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Angeklagt wegen Mordes. Marvin N. (2.v.l.) und Hamdi H. (5.v.l.) müssen sich seit Donnerstag vor dem Moabiter Kriminalgericht verantworten.

© Paul Zinken/dp

Update

Tödliches Autorennen in der City West: Verteidiger widersprechen dem Mordvorwurf

Die Ku’damm-Raser schweigen weiter vor Gericht. Elf rote Ampeln sollen sie ignoriert haben. Beim Prozessauftakt sagte die Beifahrerin aus.

Als „Ku’damm-Raser“ wurden sie bekannt. Nun stehen Hamdi H. und Marvin N. in einem Prozess, den es bundesweit so noch nicht gegeben hat: Erstmals geht es nach einem illegalen Autorennen mit tödlichem Ausgang um den Vorwurf des Mordes. Mit Vollgas sollen die Angeklagten über den Kurfürstendamm gerast sein. Bis Hamdi H. einen unbeteiligten Geländewagen rammte. Mit mindestens 160 Stundenkilometern, so die Ermittlungen. Michael W., der 69-jährige Fahrer, starb im Wagen.

Der Medienandrang ist groß, als der Prozess beginnt. Hinter Hamdi H. und Marvin N., 27 und 24 Jahre alt, liegen sechs Monate Untersuchungshaft. Im Gerichtssaal sitzt ihnen nun einer der beiden Söhne des Opfers gegenüber. Seinem Blick weichen sie aus. Die Nebenkläger wollen die Wahrheit erfahren und „hoffen auf eine empfindliche Strafe“, sagt der Anwalt der Brüder. Es gehe um ein Signal in Richtung der Raserszene. Mit einem Urteil, das abschreckend wirken könnte.

Staatsanwalt Christian Fröhlich strebt die größtmögliche Härte an. H. und N. hätten sich an einer Ampel am Adenauerplatz auf ein „Stechen“, wie es in der Raser-Szene heißt“, geeinigt. Im Audi 6 Quattro mit mehr als 200 PS saß H., der Gegner hinterm Steuer eines Mercedes AMG CLA mit weit mehr als 300 PS.

Niedrige Beweggründe und gemeingefährliche Mittel

„Beide versuchten, das illegale Straßenrennen zu gewinnen und sich die damit verbundene und angestrebte Selbstbestätigung zu sichern“, so die Anklage. Tödliche Folgen hätten sie billigend in Kauf genommen. Zwei Mordmerkmale werden genannt: Aus niedrigen Beweggründen und mit gemeingefährlichen Mitteln hätten sie gehandelt. Hamdi H. aus Moabit schießen Tränen in die Augen, als die Vorwürfe verlesen werden. Marvin N., ein Sicherheitsmitarbeiter aus Marzahn, sitzt regungslos neben seinen beiden Verteidigern. Derzeit äußerten sich die Angeklagten nicht, erklären die Verteidiger. „Gegebenenfalls später“, schieben sie nach. Was geschah, „hätte nicht passieren dürfen“, so einer der Anwälte. „Hamdi H. bereut sehr“, erklärt ein anderer Verteidiger. Alle widersprechen der Anklage.

Der Vorwurf des Mordes sei nicht haltbar. „Der Raserei ein Ende machen darf man nicht, in dem man die Gesetzeslage unzulässig ausweitet und verschärft“, argumentiert ein Anwalt. Eine Bestrafung, wie sie dem Ankläger vorschwebe, sei nach derzeitiger Rechtslage nicht zu erreichen. Der Vorsatz, an einem illegalen Autorennen – aktuell als Ordnungswidrigkeit eingestuft – teilzunehmen, dürfe nicht mit einem Tötungsvorsatz gleichgesetzt werden. Und ab welchem Tempo aus einer – wie bei tödlichen Verkehrsunfällen in der Regel angenommenen – fahrlässigen Tötung denn ein Totschlag oder gar ein Mord werden soll. „Der Blick muss auf den Einzelfall gerichtet werden“, kontert der Staatsanwalt.

Es war kurz nach Mitternacht, als die Männer mit Leidenschaft für schnelle und protzige Autos am 1. Februar Gas gaben. Rote Ampeln wurden ignoriert – elf sollen es gewesen sein. 3,4 Kilometer über den Kurfürstendamm. Bis ihnen ein Jeep, der „Grün“ hatte, zufällig in die Quere kam. Der Rentner am Steuer hatte keine Chance. Wie zwei Pfeile seien die beiden weißen Wagen durch die Straße geschossen, gab später ein Zeuge zu Protokoll. Mit Tempo 160 soll H. in den Geländewagen gerast sein. Er wurde 70 Meter weit geschleudert.

Prozess wird am Montag fortgesetzt

Der Audi wurde durch den Zusammenprall gegen den Mercedes gedrückt, prallte gegen eine Mauer und landete dann auf der Mittelinsel. Die teuren Sportwagen waren Schrott. Die beiden Fahrer sowie die Beifahrerin von N. stiegen eher leicht verletzt aus.

Die erste Zeugin ist die Beifahrerin. N. wollte sie nach einem Barbesuch nach Hause bringen. In der Bar sollen sich N. und H. kurz zuvor begegnet sein. An einer Ampel hätten sie sich zufällig getroffen, sagt die Zeugin. „Sie kurbelten die Scheiben runter und redeten.“ Den Inhalt habe sie nicht verstehen können. „H. ist dann losgerast.“ N. habe entsetzt gewirkt. „Warum fährt er wie ein Verrückter“, habe er gerufen und an den nächsten zwei Ampeln, die auf Rot standen, noch gehalten. „Dann holte er auf.“ War es ein verabredetes Rennen? Die Zeugin behauptet: „Auf keinen Fall.“

Der Prozess geht am kommenden Montag weiter.

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