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Bundesverdienstkreuz

© IMAGO/Rene Traut, Bearbeitung: Tagesspiegel

„Warum gerade ich?“: So bekommt man ein Bundesverdienstkreuz

Regelmäßig verleiht der Bundespräsident Orden an verdiente Bürger, so wie diesen Montag. Die Vorarbeit leisten Juristinnen, die sich mit der Ordensgesetzgebung auskennen.

Stand:

Sich selbst beim Bundespräsidenten für einen Orden vorschlagen? Manche Menschen finden tatsächlich nichts dabei: „Da wundert man sich ein wenig“, sagt Claudia Spoerhase. Sie hat sieben Jahre lang die Ordenskanzlei im Bundespräsidialamt geleitet, dabei aber vor allem positive Erfahrungen gemacht.

Ihre Nachfolgerin ist seit September Juliane Baer-Henney, ebenfalls Juristin. Beide kennen den Weg vom normalen Bürger zum Ordensträger genau. Und bei aller Auseinandersetzung mit der Ordensgesetzgebung haben sie ihren Humor nicht verloren.

Alle Bürger dürfen anregen

Jeder Bürger dieses Landes darf anregen, dass jemand mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet werden soll. Mit diesem Verfahren will man sicherstellen, dass der Bundespräsident auf herausragende Leistungen für das Gemeinwohl im ganzen Land aufmerksam wird.

Solche Anregungen könne man formlos an das Bundespräsidialamt richten, in dem man wohnt oder an die Staats- beziehungsweise Senatskanzlei in dem Bundesland, in dem man wohnt, sagen die beiden Juristinnen. Es gibt auch ein Online-Formular.

Durchhaltevermögen ist wichtig

Diese unkomplizierte Praxis verlangt nach einer genauen Vorprüfung, weshalb die Anregenden auch gebeten sind, möglichst diskret mit dem Thema umzugehen, damit es am Ende keine Enttäuschung gibt. „Wenn jemand gut und pflichtbewusst seinen Beruf ausübt, reicht das allein noch nicht für einen Orden“, sagt Juliane Baer-Henney.

Ein gewisses Durchhaltevermögen werde außerdem erwartet. „Man muss sich zum Beispiel schon ein paar Jahre lang sehr engagiert in einen Verein eingebracht haben, um für eine Auszeichnung in Betracht zu kommen“, fügt sie hinzu. Die letzte Entscheidung trifft der Bundespräsident selbst, weil er die Orden schließlich verleiht.

Der Staat muss danken können.

Theodor Heuss, ehemaliger Bundespräsident

Seit Juli 1957 gehört diese Kompetenz sogar per Gesetz zum Amt. Bereits im September 1951 stiftete der damalige Bundespräsident Theodor Heuss den Verdienstorden als Bindeglied zwischen dem Staat mit seinen demokratischen Werten und den Bürgern. „Der Staat muss danken können“, lautete seine Begründung.

Bis zu einem Orden für die Menschen, mit dem vor allem der Einsatz für das Gemeinwesen geehrt werden soll, war es freilich noch ein weiter Weg. Seit 1951 sind zwar bereits 265.667 Orden verliehen worden, davon aber nur 40.811 an Frauen. Besonders in den 50er und 60er Jahren lag die Frauenquote bei unter 10 Prozent.

40.811
Bundesverdienstorden gingen an Frauen

Ausgezeichnet wurden damals vor allem Chefs von Behörden und Institutionen, auch Politiker. Bis Mitte der 90er Jahre steigerte sich der Frauenanteil etwas, blieb aber immer noch unter 20 Prozent. Erst der damalige Bundespräsident Horst Köhler führte eine Frauenquote ein, nach der möglichst 30 Prozent der Orden an Frauen gehen sollten, inzwischen hat Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier eine Quote von mindestens 40 Prozent eingeführt.

Bereits vor drei Jahren rief er dazu auf, mehr Frauen vorzuschlagen: „Frauen leisten Großes in unserer Gesellschaft.“ Die Abkehr vom Honoratiorenorden führte zur Auszeichnung freiwilligen Engagements. Einsatzfelder sind vielfältig, reichen vom Gang mit Behinderten und Geflüchteten, dem Einsatz für Integration in jeder Hinsicht, Demokratieförderung, Pflege der Erinnerungskultur bis zur Bildung in allen Facetten.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier verleiht Elisabeth Kaneza im Schloss Bellevue den Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland.

© dpa/Bernd von Jutrczenka

Kaum jemand verweigert die Annahme

Dass jemand einen Orden verweigert, komme kaum vor. In den Hansestädten Bremen und Hamburg gibt es vor allem unter den Honoratioren eine Tradition, Orden nicht anzunehmen. Aber das sehen die Bürger nicht so eng. Eher treffen die Ordenskanzlerinnen auf ein hohes Maß an Bescheidenheit, auf die Einstellung, das habe man doch gar nicht verdient.

Doch, der Bundespräsident sei der Ansicht, das sei sehr verdient, antwortet Baer-Henney dann. Beide Ordensexpertinnen finden es herzerwärmend zu sehen, wie sich bei den Verleihungszeremonien Ordensträger untereinander austauschen und vernetzen.

Orden im Gepäck des Bundespräsidenten

Dem Bundespräsidenten sei es wichtig, jeden einzelnen von ihnen zu begrüßen, betonen sie. Da herrsche eine besondere Stimmung. Und selbst bei den Ordensverleihungen werden sie gelegentlich mit der Frage konfrontiert: „Warum gerade ich?“

Die beiden Frauen schmunzeln: „Dann weiß man, dass die richtige Person ausgezeichnet wurde.“ Verliehen werden Orden auch bei Staatsbesuchen. Das beruht in der Regel auf Gegenseitigkeit und wird vom Protokoll vorbereitet. Außerdem nimmt der Bundespräsident Orden mit zu den Ortszeiten in verschiedene Bundesländer, wenn er sein Büro für kurze Zeit auslagert, um näher bei den Menschen zu sein.

Zwei Termine im Jahr sind traditionell für Ordensverleihungen reserviert. Der Tag der Deutschen Einheit am 3. Oktober und der Tag des Ehrenamts am 5. Dezember. Aus diesem Anlass hat er bereits am 1. Dezember Orden verliehen an elf Frauen und neun Männer.

Darunter sind auch Elisabeth Kaneza aus Berlin und Holger Miertsch aus Heideblick in Brandenburg, der sich seit vielen Jahren für Musikförderung und kulturellen Austausch engagiert. Kaneza erlebte 1994 den Völkermord in Ruanda, suchte mit ihrer Familie Schutz in Deutschland.

Hier promovierte sie über „Rassische Diskriminierung in Deutschland“, gründete einen Verein für Chancengleichheit und gegen Diskriminierung und ist unter anderem als Referentin für Antirassismus in der deutschen Sektion von Amnesty International aktiv.

Mit den Auszeichnungen sollen Vorbilder geschaffen und andere ermutigt werden, sich ebenfalls einzubringen. Zwar soll man sich nicht selbst für eine Auszeichnung vorschlagen. Aber öffentlich auch auf eigenes Engagement hinzuweisen, schon um Unterstützer oder sogar Nachahmer zu gewinnen, ist unbedingt erwünscht. Die Ordensexpertinnen sagen: „Die Auszeichnung macht das Engagement sichtbar. Das kann auch andere inspirieren und zum Mitmachen motivieren.“

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