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„Das Tatbild ist verstörend“: Marvin S. zu fünfeinhalb Jahren Haft verurteilt
Im Prozess um Vergewaltigung einer bewusstlosen Abiturientin wurde Marvin S. zu fünfeinhalb Jahren Haft verurteilt. Er hatte die Vorwürfe bestritten. Inzwischen gibt es weitere Verfahren gegen ihn.
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Die Abiturientin saß auch am 13. Verhandlungstag mit im Saal. Äußerlich blieb die inzwischen 23-Jährige regungslos. Über drei Jahre musste sie auf einen Prozess und ein Urteil warten. Nun ergingen fünfeinhalb Jahre Haft. Marvin S. wurde unter anderem der Vergewaltigung und der fahrlässigen Körperverletzung schuldig gesprochen. Der 38-Jährige habe die junge Frau zum Konsum verschiedener Drogen animiert und sie vergewaltigt, als sie bewusstlos war. „Das Tatbild ist verstörend“, sagte der Vorsitzende Richter Johannes Schwake. Die Folgen für die damals 20-Jährige seien gravierend.
Am 22. April 2022 lag die junge Frau halb tot in der verwahrlosten Steglitzer Wohnung des einstigen Geschäftsmannes. Ihr Körper war mit frauenverachtenden Wörtern beschmiert. Gegen 13 Uhr alarmierte Marvin S. die Rettungskräfte. Das Herz der Abiturientin stand still. Zwölf Minuten lang wurde sie reanimiert. Trotz der Auffälligkeiten gingen Polizisten zunächst nicht von einer Straftat aus. S. sprach damals von einer Art Drogen-Unfall. Mögliche Beweise wurden nicht sofort gesichert. Die Familie der jungen Frau aber bestand auf einer Strafverfolgung.
Die Abiturientin hatte mit ihrem Schachbrett im Rucksack eine Freundin besucht und machte sich kurz nach Mitternacht auf den Heimweg. Sie war erheblich alkoholisiert – sie, die selten Alkohol trank, hatte Liebeskummer und zu viel getrunken. An einer Bushaltestelle in Steglitz stand Marvin S. und sprach sie an. Er wirkte charmant. Freiwillig sei die junge Frau mit in seine Wohnung gegangen, so das Gericht.
Heroin und Kokain
Er bot ihr laut Urteil harte Drogen an, habe sie zum Konsum von Heroin und Kokain animiert. Verschiedene Betäubungsmittel seien es gewesen. „Sie war im Umgang mit Drogen nicht erfahren“, hieß es im Urteil. Die Schülerin sei wegen ihrer Alkoholisierung nicht mehr in der Lage gewesen, die Tragweite und die Risiken einzuschätzen. „Er aber wusste, dass diese Kombination von Alkohol und Betäubungsmitteln zur Bewusstlosigkeit führen kann.“ Das habe er ausgenutzt.
Das Gericht stützte sich bei seinem Schuldspruch auf Videosequenzen, die S. in der Nacht gefertigt hatte, und Chatnachrichten. Gegen zwei Uhr morgens seien sie in der Wohnung eingetroffen, um 4.33 Uhr reagiere die Frau noch. Ein Video um 6.51 Uhr zeige sie „stark benommen, ihr Blick ist leer “. Zu dem Zeitpunkt sei von einer erheblichen Einschränkung des Willens auszugehen. Eine um 8.57 Uhr aufgenommene Sequenz zeige sexuelle Handlungen des Angeklagten – „die Frau ist völlig regungslos“. Für massive Schläge und weitere körperliche Misshandlungen, die S. in der Anklage auch vorgeworfen wurden, gebe es allerdings keine Beweise.
Es war unklar, ob die Abiturientin überleben würde. Fünf Tage lag sie in einem künstlichen Koma. Danach war sie zunächst auf einen Rollstuhl angewiesen. Bis heute leidet sie unter Albträumen und Angststörungen, sie habe Probleme, Vertrauen aufzubauen. An die rund elf Stunden in der Wohnung von S. hat sie keine Erinnerung.
Marvin S. hatte sich erst gegen Ende des rund dreimonatigen Prozesses geäußert. Alles sei freiwillig geschehen, behauptete er. Seine Verteidiger plädierten auf Freispruch. Doch inzwischen steht die Frage im Raum, ob es sich bei Marvin S. um einen Serientäter handeln könnte. Denn es gibt weitere Vorwürfe. Vor zwei Monaten wurde eine zweite Anklage wegen einer mutmaßlichen Vergewaltigung im Februar 2020 erhoben. In einem dritten Fall soll es um eine junge Frau gehen, die 2021 in seiner Wohnung gewesen sei.
Die Mutter der Abiturientin hatte ihre Tochter stets zum Prozess begleitet. Für die 23-Jährige waren es schwere Stunden. „Ich bin stolz auf meine Tochter“, sagte die Mutter nun. Das Urteil habe sie beeindruckt. Und sie sei froh, dass Marvin S. „so nicht mehr mit Frauen umgehen kann“.
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