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Staatliches Café. Ende der 40er/Anfang der 50 Jahre sollte mit Gründung der staatlichen Handelsorganisation HO die Versorgung im Osten verbessert werden.

© Imago

70 Jahre nach der Berlin-Blockade: Wie Ost-Berliner die Luftbrücke erlebten

Auch im Osten war die Berlin-Blockade eine wilde Zeit: Erinnerungen an den Sommer 1948 in der Sowjetzone.

Die Blockade war auch im Osten eine wilde Zeit. Drei Jahre nach Kriegsende hatten nicht nur die Bewohner der drei Westsektoren all den Lebensmut aufzubringen, der ihnen noch verblieben war. Auch die Berliner im Ostsektor hinter dem Brandenburger Tor sahen sich Problemen ausgesetzt. Das Brummen der Flugzeuge, die mit ihrer Fracht das westliche Berlin am Leben erhalten wollten, assoziierte jenes Grollen am Himmel, das dreieinhalb Jahre zuvor die Berliner in Ost und West in Angst versetzt hatte.

Statt der berüchtigten erleuchteten Tannenbäume, die aus den Maschinen flogen (und wie ein Feuerwerk die Ziele der Bomben markierten), kamen nun Brennstoffe und Esswaren in die drei Westsektoren. Die „Rosinenbomber“ wurden jedoch vom offiziellen Ost-Berlin neidisch verdammt. Von „Bluffbrücke“ ist die Rede, unter der Überschrift „Die Legende der Luftbrücke“ meint die „Berliner Zeitung“ im September 1948: „Gerade in diesen Tagen wird der Westberliner Bevölkerung wieder Gelegenheit geboten, ihre Lebensmittelkarten im Ostsektor anzumelden und somit teilzuhaben an der Versorgung mit Frischkartoffeln, Frischfleisch und Kohlen für den Hausbrand. Wer wollte da noch eitlen Schwätzern nachlaufen, die die Luftbrücke um jeden Preis als Zeichen der Sorge für die Berliner Bevölkerung hinstellen, obwohl ihre Unzulänglichkeit sich von Tag zu Tag deutlicher offenbart?“

Stalinplan statt Marshallplan

Im „Neuen Deutschland“ wurde mitgeteilt, dass die Luftbrückenflugzeuge auf ihrem Rückflug „Möbel, Autos und sonstige wertvolle Einrichtungen“ mitnehmen, also West-Berlin ausplündern. Das schrieben jene, die ungerührt zusahen, wie die Russen die letzten intakten Maschinen und Gerätschaften aus Ost-Berliner Betrieben demontierten, um sie als Reparationsgüter gen Osten zu schaffen. Jedes zweite Gleis schmolz in einem sowjetischen Hochofen. Stalinplan statt Marshallplan.

Überhaupt, damals: Der Autor war als Flüchtling aus Berlin in die Altmark evakuiert und wurde vom reichen Bauern vom Hof gejagt, als er mit seinem Kochgeschirr um etwas Milch bettelte. „Die brauche ich für unsere Kälber“. Da musste man für Butter, Brot und Wurst schon ganz andere Sachen aufbieten: Familienschmuck, Gemälde, goldene Uhren, Briefmarken, Münzen. Wir sagten immer: „Die haben ihre Kuhställe mit den Teppichen der Berliner ausgelegt“.

Niemand blieb vom Existenzkampf verschont. Mein Schwager in Johannisthal versorgte mich einmal mit hunderten kleinen grauen Feuersteinen, die wurde man auf den Dörfern ebenso reißend los wie Nähmaschinennadeln. Andererseits: Volkspolizisten schlichen durch die Züge und beschlagnahmten Obst und Gemüse. So war ich plötzlich einen Korb Stachelbeeren aus Werder los: Mach das nie wieder! Du schädigst unsere Volkswirtschaft! Der Volksschädling war 13 Jahre alt.

Vielleicht wurde damals der Neid der „Provinz“ auf die Hauptstadt geweckt: Das Land hatte Ost-Berlin am Leben zu halten. Statt Care-Pakete gab es hohe Preise. Im Columbiahaus am Potsdamer Platz kostete ein Kilo Butter 130 Ostmark, eine Bockwurst sechs, eine Zigarette 80 Pfennige. Der Slogan „Der kluge Berliner kauft in der HO“ sollte suggerieren, dass der Osten überlegen war, zumal viele West-Berliner durch den günstigen Kurs Ost- gegen Westmark der Einladung folgten, sich dort einzudecken. Der Osten senkte peu à peu die HO-Preise. Bis die „Berliner Zeitung“ eines Tages jubilieren konnte: „Die Republik, die macht sich: Die Bockwurst kostet achtzig!“

Und wie hat der Tagesspiegel damals berichtet? Verraten wir Ihnen. Und zeigen Ihnen die Tagesspiegel-Titelseite vom 25. Juni 1948 – in der Montagsausgabe.

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