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Berlin: Verwirrung und Betroffenheit nach den tödlichen Schüssen in Grunewald

BERLIN (emv/ lvt).Verkehrschaos am Kurfürstendamm, abgesperrte Straßen, zeitweilig geschlossene Tankstellen und Geschäfte, massive Polizeipräsenz, verwirrte und zornige Bürger: So präsentierte sich gestern nachmittag die Umgebung des israelischen Generalkonsulates in Wilmersdorf nach den tödlichen Schüssen in der Vertretung.

BERLIN (emv/ lvt).Verkehrschaos am Kurfürstendamm, abgesperrte Straßen, zeitweilig geschlossene Tankstellen und Geschäfte, massive Polizeipräsenz, verwirrte und zornige Bürger: So präsentierte sich gestern nachmittag die Umgebung des israelischen Generalkonsulates in Wilmersdorf nach den tödlichen Schüssen in der Vertretung.Wie es dazu kommen konnte, war auch am frühen Abend noch unklar.Offenbar kletterten die Eindringlinge über den Zaun des Konsulats und schlugen auf Türen und Fenster des Gebäudes ein.Zu diesem Zeitpunkt sei schon deutsche Polizei vor Ort gewesen.Ein Polizeisprecher bestätigt das, bestand aber darauf, daß die Beamten nicht geschossen hätten.

Empört waren Mitarbeiter einer Kindertagesstätte, die nur wenige Meter vom Tatort entfernt liegt."Wir sind von der Polizei in keiner Weise informiert oder gewarnt worden", kritisierte Wolfgang Hampel, Leiter der evangelischen Kita der Grunewald-Gemeinde."Nicht auszudenken, wenn unsere 60 Kinder kurz nach der Tat im Garten gespielt hätten".

Aufgeschreckt von den Ereignissen fast vor der Haustür der Kita an der Ecke Schinkelstraße/ Koenigsallee riefen die Mitarbeiter die Eltern der Kinder an."Viele der aufgeregten Mütter und Väter wurden zunächst nicht durch die Polizeiabsperrung gelassen", sagte Wolfgang Hampel.Viele der Kleinen seien wegen der kreisenden Hubschrauber und der vielen Mannschaftswagen der Polizei verängstigt gewesen.

Kurz nach dem tödlichen Zwischenfall im israelischen Generalkonsulat zogen Gruppen demonstrierender Kurden in Richtung Kurfürstendamm und lieferten sich kleine Scharmützel mit der Polizei."Das ging immer hin und her, und ein Kurde soll einem Polizisten Benzin ins Gesicht gespritzt haben", berichtete ein Mitarbeiter der Esso-Tankstelle am Rathenauplatz.Eine nahegelegene BP-Tankstelle schloß vorübergehend, ebenso wie mehrere kleine Läden."Bei uns hat es aber die ganze Zeit Schrippen gegeben", sagte eine Verkäuferin einer Bäckerei an der Bismarckstraße unbeeindruckt.

Während des Nachmittags warteten die in kleinen Gruppen eingekesselten kurdischen Demonstranten darauf, von der Polizei erkennungsdienstlich behandelt zu werden.Die Kurden, die teils auf dem Schnee knieten, riefen Parolen wie "Ich bin PKK" und "Öcalan PKK." Aus Richtung Innenstadt stießen immer wieder kleinere Demonstrantengruppen dazu, darunter auch Anhänger autonomer Gruppen.Vor dem weitgehend abgesperrten türkischen Konsulat am Kurfürstendamm blieb im weiteren Tagesablauf alles ruhig.

Zwei kleine Mädchen blieben unbeeindruckt von den Ereignissen und schlenderten mit ihren Schlitten zwischen den Mannschaftswagen der Polizei hindurch zum Halensee.Der Wilmersdorfer Bezirksbürgermeister Michael Wrasmann, der nachmittags zum Tatort kam, erinnerte daran, daß "es hier noch nie Auseinandersetzungen um die Botschaften gab." In Wilmersdorf befinden sich 15 diplomatische Niederlassungen.Vor dem Generalkonsulat gab ein kurdischer Aktivist Interviews und beschuldigte den israelischen Geheimdienst, an der Entführung Öcalans beteiligt gewesen zu sein.

BERLIN (mal).Die israelische Generalkonsulin in Berlin, Miryam Shomrat, zeigte sich in einer ersten Reaktion tief bestürzt.Sie sei zum Tatzeitpunkt nicht im Hause gewesen, berichtete sie am Mittwoch nachmittag."Ich mußte eine Dreiviertelstunde vorher zu einem Termin.Dann wurde ich sofort telefonisch informiert, daß das Gebäude gestürmt wird.Und dann ging alles sehr, sehr schnell." Eine Mitarbeiterin habe ihr erzählt, daß Hunderte von Menschen an den Fenstern des Generalkonsulats hingen."Dann brach das Telefonat kurzzeitig ab, und am Schluß waren alle Kurden drin." Shomrat bestätigte, daß es eine Geiselnahme gegeben habe."Schließlich gab ich grünes Licht für einen Polizeieinsatz, aber nur unter der Bedingung, daß keine Gewalt angewendet wird." Inzwischen hätten nach ihrem Kenntnisstand von 16 Uhr alle Kurden das Gebäude verlassen, die Geisel sei frei, Mitarbeiter des Generalkonsulats seien nicht zu Schaden gekommen.Ein Wagen der Polizei habe, wie üblich, vor dem Gebäude gestanden.Aber auch die Polizisten seien offenbar überrumpelt worden.Sie selbst stünde die ganze Zeit über in telefonischem Kontakt mit den Mitarbeitern des Konsulats.Beunruhigt über die Ereignisse zeigte sich auch der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Ignatz Bubis: "Wir werden unsere Einrichtungen jetzt stärker beobachten und schützen lassen, aber wir werden sie nicht schließen.Wir hatten nie Probleme mit den in Deutschland lebenden Kurden", sagte Bubis am Mittwoch dem Tagesspiegel.

Unsicherheit bei Berliner Türkeiurlaubern

Auswärtiges Amt: Keine konkreten Gefahren

BERLIN (hsp).Angesichts der gewalttätigen Aktionen von PKK-Aktivisten in Deutschland fragten gestern die ersten Berliner nach der Sicherheit von Reisen in die Türkei.Viele erinnerten sich noch an die Bombenanschläge auf den Urlaubsort Antalya im Jahr 1993.Die Deutschen hatten die Türkei daraufhin gemieden.Zuletzt war es im Frühjahr 1998 zu Kämpfen bei Antalya und zu Bombenanschlägen in Istanbul gekommen; in Izmir waren Bombenanschläge nur knapp vereitelt worden.Trotzdem war die Zahl der deutschen Türkei-Touristen in den letzten Jahren auf zweieinhalb Millionen gestiegen, nicht zuletzt aufgrund der weicheren Linie der PKK.

Gestern morgen hatte ein kurdischer Exilpolitiker Europäer vor Urlaubsreisen in die Türkei gewarnt und die Kurden aufgerufen, die Urlaubszentren "lahmzulegen".Im Auswärtigen Amt glühten die Drähte.Am Nachmittag galten noch die alten Sicherheitshinweise des Amtes.Darin wurden die West- und Zentraltürkei als sicher dargestellt.Es wurde darauf hingewiesen, daß es "keine hundertprozentige Sicherheit geben könne".Gleichzeitig berieten Experten des Amtes, ob und wie die Reisehinweise verschärft werden müßten.Gegen 16 Uhr wurden die Hinweise ergänzt: Die jüngsten Drohungen PKK-naher Kurdenkreise seien bekannt, die türkische Polizei habe die Sicherheitsvorkehrungen verstärkt, es liegen keine Erkenntnisse über konkrete Gefährdungen vor.Türkische Reisebüros meldeten, sie hätten am Tag des Blutbades Reisen in die Türkei verkauft.

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