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"Wir haben noch freie Termine!", steht am Eingang eines Bekleidungsgeschäftes an der Schlossstraße in Berlin-Steglitz auf einem Schild.

© Christoph Soeder/dpa

Wegen Pflicht zu Tests und Anmeldung: Viele Berliner Malls und Einkaufsstraßen sind menschenleer

Berlins Verwaltungsgericht erlaubt zwar mehr Kunden pro Ladenquadratmeter. Aber die bleiben fern. Händler verzweifeln.

Nur wenige Menschen sind an einem Nachmittag dieser Woche in der Mall of Berlin am Leipziger Platz unterwegs. Viele Geschäfte sind trotz der Lockerungen nach wie vor geschlossen, die Gänge überwiegend leer. Hier und da sitzen kleine Grüppchen von Jugendlichen. Es sind noch Schulferien. Im Food-Court trifft man hauptsächlich auf wartende Essenslieferant:innen. Die paar Geschäfte, die geöffnet haben, sind beinahe ebenso leer wie die Gänge.

Den Grund für die Flaute in den Ladengeschäften sehen Verbandsvertreter des Einzelhandels in der Testpflicht, die vergangene Woche beschlossen wurde und nun verbindlich gilt. Seit vergangenen Mittwoch müssen Kund:innen vor dem Betreten eines Geschäftes einen negativen Coronatest vorzeigen. Von dieser Maßnahme ausgenommen sind Geschäfte für den täglichen Bedarf – also Supermärkte, Apotheken und Drogerien. Anerkannt werden tagesaktuelle Tests sowie PCR-Tests, die nicht länger als 24 Stunden zurückliegen.

An verschiedenen Einkaufscentern können auch Test direkt vor Ort vorgenommen werden. Center oder Einkaufsstraßen, die keine Testmöglichkeit bieten, müssen darauf vertrauen, dass die Kundschaft extra Umwege in Kauf nimmt, um zum Shoppen zu kommen. Doch auch wenn Center wie die "Mall of Berlin" eine Testmöglichkeit anbieten, scheint der Anreiz zum Shoppen nur gering zu sein.

Bereits am vergangenen Wochenende hatte der Hauptgeschäftsführer des Handelsverband Deutschland, Nils Busch-Petersen, die Regelung kritisiert und auf die sehr geringe Auslastungen in den Geschäften von zwei bis zehn Prozent der üblichen Kundenzahlen verwiesen. Nach Beobachten der Lage an den ersten verkaufsoffenen Tagen nach Ostern stellt Busch-Petersen fest, dass es sich für viele Geschäfte nicht lohnen würde, zu öffnen. Daher würden einige das Modell nicht mitmachen. Auch würden viele Geschäfte das Konzept „Click & Collect“ bevorzugen.

Problem: Test gilt nur bis zum Abend - nicht 24 Stunden lang

Wenn es so weitergeht, sieht es wohl für viele Händler schlecht aus. Die Regelungen würden jeden Tag Arbeitsplätze kosten, warnt Busch-Petersen. „Die Kaufleute zahlen mir ihrer Existenz“. Den Grund für die geringe Anzahl an Kunden sieht der Verbandschef in zu geringen Testmöglichkeiten. Wer erst an einem Nachmittag einen Termin bekomme, würde danach nicht mehr shoppen gehen, glaubt er. Daher fordert Busch-Petersen, das Testen insgesamt – aber auch das öffentliche Angebot an Teststellen – massiv auszuweiten. (Hier finden sie eine amtliche Liste mit Teststationen in Berlin).

Für das seit 37 Jahren etablierte PflanzencenterDer Holländer“ mit Filialen am Olympiastadion und am Treptower Park wären diese Tage im Frühjahr eigentlich Hochsaison, 70 Prozent des Jahresumsatzes werden normalerweise in diesen Monaten erzielt. Aber es gebe so gut wie keine Kunden, berichtet „Holländer“-Manager Christiaan Frankhuisen. Man erziele allenfalls zehn bis 20 Prozent der Umsätze. Auch geimpften Personen müssten sie den den Zutritt verweigern, berichtet er. „Viele Kunden können das nicht verstehen. Und wir auch nicht.“ Wenn sich die Regeln nicht schnell änderten, sei nach dem Frühjahr womöglich Schluss.

Geisterstunde An Mittwochnachmittag wirkte die "Mall of Berlin" am Leipziger Platz wie ausgestorben.
Geisterstunde An Mittwochnachmittag wirkte die "Mall of Berlin" am Leipziger Platz wie ausgestorben.

© Nicolas Lepartz

Auch für die Handwerksbetriebe sind die neuen Maßnahmen nur schwer nachvollziehbar. So teilte der Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Berlin, Jürgen Wittke, in einer Pressemitteilung mit, „die Kurzfristigkeit und die damit verbundene Nichterfüllbarkeit insbesondere der Testanforderungen an Beschäftigte und Kundschaft“, stoße bei den Betrieben auf „Unverständnis“.

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Während Kinos und Theater nach wie vor geschlossen bleiben müssen, dürfen Museen und Gedenkstätten wieder öffnen. Auch für sie gelten allerdings Maßnahmen wie die Testpflicht und die elektronische Nachverfolgung. Anders als beim Einzelhandel merken die Staatlichen Museen zu Berlin allerdings keinen Besucherschwund. Auf Anfrage teilten die Museen mit, die Besucherzahlen seien nach der Einführung des Testnachweises zwar „kurzzeitig zurückgegangen“, die Besucher:innen hätten sich aber schnell an die Umstellung gewöhnt. So seien schon während des Osterwochenendes die Buchungen stetig angestiegen und würden auch weiter steigen. Seit dem ersten April seien dementsprechend rund zehntausend Tickets gebucht wurden.

Gericht kippt Begrenzung auf einen Kunden auf 40 Quadratmeter

Eine Änderung der Testpflicht ist in naher Zukunft nicht zu erwarten. Am Mittwoch bestätigte das Landesverwaltungsgericht die Testpflicht für den Berliner Einzelhandel. Die Kundenbegrenzung pro Quadratmeter hat das Gericht hingegen gekippt. Diese erweise sich „als unangemessen und damit als unverhältnismäßig im engeren Sinne“, urteilte das Gericht am Mittwoch, wie ein Sprecher mitteilte. Der Berliner Senat hatte angeordnet, dass in Nicht-Lebensmittel-Geschäften nur ein Kunde pro 40 Quadratmeter eingelassen werden dürfe.

Die Äußerung aus der Politik, vollständig geimpfte Personen sollten in Zukunft keinen negativen Test benötigen, begrüßten Vertreter des Einzelhandels. „Jeder Schritt zur Normalität sei sinnvoll“ betonte Nils Busch-Petersen. Auch die Industrie- und Handelskammer sieht darin eine Chance. Die Gleichbehandlung von Geimpften und Negativ-Getesteten eröffne „auch den von Corona besonders betroffenen Branchen Perspektiven und ist gut für das Wiederanlaufen der Wirtschaft“, sagte IHK-Hauptgeschäftsführer Jan Eder dem Tagesspiegel. (mit dpa)

Nicolas Lepartz

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