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Das Team von Joynes Kitchen in der Mommsenstraße. Tim De Mattia und Lucia Schmalstieg freuen sich auf Besuch.

© Kai-Uwe Heinrich

Von Tisch zu Tisch: Joynes Kitchen

Anthony Joynes, bekannt vom "Lamazère", kocht jetzt sein eigenes Süppchen - in "Joynes Kitchen".

Die Berliner Fress-Szene erweitert sich im Rahmen personeller Zellteilung, dass es eine wahre Freude ist. Früher, als ich hier mit Kritisieren angefangen habe, galt eigentlich für jeden talentierten Koch in der Stadt, dass er sich so schnell wie möglich vom Hof machte, um in der weiten Welt die Gäste zu finden, die er für seine Philosophie brauchte – hier liefen so richtig eigentlich nur teurer Protz und Bistro-Banalitäten. Und jetzt? Alle Guten wollen hier kochen, und wer einmal da ist, der bleibt. Womit wir auch schon bei Anthony Joynes wären, der als Küchenchef von Anfang an dabei war, als Regis Lamazère seine Brasserie am Stuttgarter Platz auf Touren brachte – richtiger Ort, richtige Zeit, richtige Leute. Und im Grunde war es das „Lamazère“, das die Welle der Neugründungen angestoßen hat – ich nehme an, wer gegenwärtig in Berlin ein Restaurant ohne traditionelle französische Küche aufmachen will, der kann sich den Weg zur Bank sparen.

Ein mutiger Schritt

Dennoch kommt es mir durchaus mutig vor, dass Joynes nun mit seinen Rezepten und seinem deftig-kräftigen Küchenstil umgezogen ist, denn irgendwann ist es auch mal zu spät, und das tote West-Ende der Mommsenstraße bringt sicher keine Laufkundschaft; mit den Parkplätzen ist es das gleiche Elend wie am Stutti. Egal, ich will nicht unken, denn es hat mir hier genauso gut geschmeckt wie drüben. Joynes, wie gesagt, ist kein köchelnder Feingeist, der sich in Finessen verliert, vier, fünf Elemente allenfalls kommen in klug gewählten Kontrastabstufungen auf den Teller – es ist die Art Küche, die, wenn alles gut läuft, mit einem „Bib Gourmand“ des Michelin geehrt wird, und die auch genau das will.

Confierter Nacken vom Duroc-Schwein

Preislich klappt das auf jeden Fall. Das Drei-Gang-Menü kostet 30 Euro, das ist fair, und die Portionen sind üppig, mehr braucht kein Mensch. also kommt schon die gebeizte Lachsforelle in drei schönen Streifen, nett arrangiert mit Roten Beten in drei Zubereitungen plus Meerrettich. Das kann leicht schief gehen, wenn die Erdtöne der Rüben zu laut auftreten und zuviel Zucker im Spiel ist – hier geht aber alles gut. Hauptgang war zuletzt der confierte Nacken vom Duroc-Schwein. Ich weiß, jetzt sagen alle, uh, das fiese Schweinesteak aus der Kantine – aber das hier ist eine ganz andere Nummer, ein anderer Zuschnitt. Das Fleisch ist herrlich saftig-kräftig auf ideale Konsistenz geschmort, ein Apfelpüree steuert sanfte Süße bei und ein paar Scheiben Blutwurst die Erdung. Dazu kleine Kartoffelkroketten mit dezentem Rauchgeschmack, also, das ist wirklich ein Kracher aus der Fleischabteilung. Abschluss: eine kleine Tarte Tatin, fein süß-sauer mit Äpfeln, Vanilleeis, Backpflaumen.

Fleischterrine mit einem Kern aus Foie Gras

À la carte gibt es noch mehr, zum Beispiel eine würzige Fleischterrine mit einem geschmeidigen Kern aus Foie Gras, die Farce nicht gegart, sondern gepresst, sehr gut. Einen Einwand hatte ich eigentlich nur gegen den Heilbutt, weil hier die Vollgasküche ihre Grenzen hat: Der war zwar schön fest und angenehm hellbraun angeröstet, aber insgesamt übergart – schön balanciert begleitet von Blumenkohl, Birne und einer Thymianvelouté (23 Euro).

Die Weinkarte hat noch Reserven

In der Summe sollte hier also jeder seins finden, und über die Preise kann man auch nicht meckern. Nur die Weinkarte ist noch ziemlich schmal sortiert, ein bisschen was Deutsches und ein bissschen was Französisches - passt, kann aber noch besser werden. Und die offensive Beratung mit spannenden und polarisierenden Weinen, die Regis Lamazère bei sich pflegt, ist deshalb hier kaum möglich. Aber insgesamt ist das ein sympathisches Restaurant, dem ich das Entdecktwerden nur wünschen kann. Aber das hier kann ja der erste Schritt sein.

Joynes Kitchen, Mommsenstraße 42, Charlottenburg, Tel.: 94869219, täglich ab 17.30 Uhr, Di geschlossen.

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