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Nichts geht mehr. So geht es derzeit unserem Kolumnisten, hier ist allerdings ein anderer Mann zu sehen.

© Andreas Gebert/dpa

Tücken des Berliner Alltags: Wenn Trockenblumen gefährlicher als Kokain sind

Er wollte sich doch nur ein bisschen Mitte-Flair in die Neuköllner Wohnung holen. Jetzt hat es unseren Autor erwischt: Eine Kolumne im Ausnahmezustand.

Stand:

Ich bin krank. Zum Glück nichts aus dem griechischen Alphabet, also Delta oder Lambda oder wie die eingetragenen Marken der Corona GmbH noch so alle heißen. Aber doch etwas Ernstes! Ein Schnupfen. Ein gefährlicher Schnupfen. Ein eventuell aus der Kita eingeschleppter, grausamer Kinder-Schnupfen.

Tagesspiegel-Kolumnist Peter Wittkamp.

© Peter von Felbert

Eltern mit kleinen Kindern wissen, wovon ich rede. Da schenkt man ihnen das Leben und so ziemlich alles von Paw Patrol und Peppa Pig – und was erhält man zurück? Alle zwei Wochen einen Schnupfen, eine Erkältung, eine Grippe oder gleich die Klassiker der Kindertagesstätten: Läuse und Magendarm. Ich habe also einen Kita-Schnupfen. Das wäre die eine Erklärung.

Andererseits gibt es aber noch eine zweite Möglichkeit. Ich habe mir vor einiger Zeit Trockenblumen gekauft, weil ich in dem sehr bekannten und beliebten Online-Stadtmagazin „Mit Vergnügen“ gelesen habe, das mache man in Mitte so.

Na gut, dachte ich, ich wohne zwar in Neukölln, aber gerade hier kann ein wenig Mitte-Glamour ja wohl kaum schaden. Also habe ich mir noch am selben Tag zwei große Sträuße Trockenblumen bestellt. Ich fand das sehr praktisch. Den Look eines Blumenstraußes ohne den Aufwand und die Kosten, alle ein bis zwei Wochen einen neuen Blumenstrauß besorgen zu müssen.

Und außerdem: Die bei „Mit Vergnügen“ erwähnte Mitte-Atmosphäre, nach der ich mich aus Gründen, die ich selbst noch nicht ganz verstanden habe, so sehnte.

Es keimt ein schrecklicher Verdacht wie eine Tulpe im Frühling

Wenn ich mich recht erinnere, kamen beide Sträuße direkt am nächsten Tag in meiner bis zu genau diesem Zeitpunkt noch unbetrockenblumten Wohnung an. Schön sahen sie aus. Etwas trocken vielleicht, aber schön. Den Sträußen war jeweils eine Karte beigelegt: „Jemand hat an sie gedacht, möchte aber unerkannt bleiben“ stand da so ungefähr drauf.

Mit Risiken und Nebenwirkungen: Trockenblumen sind nicht jedermanns Sache.

© IMAGO / Gianna Schade

Da musste ich schmunzeln. Ich wusste schließlich nur zu genau, wer an mich gedacht hatte. Ich selbst. Ich hatte mich selbst mit Blumen überrascht. Ein wenig stimmte das sogar, weil ich die Bestellung des Vortages ein klein wenig vergessen hatte.

Ich bevaste die beiden schicken Sträuße – natürlich ohne Wasser – stellte einen ins Schlafzimmer, einen ins Wohnzimmer, war sehr zufrieden und dachte mir so: Noch mehr Mitte-Schick in meiner Wohnung geht eigentlich nur noch, wenn die komplette Belegschaft eines Start-ups plus drei gleichsam sehr hübsche wie erfolglose Jungschauspieler bei mir einziehen würde.

Nun bin ich ein klein wenig ins Plaudern geraten, doch mein eingangs erwähnter Schnupfen hat sehr viel mit den eben geschilderten Geschehnissen zu tun. Denn während ich hier gerade so schniefe und schnupfe – statt Taschentüchern habe ich mittlerweile einfach direkt eine Klopapierrolle auf dem Schreibtisch stehen – keimt ihn mir ein schrecklicher Verdacht wie eine rote Tulpe im Frühling.

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WAS, frage ich mich, WAS, wenn mein Schnupfen nicht aus der Kindertagesstätte importiert wurde, sondern einen allergische Reaktion auf meine neuen Trockenblumen ist? Da sich der Trockenblumenversender natürlich große Mühe mit dem Zusammenstellen meiner Sträuße gegeben hat, sind dort sehr viele Blümchen verschiedenster Couleur und Art zu finden.

Vielleicht ist es sogar ansteckend?

Da kann es doch gut sein, dass ich auf so etwas wie das Birkenveilchen oder die die niederösterreichische Schmuckgerbera – oder wie auch immer Blumen so alles heißen – allergisch bin. Ich weiß schließlich nur, dass ich gegen Wespen und Rechtsradikale allergisch bin, auf die niederösterreichische Schmuckgerbera wurde ich in meinen Leben noch nie getestet!

Es ist also durchaus möglich, dass ich mir mit den Trockenblumen nicht nur den vermeintlichen Mitte-Stil, sondern auch die Pest ins Haus geholt habe. Vielleicht ist es sogar ansteckend? Falls ja und Neukölln bald von einer unheimlichen Trockenblumengrippe erfasst wird, wissen Sie, wo sie Patient Null finden können!

Und das alles nur, weil ich ein wenig Mitte-Feeling in meine bescheidenen Räumen zaubern wollte. Ich hätte doch einfach etwas Kokain bestellen können. Das wäre nicht so gefährlich geworden.

Nun gut. Aber eigentlich wollte ich etwas ganz anderes sagen. Weil ich krank bin – ich habe nämlich Schnupfen, müssen sie wissen – fällt es mir schwer, eine neue Kolumne zu schreiben. Trotzdem will der Tagesspiegel unerbittlich alle zwei Wochen etwas Neues von mir lesen.

Doch dieses Mal muss ich passen. Ich bin krank. Schnupfen! Es wird heute keine neue Kolumne geben. Ich streike wie die Zugführer. Die Kolumne muss dieses Mal ausfallen wie Blätter von herkömmlichen Blumensträußen nach spätestens zwei Wochen.

Peter Wittkamp ist Werbetexter und Gagschreiber. Er ist derzeit Hauptautor der „Heute Show Online“ und hat die Kampagne #weilwirdichlieben der Berliner Verkehrsbetriebe mit aufgebaut. Ab und zu schreibt er ein Buch, publiziert bei Instagram als Peter_Wittkamp oder twittert unter dem leicht größenwahnsinnigen Namen @diktator. Im Tagesspiegel beleuchtet Peter Wittkamp alle 14 Tage ein Berliner Phänomen.

Peter Wittkamp

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