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Zersört eine nötige Professionalisierung den Charme der Feste?

© dpa

Vom Fest zur Großveranstaltung: Verliert das Myfest seinen Charme?

Myfest, Karneval der Kulturen, Bergmannstraßenfest, Loveparade – sie fingen klein an und wurden riesig. Die nötige Professionalisierung droht aber regelmäßig den Charme dieser Feste zu zerstören.

Oft ging gar nichts mehr. Wer mal austreten musste, fand keinen Toilettenwagen. Wer Flaschen loswerden wollte, fand keinen Müllcontainer. Wem das Gedränge zu heftig wurde, der konnte sich kaum hinauszwängen. Das Kreuzberger „Myfest“ ist, wie berichtet, teilweise in Chaos umgeschlagen. Mehr als 40.000 Besucher waren nicht mehr zu verkraften. In dieser Woche will Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann (Grüne) eine „Auswertungsrunde“ mit allen Organisatoren und der Polizei zusammenbringen.

Aus ihrer Sicht steht das Myfest jetzt „an einem Scheideweg“ – wie der Karneval der Kulturen oder das Bergmannstraßenfest. Um die Veranstaltung zu erhalten, müsse sie wegen des gewaltig wachsenden Zulaufs professionalisiert werden. Aber dadurch droht ihr Charme verloren zu gehen – oder es kommt zum Aus wie im April beim Kinderfest „Nisan 23“ am Brandenburger Tor.

Die Wiesen vollgepinkelt, die Straßen und Grünanlagen mit Flaschen übersät – Kreuzberg SO36 war am Wochenende teilweise ein sehr unwirklicher Ort. Anwohner beschwerten sich, dass sie kaum mehr in ihre Häuser gelangt waren und bis Samstagfrüh Lärm ertragen mussten. Stimmen wurden laut, das Myfest abzuschaffen.

Die Kosten steigen

„Nein, das wäre total schade“, kontert Christian Tänzler vom Stadtvermarkter „Visit Berlin“. Das Myfest sei wie der Karneval der Kulturen längst ein Stück typisches Berlin geworden, vor allem für die Berliner, aber auch für Besucher. Solche Feste lebten von ihrer politischen Botschaft und von Improvisation. „Alle Kulturen können sich friedlich präsentieren, und es kann auch mal jemand einfach einen Tapeziertisch vors Haus stellen und Leckeres verkaufen.“

Wenn sich ein Fest aber zur Großveranstaltung entwickelt und Sicherheit, Logistik sowie der Service drumherum höhere Priorität haben, steigen die Kosten. Professionelle Händler werden angeworben und bauen gegen Gebühren ihre Buden auf, weil alles irgendwie bezahlt werden muss. Der Charakter sei dann rasch dahin, meint Tänzler. Daran scheiterte letztlich die Loveparade 2006. Und deshalb stand auch der Karneval der Kulturen in den vergangenen Jahren auf der Kippe. Mehr Ordner wurden benötigt, mehr Ausweichflächen mussten frei bleiben. Dadurch fielen Einnahmen für Stände an der Strecke weg, sie fehlten im Budget.

"Wir sollten einen Kompromiss finden"

„Das Myfest war anfangs eine Fete von Anwohnern für Anwohner“, sagt Silke Fischer, einst SPD-Politikerin in Kreuzberg, Erfinderin des Spektakels und bis 2010 eine der Hauptorganisatorinnen. Sie hatte 2003 die Idee, das Ritual der 1.-Mai-Krawalle mit dem Multikulti-Fest zu befrieden. Ihr Konzept ging diesmal mehr denn je auf, doch selbst Fischer sagt: „Inzwischen ist die Veranstaltung zum Riesenärgernis für die Anwohner geworden.“ Auch ihr Treppenhaus geriet zum Pissoir. Das sei unerträglich, „einfach zu viel“.

Offiziell wurde das Myfest von Anfang an vom Bezirk gemanagt. Um den Charme zu wahren, zahlen die Stände keine Gebühren. Doch seit sich die Veranstaltung erfolgreich verselbstständigt hat und vielleicht wie ein Dinosaurier zu groß zum Überleben geworden ist, fühlt sich der Bezirk überfordert. „Wir sind keine professionellen Großevent-Veranstalter wie Willy Kausch“, bringt Bürgermeisterin Herrmann die Qual des Erfolgs auf den Punkt.

Kauschs „K.I.T- Group“ organisiert die Silvesterfeten am Brandenburger Tor und die Fanmeilen auf der Straße des 17. Juni – mit Einlasskontrollen, Ordner-Heerscharen und Profi-Budenreihen. Das könne fürs Myfest nicht die Perspektive sein, meint Herrmann. Und „Visit Berlin“-Sprecher Tänzler pflichtet ihr bei. „Wir sollten einen Kompromiss finden. Das Fest den Gegebenheiten anpassen, aber den Charakter bewahren.“ kompromisslos ist Monika Herrmann allerdings in punkto Sicherheit. „Ich bin keine Spaßbremse, aber da gibt’s künftig keine Abstriche.“

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