
© Patricia Bartos/dpa
Vierfache Mutter in Zehlendorf erstochen: Aufgeheizte Stimmung bei Prozess um Femizid
Fünf Monate nach einem tödlichen Messerangriff auf eine 36-Jährige steht ihr Ex-Mann wegen Mordes vor Gericht. Im Gerichtssaal schlagen die Emotionen hoch.
Stand:
Eine 15-Jährige saß ihrem Vater im Gerichtssaal gegenüber. Sie ist eine von mehreren Nebenklägern. Er ist der Angeklagte. Yasser B. steht wegen Mordes an seiner Ex-Frau vor dem Berliner Landgericht. Die 36-jährige Norhan A. hatte Schutz vor ihm gesucht und mit ihren vier Kindern Zuflucht in einer geschützten Wohnung in Zehlendorf gefunden. Doch sie wurde Opfer eines tödlichen Messerangriffs. Es geschah vor dem Haus. Aus „massiver Eifersucht“ und „übersteigertem Besitzdenken“, heißt es in der Anklage.
„Mörder!“, rief aufgebracht ein Bruder der Getöteten in Richtung des Angeklagten. „Schäm dich!“ Die Emotionen schlugen hoch, die Nerven lagen blank. Es sollen auch Drohungen gegen Yasser B. ausgesprochen worden sein. Auf dem Pullover der 15-Jährigen war ein großes Bild ihrer Mutter zu sehen. Die Tochter kämpfte immer wieder mit den Tränen. Ihr Vater, ein drahtiger Mann mit einem Dreitagebart, wirkte eher gelassen und kühl.
Das Verbrechen sorgte in Berlin für Aufsehen – wieder ein Femizid, stand bald für die Ermittler fest. Brutal, gnadenlos, kaltblütig sei eine Frau aus dem Leben gerissen worden, weil sie eine Frau ist, weil sie die Beziehung beendet hatte. Als Yasser B. am Tatort festgenommen wurde, soll er ohne Reue erklärt haben: „Sie hat es nicht verdient zu leben.“ Er habe so handeln müssen – es sei um seine „Ehre“ gegangen.
Mehrere Fälle häuslicher Gewalt
Norhan A. und B., beide Libanesen, waren von 2009 bis 2022 verheiratet. In der Ehe soll es mehrfach zu häuslicher Gewalt gekommen sein. 2020 trennte sich die vierfache Mutter von ihrem offenbar gewalttätigen Partner, dann folgte die Scheidung. Er soll ihr nachgestellt und sie bedroht haben.
Die junge Mutter wehrte sich: Sie zeigte ihn an, sie erwirkte eine Anordnung nach dem Gewaltschutzgesetz, er durfte sich ihr demnach nicht mehr nähern. Sie soll auch das alleinige Sorgerecht für ihre vier Kinder bekommen haben. Zudem wurde sie von den Behörden in einer geschützten Wohnung in Zehlendorf untergebracht.
Yasser B. soll sich an die Beschränkungen nicht gehalten haben. Er ist mehrfach vorbestraft – unter anderem wegen Körperverletzung und Verstoßes gegen das Gewaltschutzgesetz. B. soll seine ehemalige Frau dennoch beobachtet und gesucht haben. Er habe beschlossen, die Frau, die sich von ihm abgewandt hatte, zu töten – „insbesondere da er nicht bereit war zu akzeptieren, dass sie ihr Leben ohne ihn fortsetzen würde und sich nun anderen Männern zuwenden könnte“, so die Anklage.
Am 28. August vorigen Jahres sei es ihm gelungen, sie ohne eine Begleitung abzupassen. Bewaffnet mit einem zehn Zentimeter langen Messer hockte er laut Ermittlungen in einem Versteck. Als seine Ex-Frau das Haus verließ, um zu ihrem Auto zu gehen, habe er sie unvermittelt attackiert.
Tödlicher Stich ins Herz
Beschimpft, geschlagen und getreten habe er sie zunächst. Sie ging zu Boden, konnte sich aufrappeln, wollte entkommen. Ein verzweifelter Todeskampf. Nach ein paar Schritten habe er sie eingeholt, wieder geschlagen, ihr dann das Messer dreimal in die Brust gerammt. Ein Stich traf das Herz.
Eine Augenzeugin wollte einschreiten. Sie legte sich auf die verletzte Frau. B. soll erneut zugestochen und dem Opfer mehrere wuchtige Tritte gegen den Kopf versetzt haben. Dann ließ er von der tödlich verletzten Frau ab „und beobachtete die Rettungsversuche von Zeugen“, heißt es in der Anklage.
Noch am Tatort wurde B. festgenommen und befindet sich seitdem in U-Haft. Ein Polizeibeamter sagte als erster Zeuge, der Mann habe das Opfer am Tatort auch noch massiv beschimpft, als klar war, dass es keine Rettung geben würde. Von einem Streit mit seiner Ex-Frau habe B. damals gesprochen, ihr unterstellt, sich mit Drogendealern zu treffen. Er habe seine Kinder retten wollen – „sie macht mich wahnsinnig“.
Die Staatsanwaltschaft geht von einem heimtückischen Mord aus niedrigen Beweggründen aus. Der Anwalt von B. hat eine andere Sicht. In einem Eröffnungsstatement der Verteidigung erklärte er, die Verhandlung werde ergeben, dass Norhan A. nicht aufgrund ihres Geschlechts – also weil sie eine Frau ist – attackiert wurde. „Der Begriff Femizid trifft in diesem Fall nicht zu“, so Anwalt Philipp Albers.
Die Tötung wird Yasser B. nach Angaben seines Verteidigers wohl nicht bestreiten. Fraglich aber sei, ob es Mordmerkmals gibt, hieß es weiter in der Verteidiger-Erklärung. Der 50-Jährige sei am 28. August „tagsüber an einem Badesee gewesen“. Eine Tasche mit entsprechenden Dingen habe er bei sich getragen. Das passe nicht zu einem Auflauern, von dem die Anklage ausgeht. Es handele sich „vielmehr um eine spontane Gewalttat“.
Yasser B. will ich im Prozess äußern, allerdings erst zu einem späteren Zeitpunkt. Mit der Befragung weiterer Zeugen wird die Verhandlung am Freitag fortgesetzt.
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