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Muss um sein wichtigstes Vorhaben kämpfen: Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner (CDU).

© dpa/Sebastian Christoph Gollnow

Veto gegen die Verwaltungsreform: Die Berliner SPD spielt mit dem Feuer

Kurz vor dem Ziel bremst die Berliner SPD die Verwaltungsreform aus. Das Risiko des Scheiterns ist groß – auch für die Sozialdemokraten.

Robert Kiesel
Ein Kommentar von Robert Kiesel

Stand:

Nun also wirklich: Nachdem CDU und Grüne monatelang prophezeit hatten, die SPD werde den Zug in Richtung Verwaltungsreform kurz vor der Endstation entgleisen lassen, scheint genau das jetzt zu passieren. Gleich in mehreren Punkten legen die Sozialdemokraten ihr Veto gegen den von der Senatskanzlei ausgearbeiteten Vorschlag zur Auflösung des Berlin lähmenden Behörden-Pingpongs ein.

Von „grundsätzlichen verfassungsrechtlichen Vorbehalten“ ist in einem dem Tagesspiegel vorliegenden Schreiben an die Senatskanzlei die Rede. Sowohl der vorliegende Entwurf für das geplante Landesorganisationsgesetz als auch ein Teil der vorgesehenen Verfassungsänderung seien „nicht mitzeichnungsfähig“, erklären die SPD-geführten Senatsverwaltungen einmütig.

Man kann und muss die Sozialdemokraten dafür deutlich kritisieren. Tatsächlich ist es mitnichten so, dass die von der Senatskanzlei vorgelegten Entwürfe für die Genossen überraschend kamen. Sie sind Ergebnis monatelanger Verhandlungen, an denen die Regierungspartei zu jeder Zeit entscheidend beteiligt war. Jede Änderung der mannigfachen Entwürfe wurde unter Beteiligung der Sozialdemokraten erarbeitet. Warum jetzt nicht mitgetragen wird, was selbst verhandelt wurde, ist schlicht unverständlich.

Kritik am Umarmungskurs Wegners

Eine mögliche Erklärung liegt im Verfahren, das Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner (CDU) für das für ihn persönlich eminent wichtige Projekt gewählt hatte: Von Beginn an – Wegner ließ keine Gelegenheit aus, das zu betonen – wurde die für eine Verfassungsänderung benötigte Opposition aus Grünen und Linkspartei einbezogen. Ob in regelmäßigen Berichterstattergesprächen am Rande der Plenarsitzungen, diversen Facharbeitsgruppen oder politischen Spitzenrunden – überall saß die Opposition mit an den Tischen, wurde gehört, konnte eigene Wünsche geltend machen.

Den Genossen war der von Wegner demonstrativ gewählte Umarmungskurs von Beginn an ein Dorn im Auge. Grüne und Linke würden zu früh und intensiv beteiligt, hieß es immer wieder aus den Reihen der Sozialdemokraten. Bis zuletzt stellten sie infrage, ob es eine Verfassungsänderung und damit die Beteiligung der ehemaligen SPD-Koalitionspartner überhaupt brauche. Das jetzige Veto gleicht einer Antwort auf die Frage.

Die Spitzen von Wirtschafts- und Stadtentwicklungsverwaltung stehen auf der Bremse, ebenso Innensenatorin Iris Spranger (SPD).

© dpa/Bernd von Jutrczenka

Eine weitere Erklärung: „Die“ SPD existiert aktuell nicht. Mindestens drei Machtzentren innerhalb des Landesverbands kämpfen darum, den Kurs der Gesamtpartei zu bestimmen – mit offenem Ausgang. Die Vielstimmigkeit ist auch in Bezug auf die Verwaltungsreform deutlich zu vernehmen.

Während die Spitzen von Innen-, Wirtschafts- und auch Stadtentwicklungsverwaltung auf der Bremse stehen, äußern sich Mitglieder der SPD-Abgeordnetenhausfraktion deutlich entspannter. Ein derart im Selbstfindungsmodus gefangener Koalitionspartner mutiert in Sachen Verlässlichkeit schnell zum Totalausfall. Wegners „Chefsache“ Verwaltungsreform droht nicht zuletzt auch dem SPD-internen Machtkampf zum Opfer zu fallen.

Wegners „Chefsache“ Verwaltungsreform droht nicht zuletzt auch dem SPD-internen Machtkampf zum Opfer zu fallen.

Robert Kiesel, Landespolitischer Korrespondent beim Tagesspiegel

Klar ist: Das Ausbremsen der Verwaltungsreform ist für die SPD, die sich weiterhin im Kern zu dem Projekt bekennt und ihrerseits von „Klärungsbedarf“ spricht, ein Spiel mit dem Feuer. Als die Dauerregierungspartei dieser Stadt trägt sie wie keine andere Verantwortung für die Missstände, die eine endlich auch erfolgreiche Reform überhaupt nötig machen. Wie groß das Maß an fehlender Aufgaben- und Verantwortungsklarheit in den Behörden ist, hat der Prozess schon jetzt gezeigt. In all den Jahren, die das Problem gärt und unangetastet blieb, gab es eine Konstante: die SPD in der Regierung.

Es gibt keine Alternative zu einer Verwaltungsreform, die bestehende Blockaden auflöst und Behörden dazu befähigt, ihre Arbeit für die Menschen in dieser Stadt zu erledigen. Politische Eitelkeiten und Ränkespiele gehören zurückgestellt. Am Gelingen dieses Vorhabens wird bei der anstehenden Abgeordnetenhauswahl auch die SPD gemessen. Eine weitere Wahlklatsche kann sie sich schlicht nicht mehr leisten.

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