Berlin: Verkehrssenator will Behinderungen an Hauptverkehrsstraßen besser koordinieren - ein Anti-Staugesetz muss her
Was macht man gegen Staus? Ein Anti-Staugesetz.
Was macht man gegen Staus? Ein Anti-Staugesetz. Im Mai wurde es vom Abgeordnetenhaus beschlossen, gestern ist das Gesetzeswerk in Kraft getreten. Ab heute ist es mit den Staus also vorbei. Wer nach Feierabend trotz alledem zusammen mit vielen lieben Weggefährten die Stadtautobahn blockiert, verhält sich klar gesetzeswidrig.
Die Polizei ist angewiesen, gnadenlos durchzugreifen: Verlassen Sie sofort den Stau! - Vorsicht, Satire! So ist das Antistaugesetz, das Verkehrs- und Bausenator Jürgen Klemann (CDU) gestern erläuterte, natürlich nicht gemeint. Eigentlich heißt es auch nur "Baustellenkoordinierungsgesetz", aber das klingt langweilig. Berufsoptimist Klemann möchte nicht das "Blaue vom Himmel versprechen". Staus werde es weiterhin geben.
Mit dem Antistaugesetz ist nur die Hoffnung festgeschrieben, dass es mit dem fließenden Verkehr besser wird - oder zumindest nicht schlechter. Schon seit Jahren wird bei der Verkehrsverwaltung das Baustellengeschehen beobachtet und "koordiniert". Unternehmen, die länger als vier Wochen mehr als 50 Quadratmeter Straße und Bürgersteig blockieren, müssen das Placet bei der Inko, der Informations- und Koordinierungsstelle des Senats, einholen. Diese Regelung gilt künftig für alle Baustellen an den Hauptverkehrsstraßen. Wurden bisher rund 700 Bauplätze im Jahr betreut, werden es nach Schätzung von Inko-Chef Peter Rimmler künftig 1400 sein. Gleichzeitig werden die Gebühren für die Benutzung öffentlichen Straßenlandes drastisch erhöht.
Der Quadratmeter blockierte Fahrbahn kostete den Bauherren bisher monatlich drei Mark. Künftig werden es 15 Mark sein. Überschreitet er die abgesprochene Frist, kostet jeder Tag nicht mehr 50 Pfennig pro Quadratmeter, sondern 5 Mark. "Das ist ein Signal an die Unternehmer, Bauzeiten nicht mehr leichtfertig zu überschreiten", sagte Klemann. Das "Naturrecht" Bauen gelte zwar weiterhin, müsse aber räumlich und zeitlich auf das Unvermeidbare eingeschränkt werden. Die Inko wird dazu von 11 auf 18 Mitarbeiter aufgestockt. Mindestens sechs von ihnen sollen die korrekte Baustellenabsicherung und Verkehrsführung am betroffenen Objekt kontrollieren.
Die Inko-Zentrale kann Bauherren anweisen, ihr Vorhaben zu verschieben oder räumlich einzuschränken. DasVerbot eines schon genehmigten Bauprojekts sei zwar theoretisch möglich, so Klemann, aber eher unrealistisch. Ein weiterer Schwerpunkt sind Leitungsarbeiten der Versorgungsunternehmen. Damit nicht an gleicher Stelle mehrfach gebuddelt wird, soll Inko auch hier vermitteln. Das erspare nicht nur Stress für die Autofahrer, sondern auch eine Menge Geld für die Unternehmen, so Klemann.
Nicht berücksichtigt werden die vielen Festveranstaltungen und Protokollfahrten, die besonders den Verkehr im Regierungsviertel einschränken. Für den Bund als größten Bauherren in der Stadt birgt das neue Antistaugesetz ohnehin kaum Veränderungen. Berlin berechnet seinem großen Bruder kein Nutzungsentgelt für Straßenland. Allerdings werde darüber nachgedacht, sagte ein Mitarbeiter aus Klemanns Verwaltung.
Die Baustellenkoordinierung ist nur ein Teilstück der von Siemens und debis vorbereiteten Verkehrsmanagementzentrale, die ab 2000 das Blechgeschehen in der Stadt intelligent entschärfen soll. Stichwort: Per Handy am Stau vorbei. Das wirksamste Mittel gegen den automobilen Stillstand, das musste auch Klemann einräumen, ist immer noch das Umsteigen auf Busse und Bahnen.