
Wahlkampf der Linkspartei: Von drüben nach Mitte
Die Linke will im Wahlkampf auf ihre Ost-Identität setzen – aber wie viel davon besitzt die Partei eigentlich? Profitiert die Linken-Personalriege von ostdeutscher Frauenpower?
Es ist ein unwichtiges Ritual, durch das sich die Linke von allen anderen Parteien unterscheidet. Die Kleinigkeit zeigt, dass die Linke durchaus noch östlich geprägt ist. Auf ihren Parteitagen gibt es regelmäßig eine Mittagspause: Man isst im Kollektiv. In einer Reihe stellt man sich zur Essensausgabe an. Dann verzehren alle ihr Mittagessen, wie im Großbetrieb. Danach gehen viele draußen eine Zigarette rauchen.
Die kollektive Mittagspause, die es bei keiner anderen Partei gibt, zeigt das Ostpotenzial der Linken. Das wollen sie ausspielen im kommenden Wahlkampf – Landeschef Klaus Lederer hat es vor dem Parteitag an diesem Sonnabend angekündigt: Die Linke sei und bleibe "die Vertretung für die Menschen mit ostdeutschen Wurzeln in der Stadt. Nur sie hat bisher für deren originäre Repräsentanz im Senat gesorgt und deren Interessen in der Politik vertreten", heißt es im Leitantrag des Landesvorstands.
Lederer hat dabei leicht reden. Der Mann aus Schwerin ist jung genug, um in der DDR nichts falsch gemacht zu haben, und gerade alt genug, um zu wissen, wie die DDR gewesen ist. Harald Wolf dagegen, der Wirtschaftssenator, hat die DDR lange als linker Grüner von außen betrachtet. 1990 wechselte er in die PDS, wie die Vorgängerpartei der Linken hieß. Doch mussten noch zehn Jahre vergehen, ehe Wolf im rot-roten Senat linke Politik voranbringen konnte. Das Profil eines Vertreters der Ostdeutschen hat Wolf nur maßvoll vertieft – wobei ihm die Deutschlandhalle im guten alten Berliner Westen nützlich war. Deren Abriss, vom rot-roten Senat beschlossen, dürfte der für die Berliner Messe zuständige Senator herbeigerechnet haben. Der marode Symbolbau mit der bösen NS-Vorgeschichte störte im Kalkül, das ICC zu sanieren und derweil auf dem Deutschlandhallen-Gelände ein Ersatz-Kongresszentrum zu errichten.
Manchmal hilft platte Symbolik in der Politik: So kann die PDS-, pardon: Linken-Führung nun darauf verweisen, dass nicht allein die Ost-Berliner mit dem Palast der Republik ein Bauwerk verloren haben, das vielen etwas bedeutete – den West-Berlinern geht es nicht besser. Mit versiertem Spott hat der Linken-Bundestagsabgeordnete Stefan Liebich in einer der vielen Besprechungen des Themas Deutschlandhalle seinen Beitrag mit einem Zitat des ostdeutschen Schriftstellers Ulrich Plenzdorf begonnen: "Jegliches hat seine Zeit, Steine sammeln, Steine zerstreun."
Und sonst? Woran könnte Landeschef Lederer denken, wenn er die Linke zur Vertreterin der Ost-Berliner erklärt? An die ehemalige Integrationssenatorin Heidi Knake-Werner allenfalls wegen deren jugendlicher Neigung zur Deutschen Kommunistischen Partei, der sie indes im freien Westen nachging? Eher an die robuste Umweltsenatorin Katrin Lompscher mit ihrer Ostberliner Neigung zur Berliner Mundart, der sie womöglich sogar in Senatssitzungen nachgibt, wenn sie erklärt, warum all ihre Gesetzesprojekte ein wenig länger dauern? Am ehesten noch an die frühere Genossin Fraktionsvorsitzende und heutige Senatorin Integration, Soziales und Arbeit – an Carola Bluhm.
Bluhm hat diese freundlich-charmante Unnachgiebigkeit, mit der Frauen in der Politik erklären, warum nur ihr Plan funktioniert. Als sie noch nicht Senatorin war, konnte Bluhm gerade leidenschaftlich von der "Gemeinschaftsschule" schwärmen. Die ist in der Linken-Programmatik ein anderer Ausdruck dafür, dass man Gymnasien nicht braucht, wie man sie in der DDR nicht gebraucht hat.
Das ist alles, was vom Osten in der Linken noch zu erkennen ist? Nicht ganz. Politikerinnen wie die Lichtenberger Bürgermeisterin Christina Emmrich, eine Frau mit DDR-Vergangenheit in der Gewerkschaft, haben auf unarrogante Art einen Politikstil entwickelt, der in Berlin funktioniert. Vielleicht ist es diese ostdeutsche Frauenpower, die die Linke am stärksten mit dem Osten verbindet. So stark, dass es ihr sogar die CDU nachgemacht hat.