Berlin: Von Tisch zu Tisch: Das "Lindenlife" in Mitte
Das fanden wir dann doch ein wenig komisch. Man setzt sich an den Tisch, der Service fragt nach einem Aperitif, man bestellt ohne viel Nachdenken ein Glas Champagner - und hört, tja, leider gebe es hier nur Weine aus Rheinland-Pfalz.
Das fanden wir dann doch ein wenig komisch. Man setzt sich an den Tisch, der Service fragt nach einem Aperitif, man bestellt ohne viel Nachdenken ein Glas Champagner - und hört, tja, leider gebe es hier nur Weine aus Rheinland-Pfalz. Ups? Nein: Wir befinden uns nicht im Ürziger Winzerstübchen, sondern im Hauptstadtrestaurant mit dem weltläufigen Namen "Lindenlife". Das wird man einen Widerspruch nennen dürfen, zumal die Beschränkung auf Rheinland-Pfalz ihre Tücken erst bei näherem Nachdenken entfaltet: Nicht einmal fränkische oder badische Weine werden in diesem Haus geduldet. Vermutlich eine Reverenz an einen regierungsnahen Sponsor.
Dieses strenge Reglement wird vor allem Rotweintrinker abschrecken. Sie und alle anderen können sich immerhin damit trösten, dass die vorhandenen Weine durchweg von vorzüglichen Winzern stammen und - endlich einmal! - mit einem pauschalen Aufschlag auf den Einkaufspreis verkauft werden. 28 Mark 50 Korkgeld sind angenehm kalkuliert, denn so sind gute Weine schon für knapp 40 Mark zu haben. Leider ist die Auswahl innerhalb der engen regionalen Beschränkung nicht überragend, und man bietet mit wenigen Ausnahmen nur 99er und 98er an, was wiederum die Freunde reifer Rieslinge vergrätzen wird. Wo, wenn nicht hier, sollte es so etwas geben? Der gute Riesling-Sekt, der uns über den Champagner-Entzug hinwegtröstete, kostet übrigens 12 Mark pro Glas.
Die Küche von Rainer Wolter, dem nicht unrenommierten Gründungspräsidenten der "Jeunes Restaurateurs", macht diesen Provinz-Kurs nur verbal mit. Gnocchi heißen streng "Kartoffelnocken", aber gekocht wird deutsch-italienisch-asiatisch im munteren Durcheinander, nicht originell oder gar erfinderisch, sondern einfach der Mode hinterher. Im Vorwort der Karte teilt Wolter mit, er wolle keineswegs um irgendwelche Auszeichnungen kämpfen, doch dann erfahren wir, dass die bislang von Gästen komplett verschmähte erste Etage demnächst zum Gourmet-Restaurant aufgewertet werden soll. Und ein paar Schritte weiter betreibt man auch noch die Weinstube "Weinlife"... Will sagen: Hier ist noch alles im Fluss, und so ist es kein Wunder, dass sich nur so wenige Gäste hinter die gewaltige Glasfront des Gebäudes trauen, das auch von der SPD-Bundestagsfraktion genutzt wird.
Der aufdringliche architektonische Ehrgeiz tut das Seinige dazu. Dies ist trotz bequemer Stühle das Gegenteil einer Weinstube, wie man sie in Deutschland gemütlich findet, und die eigenwillige Lichtregie verstärkt diesen Eindruck: In einem Teil des Restaurants finden Neon-Lichtspiele in allen Regenbogenfarben statt, neben denen die Gäste abwechselnd wie Fieberkranke und Wasserleichen aussehen. Nein: Am Essen liegt es nicht, denn das ist im Rahmen des angestrebten Edelbistro-Niveaus recht gelungen. Thai-Curry-Suppe mit einem Saté-Spieß, Carpaccio und Tatar von Lachs und Zander mit einem mit Wasabi-Meerrettich geschärften Reis, sehr gelungene Kartoffelnocken mit Birnen, Pinienkernen und Rucola oder eingemachte Ente nebst einer Art Rillette (sehr fett) plus sehr gutem Salat, das sind Dinge, die dem Wein schmeicheln und zu vernünftigen Preisen verkauft werden. Vorspeisen um 16, Hauptgänge um 30 Mark sind der Qualität angemessen.
Hauptgänge? Ach ja. Ente beispielsweise, leicht asiatisch gewürzt und, wie heute üblich, zart geschmort, dazu wieder die schon bekannten Kartoffelnocken und ein mit Vanille keck akzentuiertes Apfelpüree. Nicht so bewegend der mit Zitronenpfeffer gebratene Lachs, ein großes, dröges Stück mit rasch erweichender Pelle auf blassem Chicoree-Risotto.
Zum Dessert nahmen wir brave Rotweinbirne mit Zimtmousse sowie dreierlei gebrannte Creme, sehr gelungen, mit drei relativ nichtssagenden Sorbets. Aufmerksamer Service, der freilich in unserer Anwesenheit nicht viel zu tun hatte.
Betrachten Sie dies als Zwischenbericht aus einer langen Eröffnungsphase - es kann durchaus was draus werden. Wo allerdings in dieser schwierigen Gegend mit Zollernhof, Brasserie Sion, vielen Hotels und anderen Großbetrieben die Gäste für 250 Plätze herkommen sollen, ist mir gegenwärtig völlig schleierhaft.