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Strahlender Abfall in Berlin: Wannsee soll neue Lagerhalle für Atommüll bekommen
Bis 2025 soll die Kapazität der bestehenden Lagerhalle für radioaktiven Abfall reichen. Was nach 2025 mit dem Abfall passiert, ist noch nicht ganz klar.
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Spätestens im Jahr 2026 reicht der Platz in der Zentralstelle für radioaktive Abfälle des Landes Berlin (ZRA) nicht mehr aus. Schon Ende vergangenen Jahres standen in der Lagerhalle auf dem Wannseer Gelände des Helmholtz-Zentrums Berlin (HZB) 784 Kubikmeter schwach- und mittelradioaktive Abfälle – die Halle aus den 1980er Jahren hat eine Kapazität von 800 Kubikmetern.
"Derzeit wird davon ausgegangen, dass die Kapazität der bestehenden Lagerhalle der ZRA bis mindestens 2025 ausreichend ist", teilte Helmholtz-Sprecherin Silvia Zerbe dem Tagesspiegel mit. Das Helmholtz-Zentrum betreibt im Auftrag des Landes die ZRA. Was nach 2025 mit dem strahlenden Müll aus Industrie, Krankenhäusern und Forschung geschehen soll, ist aktuell noch unklar.
Zwar ist eine Erweiterung der ZRA geplant; doch frühestens im Jahr 2027 könne, so das Helmholtz-Zentrum, mit dem Bau eines zusätzlichen Lagers begonnen werden. In Betrieb gehen könnte die neue Halle dann 2030. Der Hauptausschuss fragte nach. Auf das Problem mit der Lagerung des radioaktiven Berliner Abfalls war der Hauptausschuss des Abgeordnetenhauses im Rahmen der aktuellen Haushaltsberatungen aufmerksam geworden.
Die Abgeordneten wollten wissen, warum im Haushaltsentwurf für den Betrieb der ZRA im Jahr 2022 zusätzliche 2,5 Millionen Euro und für 2023 eine weitere Million Euro vorgesehen sind. Es handele sich um Planungskosten, teilte Wissenschaftsstaatssekretärin Armaghan Naghipour (parteilos) dem Hauptausschuss am 10. Mai in einer Vorlage mit.
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Die Planungsleistungen für den Hallen-Neubau sollen in 2022 zu rund 70 Prozent ausgeschrieben werden, dafür seien die zusätzlichen Mittel in Höhe von 2,5 Millionen Euro für das laufende Jahr nötig. "Die Ausschreibung kann seitens des HZB nur erfolgen, wenn eine entsprechende Deckung im Wirtschaftsplan vorliegt", so die Staatssekretärin. Die "Berliner Morgenpost" hatte zuerst über die Vorlage an den Hauptausschuss berichtet.
Warum es zu den Lagerengpässe in Wannsee gekommen ist, erklärt die Staatssekretärin so: Bei Planung und Errichtung der ZRA vor etwa vierzig Jahren sei man davon ausgegangen, dass in Berlin nur eine Zwischenlagerung der strahlenden Abfälle bis zum Betriebsbeginn des bundesweiten Endlagers im Schacht Konrad bei Salzgitter erfolgen müsse.
Begrenzte Lagermöglichkeiten des radioaktiven Mülls sind seit 2018 bekannt
"Aufgrund der mehrmaligen und fortgesetzten Verschiebung der Inbetriebnahme des Endlagers zeichnet sich die Notwendigkeit einer Kapazitätserweiterung der Landessammelstelle Berlin ab." Allerdings sind die begrenzten Lagermöglichkeiten des radioaktiven Mülls dem Senat seit 2018 bekannt.
"Die zur Verfügung stehenden Kapazitäten der ZRA waren bereits 2018 Gegenstand des Austausches zwischen dem HZB, dem fachlich zuständigen Ressort (aktuell Senatsverwaltung für Wissenschaft, Gesundheit, Pflege und Gleichstellung) und dem für die Genehmigung des Umgangs mit den radioaktiven Stoffen zuständigen Landesamt für Arbeitsschutz, Gesundheitsschutz und technische Sicherheit Berlin" schreibt die Pressestelle der Senatswissenschaftsverwaltung dem Tagesspiegel.
Neue Lagerhalle soll etwas über 15 Millionen Euro kosten
Das Ergebnis der Beratungen sei gewesen, "den Neubau einer Lagerhalle zu realisieren". Die Frage, warum der Neubau erst 2027 beginnen solle, obwohl schon neun Jahre zuvor das Problem erkannt worden sei, beantwortete die Pressestelle nicht.Etwas über 15 Millionen Euro soll die neue Lagerhalle kosten. Laut Helmholtz-Sprecherin Silvia Zerbe habe das HZB dem Senat bisher nur ein Bedarfsprogramm vorgelegt, Vorplanungsunterlagen existieren noch nicht.
Fest stehe: Die neue Halle solle Raum für 700 Kubikmeter konditioniertem schwach- und mittelradioaktivem Abfall bieten. "Bei einem Abfallaufkommen in Höhe des Mittelwertes der Jahre 2012 bis 2017 wäre die Aufnahmefähigkeit der neu zu errichtenden Lagerhalle bis zum Jahr 2060 gesichert", so die Sprecherin. Wie groß das neue Gebäude werden und wo es genau errichtet wird, stünde noch nicht fest.
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Das würde erst im Rahmen der Genehmigungs- und Ausführungsplanungen bestimmt werden – es sind die Planungsarbeiten, die noch in diesem Jahr vergeben werden sollen. Sorgen um ihre Sicherheit müssen sich die Menschen in Wannsee laut Helmholtz-Zentrum auch bei einer neuen Halle nicht machen.
Das neue Lagerhaus werde nach höchsten Sicherheitsstandards errichtet werden, "die Bevölkerung ist jederzeit vor einer Freisetzung durch auslegungsüberschreitende Störfälle wie terroristische Angriffe geschützt", sagt HZB-Sprecherin Zerbe. Was in der Zeit zwischen 2026 und 2030 – dann ist das alte Lager voll und die neue Halle noch nicht gebaut – mit dem radioaktiven Abfällen der Hauptstadt geschehen soll, ist offen.
In fünf Jahren könnte das geplante Lager für Entlastung sorgen
"Es werden derzeit verschiedene Optionen für eine weitere Komprimierung der Abfälle sowie gegebenenfalls deren temporäre Lagerung geprüft", erklärt die Pressestelle von Wissenschaftssenatorin Ulrike Gote (Grüne). Theoretisch könnte in fünf Jahren das geplante Endlager für schwach- und mittelradioaktive Stoffe, Schacht Konrad, für Entlastung sorgen. Ab 2027 soll es im Laufe der kommenden Jahrzehnte 303.000 Kubikmeter Atomschrott aufnehmen.
Doch selbst wenn das Endlager 2027 seinen Betrieb aufnehmen würde, wäre nicht absehbar, wann der erste Atommüll aus Berlin eingelagert werden könnte. Denn bundesweit sind die Zentralstellen für radioaktive Abfälle überfüllt, bei der Zwischenlagerung herrscht Stau.
Der alte Reaktor war vor 50 Jahren abgeschaltet worden
Wie berichtet liegen im Wannseer Boden immer noch die strahlenden Überreste des Forschungsreaktors BER I – er war vor 50 Jahren abgeschaltet worden. Seitdem streiten sich Landes- und Bundesregierung um die Kosten für den Rückbau und die Entsorgung der verbliebenen Ruine. Wie der Tagesspiegel übereinstimmend vom Helmholtz-Zentrum und der Senatswissenschaftsverwaltung erfuhr, haben nun Bund und Land "der Durchführung einer Konzeptstudie zum Rückbau des BER I zugestimmt". Die Ausschreibung für die Studie laufe.
Ein Zwischenerfolg. Ob der BER I tatsächlich in absehbarer Zeit ausgegraben wird, bleibt abzuwarten. Die offizielle Wortwahl aus Berlin lautet vorsichtig: "Basierend auf dem Ergebnis der Studie werden weitere Gespräche zwischen Bund und Land erfolgen."
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