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Der Molkenmarkt wurde zur Kaiserzeit auch als Postkartenmotiv gehandelt. 

© imago/Arkivi

Zukunft des Molkenmarktes in Berlin-Mitte: Wenige Anwohner, viele Planer – und ein dominanter Verein

Der historische Molkenmarkt in Berlin-Mitte soll umgestaltet werden. Beim Werkstattverfahren für die Zukunft des Molkenmarkts ringen Akteure um Einfluss.

Was muss ein Werkstattverfahren leisten, um tatsächlich als „Bürgerbeteiligung“ durchzugehen? Am Donnerstagabend fand der erste von zwei Werkstattterminen zu den prämierten stadtplanerischen Entwürfen für den Molkenmarkt statt – und ließ für die nächste Veranstaltung um die künftige Gestalt eines zentralen Orts der historischen Mitte im April noch deutlich Luft nach oben.

Als die Moderation nach einer halben Stunde Zoom-Konferenz darum bat, kurz kenntlich zu machen, wer in welcher Rolle anwesend sei, meldeten sich von 71 abstimmenden Personen lediglich acht als Anwohner:innen, elf als „Besucher:innen“ und sechs Personen als Vertreter:innen einer Initiative – während die Verwaltung und die Planungsteams mit jeweils 15 bzw. 16 Teilnehmenden besonders stark präsent waren. 

Später stieg die Zahl der Teilnehmenden allerdings auf mehr als 100 an, nicht ausgeschlossen also, dass noch mehr Bürger:innen dazugekommen sind.

„Wir freuen uns, dass Sie heute direkt in Austausch mit den Planungsbüros treten können,“ sagte Senatsbaudirektorin Petra Kahlfeldt zu Beginn der Veranstaltung. Ziel sei es, aus der Bevölkerung Rückmeldung zu den ganz konkreten Entwürfen zu erhalten und zu dokumentieren.

Bevor die Bürger reden, gibt es eine Stunde Präsentation

Bevor allerdings die Rückmeldung der Bevölkerung gefragt war, präsentierten die beiden Planungsteams um Bernd Albers bzw. Czyborra Klingbeil cka eine knappe Stunde lang ihre Entwürfe – teilweise bis in die Formulierung identisch zu den Präsentationen beim öffentlichen Auftaktkolloquium vor zwei Wochen.

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Währenddessen nutzten einige Teilnehmende den Chat, um ihre Position zu den beiden Entwürfen mitzuteilen. Dabei dominierten Aktivisten aus dem Umfeld des konservativen Vereins „Stadtbild Deutschland e.V.“, die einmütig versuchten, gegen den besonders an Klimabelangen orientierten Entwurf des Planungsteams cka Stimmung zu machen.

Mindestens vier Personen aus dem Umfeld von „Stadtbild Deutschland“ spielten sich hier die Bälle zu, von denen sich aber nur einer auch als solcher zu erkennen gab, und suggerierten so einen Konsens innerhalb der Berliner Bürgerschaft, den es so vermutlich nicht gibt.

Ein Wortführer kommt aus Hamburg

Wortführend war unter anderem ein Mann aus Hamburg, der etwa folgenden Kommentar zum Entwurf von cka beisteuerte: „Die Visualisierungen zeigen ein tiefes Misstrauen gegenüber dem Urbanen, dem spezifisch städtischen öffentlichen Freiraum. Das ist bestenfalls als eine Gartenstadt zu bezeichnen.“ Für einen innerstädtischen Bereich tauge der Entwurf hingegen nicht.

Zur Zeit finden auf dem Areal archäologische Grabungsarbeiten statt.
Zur Zeit finden auf dem Areal archäologische Grabungsarbeiten statt.

© John MACDOUGALL / AFP

Auf Tagesspiegel-Nachfrage erklärte er, er habe als Hamburger zwar keinen direkten Bezug zum Molkenmarkt, aber von anderen Vereinsmitgliedern habe er gehört: „Da ist eine interessante Veranstaltung, kommt doch auch dahin.“ Auch im öffentlich einsehbaren, überregionalen Onlineforum des Vereins findet sich ein Hinweis auf die Werkstattveranstaltung. Der Satz „Jeder kann sich beteiligen“ ist gefettet. Ergänzt ist die Ankündigung durch ein paar Sätze zu den Kernanliegen des Postenden für die Werkstatt.

Die zweite Hälfte der Veranstaltung bot die Möglichkeit, mit den beiden Planungsteams tatsächlich ins direkte Gespräch zu kommen. In diesem Format konnten sich eine größere Vielfalt an Stimmen als im Chat artikulieren.

Anwohnerin macht sich für Leitbauten stark

Themenschwerpunkte sollten die Nutzungsmischung, das Wohnen sowie der Umgang mit archäologischen Funden und der Identität des Ortes sein. Heide Ellerbrock, eine ältere Anwohnerin, die laut eigener Aussage bereits bei vielen Beteiligungsverfahren zu der Gegend mitgewirkt hat und sich auch jetzt wieder sehr engagiert einbrachte, machte sich beiden Teams gegenüber für Leitbauten stark.

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Die Geschichte des Orte nur durch begeh- oder beschaubare „archäologische Fenster“ zu repräsentieren sei aus ihrer Sicht nicht ausreichend. Dem widersprach Matthias Grünzig, als ausgeloster Bürger auch beratender Gast bei den Jurysitzungen: „Da ist so viel an authentischer, realer Geschichte in den archäologischen Funden präsent, da brauchen wir keine Leitbauten, die etwas wieder aufbauen wollen, was längst weg ist.“

Silvia Malcovati, deren Team Albers sich stark an historischen Bautypologien orientieren möchte, begrüßte den Wunsch nach Leitbauten, während Marek Czyborra vom Team cka sich dazu kritisch äußerte und für „moderne Lösungen“ plädierte, „die die Historie neu interpretieren“. Tatsächlich wird über die Frage nach der konkreten Architektur, also auch nach Leitbauten erst in einem weiteren Verfahren entschieden, momentan geht es lediglich um den Städtebau.

Ellerbrock erkundigte sich außerdem, wie die geplanten Innenhöfe durchlüftet werden sollten – mit Hinweis auf den Klimawandel. Aus dem Team Bernd Albers hieß es dazu, man wolle die anstehende Überarbeitungsphase nutzen, um „hier Lösungsansätze sichtbar zu machen“. 

Marek Czyborra vom Team cka hingegen gab an, man habe versucht, die Wohnungen so zu legen, „dass sie alle zwei Seiten haben, zum Durchlüften“. Außerdem sei im neuen Quartier viel Grün geplant, um ein gutes Mikroklima zu gewährleisten.

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