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Die Delegierten stimmen beim Landesparteitag der Berliner SPD im Willy-Brandt-Haus über einen Antrag ab. (Symbolbild)

© dpa/Bernd von Jutrczenka

„Von der arbeitenden Mitte entfernt“: Sieben Ex-Senatoren fordern Erneuerung der Berliner SPD

Die SPD habe die gesellschaftliche Verankerung verloren, so lautet das Urteil von über 50 Berliner Genossen. Sie kritisieren nicht nur die Themensetzung – sondern auch das Spitzenpersonal.

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Sieben ehemalige Senatoren, Kommunalpolitiker und weitere Berliner Sozialdemokraten werben nur rund ein Jahr nach der Wahl neuer Landesvorsitzender für eine personelle und inhaltliche Neuaufstellung ihrer Partei. Sie sprechen sich gegen kostenlose Schulmittagessen für alle aus und kritisieren „Enteignungs-Debatten“ in der Stadt.

„Wir wollen, dass die Interessen der Stammwählerschaft der SPD wieder in den Mittelpunkt gerückt werden“, sagte Gisela von der Aue, von 2006 bis 2011 Berliner Justizsenatorin, am Dienstag bei einem Pressetermin.

Wir haben uns von der arbeitenden Mitte entfernt.

So lautet ein Urteil der SPD-Mitglieder

Knapp mehr als 50 Mitglieder haben einen dreiseitigen Appell verfasst, den sie als „innerparteilichen Weckruf“ verstanden wissen möchten. Unter den Unterzeichnern sind der Ex-Regierende Michael Müller, Berlins ehemaliger Wirtschaftssenator Stephan Schwarz, der ehemalige Bildungssenator Jürgen Zöllner, der langjährige Innensenator Ehrhart Körting, Berlin Ex-Bildungssenatorin Astrid Busse, der frühere Landesvorsitzende und Stadtentwicklungssenator Peter Strieder sowie der ehemalige Bausenator Wolfgang Nagel.

Wollen die Berliner SPD erneuern, „bevor es zu spät ist“: Ex-Justizsenatorin Gisela von der Aue, Katja Ahrens, stellvertretende Vorsitzende der SPD-Fraktion Pankow, und Ex-Bildungssenator Jürgen Zöllner am Dienstag in Berlin.

© Tagesspiegel

Sie fordern, die Interessen der arbeitenden Bevölkerung in den Mittelpunkt der sozialdemokratischen Politik zu stellen. „Wir haben uns von der arbeitenden Mitte entfernt“, heißt es in dem Schreiben. Es dominierten Themen, die an der Lebenswirklichkeit der Berlinerinnen und Berliner vorbeigingen.

Als zentrale Themen, auf die der Fokus stattdessen gesetzt werden solle, nennen die SPD-Mitglieder unter anderen die Drogen- und Gewaltkriminalität, die Wirtschaftskrise, Mangel an Wohnraum und „irreguläre Migration“.

Kritik an Debattenkultur in der SPD

Die innerparteiliche Diskussion der vergangenen Jahre sei „durch das Ausblenden bestimmter Themen und Begriffe bis hin zur Tabuisierung bestimmter Positionen“ geprägt gewesen, sagte von der Aue. Das wolle man ändern.

Das Prinzip „Umsonst-Stadt“ führe zu sozialer Ungerechtigkeit, heißt es in dem Appell – eine Kritik insbesondere an dem von der SPD eingeführten kostenlosen Mittagessen für alle Schulkinder, als dessen größter Verfechter Fraktionschef Raed Saleh gilt.

Die Unterzeichner kritisieren auch den Umgang innerhalb der Partei. Dass Michael Müller nicht auf die Landesliste zur Bundestagswahl gewählt worden sei, sei ein Ausgangspunkt für den „Weckruf“ gewesen, sagte von der Aue.

Ex-Bildungssenator Jürgen Zöllner kritisierte zudem die Auswahl des Personals. Es habe ihn erschüttert, dass die Partei, die die arbeitende Bevölkerung repräsentiere, vier Kandidaten aufgestellt habe, von denen nur einer länger in einem Beruf außerhalb der Politik gearbeitet habe.

Zöllner sprach auch von einer „impliziten Unzufriedenheit“ mit Blick auf die Landesvorsitzenden Nicola Böcker-Giannini und Martin Hikel, die die Partei nach einem Mitgliedervotum im Frühjahr 2024 seit knapp über einem Jahr führen.

Die im Appell genannten inhaltlichen Leitplanken müssten auch vom Spitzenpersonal verkörpert werden, heißt es in dem Papier. Damit stellen die Unterzeichner auch Forderungen an eine Spitzenkandidatur für die Abgeordnetenhauswahl 2026.

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