Friedrichshain: Vivantes eröffnet Jugendpsychiatrie
Es geht um Cannabissucht, Schulangst oder Depressionen: Das Klinikum im Friedrichshain bietet 70 Plätze für Drei- bis 18-Jährige. Auch eine eigene Schule gehört zu der neuen Jugendpsychiatrie.
Jugendliche sehen sich heute einer Vielzahl von Herausforderungen gegenüber: Schulischer Leistungsdruck, Alkoholkonsum, Computerspielsucht, Abhängigkeit von Drogen wie Cannabis. Am Vivantes Klinikum im Friedrichshain hat jetzt eine neue Kinder- und Jugendpsychiatrie eröffnet, in der gezielt solche Probleme behandelt werden können. Zielgruppe sind Kinder und Jugendliche zwischen drei und 18 Jahren, die unter seelischen Störungen leiden.
„Die psychischen Probleme treten meistens dann auf, wenn eine neue Lebensphase beginnt, also etwa beim Eintritt in die Kita oder beim Übergang von der Kita in die Schule“, erklärt Chefarzt Oliver Bilke. Bei kleinen Kindern geht es zum Beispiel um die Früherkennung von Lese- und Rechtschreibschwäche oder eine Depression, die als Faulheit ausgelegt wird. Bei Älteren stehen Angsterkrankungen, Autismus, Leistungsstörungen und Abhängigkeiten wie Cannabis- oder Computerspielsucht im Vordergrund. Im letzten Fall haben die Betroffenen sehr wenig Sozialkontakte, kennen sich aber mit technischen Geräten hervorragend aus und können irgendwann Realität und Rolle nicht mehr auseinanderhalten. „Aber im normalen Leben kann man nicht einfach auf Neustart drücken“, so Bilke.
Der Schwerpunkt der neuen Klinik liegt auf der Behandlung solcher Abhängigkeiten. Dazu können die Patienten bis zu sechs Monate stationär aufgenommen werden. 70 Betten, verteilt auf vier Stationen und eine Tagesklinik, stehen zur Verfügung, außerdem im Keller eine eigene Schule. Wenn es Frühling geworden und der Schnee getaut ist, sollen im Hof hinter der Klinik, unmittelbar vor dem Abhang des Bergs im Volkspark Friedrichshain, auch ein eigener Sportplatz und eine Spielfläche entstehen.
Die neue Klinik ist das Ergebnis einer Fusion der bisherigen Kinder- und Jugendpsychatrien von Vivantes in Hellersdorf und Reinickendorf. Die Zahl der Betten ist dabei nicht verringert, das Personal sogar leicht aufgestockt worden. Der entscheidende Vorteil ist die zentrale Lage: Das Einzugsgebiet besteht aus Mitte, Friedrichshain-Kreuzberg und dem Berliner Südosten, insgesamt 1,2 Millionen Menschen leben in diesem Gebiet. Früher galt es schon als Erfolgserlebnis, wenn die Patienten überhaupt den Weg in die Klinik gefunden haben. Das fällt jetzt wesentlich leichter. Im Unterschied zur anderen großen Berliner Jugendpsychiatrie am Charité-Campus Virchow-Klinikum wird bei Vivantes allerdings keine Spitzenforschung betrieben, sondern die sogenannte Pflichtversorgung sichergestellt. Über 50 Prozent der Jugendlichen würden aus eigenem Antrieb kommen, sagt Bilke. Die Eltern spielten dabei nur eine untergeordnete Rolle, viel wichtiger sei der Druck der Altersgenossen. Bei Kleinkindern würden vor allem Jugendamt, Gerichte oder die Großeltern Druck auf die Eltern ausüben, mit ihren Kindern die Psychiatrie aufzusuchen.
Die Gänge und Zimmer der neuen Klinik sind in warmen, roten und gelben Farben gestrichen. Es gibt Aufenthaltsräume für die Jugendlichen und eigene, speziell gestaltete Zimmer für Mütter, die hier mit ihren Kleinkindern für einige Zeit wohnen können. Die Türen der Zimmer für Jugendliche öffnen sich nach innen, damit sie wohnlicher wirken. Falls ein Bewohner die Tür von innen mit einem Möbelstück blockiert, kann aber der komplette Türrahmen mit einem einfachen Handgriff ausgehebelt werden. „Aber wir hoffen natürlich nicht, dass das nötig sein wird“, so Oliver Bilke.
Udo Badelt