht nur die Berliner im Fokus: „Auch vor dem Hintergrund, dass Berlin ein Touristenmagnet ist, muss eine solche Abgabe diskutiert werden.“

Einhellig begrüßt wird der Vorstoß nun auch bei den anderen Parteien. Danny Freimark, der umweltpolitische Sprecher der CDU, hält die Diskussion für dringend notwendig: „Das Problem der zunehmenden Vermüllung öffentlicher Plätze muss konsequent und ohne Denkverbote diskutiert werden.“ Und die umweltpolitische Sprecherin der Grünen im Abgeordnetenhaus, Felicitas Kuballa, stellt die Frage nachhaltiger Lebensqualität: „Muss man in der alltäglichen Hektik zwischendurch einen Kaffee runterschütten? Oder kann man eine Tasse Kaffee nicht einfach als einen genussvollen Moment wahrnehmen, für den man sich Zeit nimmt? Ich denke, ein Umdenken hier würde viele Probleme noch vor dem ersten Senatsbeschluss lösen.“ Bei der BSR freut man sich über die Diskussion. „Sieht man sich die Müllzusammensetzung von Ballungszentren wie dem Alex, Breitscheidplatz oder Kurfürstendamm an, kann man von einem erhöhten Aufkommen von Einwegverpackungen sprechen“, sagt Stadtreinigungssprecher Thomas Klöckner. „Eine Abgabe für Einwegverpackungen würde die Arbeit der BSR unterstützen.“

Für die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung sieht die Sache komplizierter aus. Zwar hält man dort die Idee der Verpackungsabgabe für „charmant“, prüfe aber, ob sie rechtlich überhaupt realisierbar sei. Schwierig sei, ob der Verbraucher für Reinigungsaufgaben zur Kasse gebeten werden darf. Auch die IHK äußert Bedenken. Handelskammer-Sprecher Leif Erichsen warnt davor, Unternehmen mit einer gesetzlichen Regelung zu belasten: „Wir sind in Deutschland ja schon sehr weit, was Entsorgung und Recycling angeht.“ Viele Gastrobetriebe bemühten sich um Nachhaltigkeit und Sauberkeit in ihrem Kiez. Anstatt auf eine Zwangsabgabe hofft Erichsen auf „freiwillige Vereinbarungen zwischen Stadt und Unternehmen“.

Ein ähnliches Modell versuchte die Stadt Kassel bereits Mitte der 90er Jahre zu etablieren. Imbissbesitzer zahlten eine Verpackungssteuer für Einweggeschirr: Für Pappteller und Plastikbesteck wurden bei Vor-Ort-Verzehr zwischen 10 und 50 Pfennig erhoben, beim Mitnehmen galt diese Abgabe nicht. 1998 wurde die Steuer allerdings vom Bundesverfassungsgericht gekippt.

„Aber vielleicht ist die Zeit mittlerweile reif, einen neuen Versuch zu unternehmen“, sagt SPD-Mann Arndt. Es sei ein gesellschaftliches Phänomen, den individuellen Lebenslauf möglichst zeitoptimiert und beschleunigt zu gestalten. „Möglicherweise hilft eine solche Abgabe, den Wert einer Tasse Kaffee wieder zu erkennen.“

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false