zum Hauptinhalt

Berlin: „Wir grenzen uns von den Tätern ab“

Der Vorsitzende der Linkspartei/PDS, Klaus Lederer, über den Umgang mit Stasi-Funktionären und die Chancen der Linken in Berlin

Herr Lederer, ist mit den schlechten Wahlergebnissen der Linken vom Sonntag die Westausdehnung der PDS mit Hilfe der WASG gescheitert?

Nein. Die drei Prozent der WASG hätten wir alleine nie erreicht. Also ist es ein annehmbares Wahlergebnis.

Aber das Ziel der Linkspartei war es doch, in Partnerschaft von WASG und PDS endlich im Westen parlamentarisch Einfluss zu nehmen. Das ist misslungen.

Es zeigt, dass wir im Westen eine stärkere Verankerung in der Basis brauchen. Und das dauert. Die Neugründung der gesamtdeutschen Linkspartei ist komplizierter als am Anfang gedacht.

Was bedeutet die gescheiterte Ausweitung der Linken in westdeutsche Landesparlamente für die Berliner Abgeordnetenhauswahl im September?

Unsere Situation ist eine andere. Wir sind in der Stadt verankert, wir haben eine starke Basis und wir starten aus einer recht erfolgreichen Regierungsrolle. Ich bin optimistisch, dass es für uns gut läuft.

Die WASG ist am Sonntag in Westdeutschland in ihre Schranken gewiesen worden. Macht das die widerspenstigen Berliner WASG-Chefs für das von Ihren Bundesparteien geplante Bündnis handzahmer?

Eher nicht. Der Berliner WASG-Vorstand schwebt im Wolkenkuckucksheim. Er interessiert sich nicht für Stadtpolitik. Und er missbraucht uns nur als Projektionsfläche. Daran wird sich mit den derzeitigen Akteuren auch nichts ändern.

Berlins SPD sieht sich durch die Ergebnisse vom Wochenende gestärkt – und Klaus Wowereit hält für die nächste Legislaturperiode explizit auch den Grünen die Tür für eine Koalition offen. Macht Sie das politisch eifersüchtig?

Nein, ich bin eher froh darüber. Wir haben gut und vertrauensvoll zusammengearbeitet. Das ist gut, birgt aber die Gefahr, dass man am Ende nur noch als Rot-Rot wahrgenommen wird. Wir werden unsere Beiträge an der Stadtpolitik und unsere Vorhaben deutlicher machen, um als Linkspartei gewählt zu werden.

Was setzen Sie der SPD mit dem Amtsbonus Klaus Wowereits entgegen, ohne zu sehr die Arbeit der rot-roten Koalition in Frage zu stellen?

Als Linkspartei wollen wir auf dem aufbauen, was wir bereits geleistet haben. Beispiel Bildungspolitik: Wir haben ein neues Schulgesetz und ein neues Fach, nämlich Ethik. Nun wollen wir eine integrative Schule, in der Kinder länger gemeinsam lernen. Beispiel Wohnungsgesellschaften: Auch hier machen wir deutlich, was uns von Finanzsenator Sarrazin unterscheidet.

Zumindest rhetorisch.

Nein, politisch. Eine Totalprivatisierung Berliner Wohnungen ist mit uns nicht zu machen, weil wir im Interesse einer sozialen Stadtpolitik öffentlichen Wohnraum brauchen.

Zu einem anderen Thema, das derzeit den Vorwahlkampf bestimmt: Was würden Sie sagen, wenn bei einer Veranstaltung mit Ihnen eine große Gruppe ehemaliger Stasi- Mitarbeiter die Haftbedingungen in Stasi-Gefängnissen schönredet?

Ich würde mich mit diesen Leuten auseinander setzen. Auch wenn ich menschlich manches nachvollziehen kann, politisch kann ich Geschichtsrevisionismus nicht tolerieren. Allerdings muss man auch sehen, dass sich viele Menschen in den aktuellen Diskussionen nicht wiederfinden, zum Beispiel, wenn die DDR und das Nazireich gleichgesetzt werden. Damit haben viele DDR-Bürger ein Problem, und das zu Recht. Das muss man wissen und zugleich immer wieder die Auseinandersetzung mit der Geschichte suchen.

Ihr Parteifreund, Kultursenator Thomas Flierl, hingegen hat bei einer Veranstaltung kürzlich gerade nicht die offene Auseinandersetzung mit den Revisionisten gesucht. Wie erklären Sie sich das?

Ich denke, er hatte mit dieser Situation nicht gerechnet. Und ich weiß auch nicht, ob diese Veranstaltung überhaupt die Möglichkeit zu einer solchen Auseinandersetzung gegeben hätte. Eins ist jedenfalls klar: Thomas Flierl hat als Person bewiesen, dass er für einen offenen und kritischen Umgang mit Geschichte steht.

Nach dem Vorfall sollte Flierl vor dem Parlament erklären, warum er den Stasi-Schönfärbern nicht entschlossener widersprach. Kritiker meinen, er habe dann zum zweiten Mal eine klare Distanzierung von den Ansichten der DDR-Unterdrücker vermissen lassen.

Klare Worte sind nötig, aber nicht Schwarz-Weiß, Geschichte ist immer bunter.

Was ist denn daran so schwer, eindeutig zu sagen: Das SED-Stasi-Regime war verbrecherisch, den Opfern gehört meine volle Sympathie, mit den Tätern verbindet mich nichts?

Den Opfern gehört unsere Sympathie. Und von Tätern grenzen wir uns ab. Genauso wichtig ist: Wie gehen ehemalige Funktionsträger heute mit ihrer Geschichte um? Ich will diejenigen, die sich kritisch mit ihrer eigenen Rolle beschäftigt haben, in die aktuelle Auseinandersetzung einbeziehen. Und das will Thomas Flierl auch. Und deshalb ist die Unterstellung, er tue dies, um ein bestimmtes Klientel zu pflegen, absurd.

Wie wichtig sind frühere Funktionäre des DDR-Regimes auch heute noch für die PDS in Berlin?

Wir werden im Osten von ehemaligen DDR-Bürgern sehr stark gewählt. Das hat sicher auch etwas damit zu tun, dass wir deren spezifische Erfahrungen nicht einfach über Bord schmeißen, sondern einen Raum bieten, um sich damit auseinander zu setzen.

Betreiben Sie nicht eine Doppelstrategie: einerseits Distanz von SED-Unrecht, andererseits gezielte Streicheleinheiten für alte DDR-Funktionäre?

Nein, wir haben als Gründungskonsens der PDS eindeutig erklärt, dass wir mit dem Stalinismus als System gebrochen haben. Und das gilt grundsätzlich.

Das Gespräch führte Lars von Törne

-

Zur Startseite