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Von Nationalsozialisten zerstörte Kaffeehauskette: Weiteres Geschirr der jüdischen Conditorei Dobrin aufgetaucht
Erneut ist Geschirr der Conditorei Moritz Dobrin aufgetaucht, deren Inhaber von den Nazis verfolgt wurde. Es handelt sich um Teile eines Kafeeservice.
Stand:
Erst eins, dann zwei, dann drei, dann … Nein, es geht hier nicht ums Christkind, obwohl das, worüber zu berichten ist, schon eine Art Bescherung bedeutet. Ein Geschenk, das die vor mehr als 75 Jahren stattgefundenen Verbrechen nicht ungeschehen macht, was ja unmöglich wäre. Das auch die Generationen überdauernden Narben von damals nicht zu glätten vermag, aber eine menschliche Geste ist, die den erlittenen Verlust zumindest symbolisch ein klein wenig ausgleicht.
Optisch macht das Geschenk, eigentlich eine Rückgabe, nicht viel her: Teile eines Kaffeeservice, fünf Kannen, drei mit Deckel, ein Milchkännchen, ein Teesieb, alles nicht gerade modern in der Form, sogar recht abgenutzt. Nichts, womit man auf einem Flohmarkt ein Geschäft machen könnte, aber doch von unschätzbarem Wert für die Nachkommen des früheren Besitzers, dessen Name dem Porzellangeschirr eingeprägt ist: „Conditorei Moritz Dobrin“.
Die einst florierende Kaffeehauskette des jüdischen, von den Nationalsozialisten verfolgten Besitzers wäre in Berlin fast vergessen, wo nur noch zwei Stolpersteine vor der Villa in der Grunewalder Hagenstraße 19 an Moritz Dobrin, der den Naziterror überlebte, und seine in Theresienstadt verhungerte Ehefrau Helene erinnern.
Doch in den vergangenen Jahren sind wiederholt und jetzt wieder Gegenstände aus dem Bestand der Conditorei aufgetaucht und von ihren aktuellen Besitzern, als sie deren Geschichte erfuhren, umgehend an die in London lebenden Nachkommen des Berliner Konditorpaares zurückgegeben worden.
Die zuletzt aufgetauchten Serviceteile waren wahrscheinlich Jahrzehnte verpackt und unbeachtet im Keller eines Hauses in Birkenwerder gelagert. Martin Vater, Enkel des vor Kurzem gestorbenen Besitzers, hatte das Paket beim Entrümpeln entdeckt. Durch den eingeprägten Namen der Conditorei aufmerksam geworden, recherchierte er im Internet und stieß auf die in Zepernick wohnende Malerin und Performancekünstlerin Rose Schulze.

© Thilo Rückeis
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Diese war vor einigen Monaten – auch der Tagesspiegel hatte berichtet – beim Durchstöbern von altem Krempel ebenfalls auf eine Kaffeekanne samt Sahnekännchen der Conditorei Dobrin gestoßen – der zweite derartige Fund, nachdem 2014, anlässlich der Verlegung der beiden Stolpersteine, schon ein Kaffeelöffel aufgetaucht und dem Londoner Zweig der Nachkommen Dobrins übergeben worden war.

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Von Rose Schulze wurde der 34-jährige Martin Vater, Marketing- und Vertriebsmitarbeiter im nordbrandenburgischen Nassenheide, an die Stolperstein-Initiative für Charlottenburg-Wilmersdorf verwiesen, die bereits die Rückgabe der ersten Fundstücke vermittelt hatte. Und binnen weniger Stunden hatte er Kontakt zu London und wusste, wo die sieben Geschirrteile hinsollten: zurück an Dobrins Nachkommen.

© Rose Schulze
Wie Kaffeekannen, Kännchen und Sieb in den Besitz seines verstorbenen Großvaters gelangt sind, weiß er nicht. Die Großmutter lebt noch, kann aber keine Auskunft mehr geben. Vater vermutet, dass sich das Paket im Keller des Hauses befand, als sein Großvater es in den siebziger Jahren kaufte.
Entscheidender als der Weg, den das Geschirr genommen haben mag, ist das Ziel seiner Reise, die Freude, die die Nachricht vom erneuten Fund ausgelöst hat: „What a truly wonderful email to receive.“
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