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Die Mühlendammbrücke über die Spree in Berlin wird zurzeit abgerissen und muss neu gebaut werden.

© IMAGO/Dirk Sattler

„Wir können einfach nicht mehr so weitermachen“: Nur jede fünfte Berliner Brücke ist in Ordnung

Der Senat arbeitet an einem Masterplan gegen den Sanierungsstau bei Berlins Brücken – und im Parlament wirbt eine bekannte Baufirma. Das erinnerte manchen Teilnehmer an eine Kaffeefahrt.

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Von den knapp 900 Brücken in der Obhut des Landes Berlin müssen 120 in den nächsten zehn Jahren ersetzt werden. Mehr als 50 erhalten vom Senat für ihren Zustand die Schulnote Drei oder schlechter, was „nicht ausreichend“ bedeutet. Das ergibt sich aus einer Präsentation der Verkehrsverwaltung fürs Abgeordnetenhaus. Die tatsächliche Zahl der dringenden Sanierungsfälle dürfte noch höher liegen, weil für die Autobahnbrücken wie die akut marode Ringbahnbrücke am Dreieck Funkturm der Bund zuständig ist.

Im parlamentarischen Verkehrsausschuss kündigte Arne Huhn, Brückenreferent in der Berliner Verwaltung, einen „Masterplan Brücken“ für spätestens Mitte 2025 an. Wichtige Punkte seien „unterbrechungsfreie Planungen“ ohne die bisher üblichen bürokratiebedingten Pausen, die Entfristung von Stellen in der Verwaltung sowie die Ausstattung mit Fachkräften für Arbeiten vor Ort. Zudem müssten Budgets für die Unterhaltung der Bauwerke dauerhaft gesichert werden. Bauarbeiten sollen künftig verstärkt gebündelt werden, wenn etwa Bahnstrecken ohnehin gesperrt werden müssen. Und bei der Digitalisierung sei man trotz Verbesserungen noch „mindestens zehn Schritte hinterher“.

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Brücken in Berlin sind älter als 100 Jahre

Huhn berichtete von vergleichbaren Problemen überall in Deutschland und resümierte: „Wir können einfach nicht mehr so weitermachen, wie wir in den letzten zehn Jahren die Brücken geplant und gebaut haben.“ Allerdings sei man bereits besser geworden beim Management, weshalb beispielsweise der begonnene Abriss und Ersatz der Mühlendammbrücke schon relativ zügig vorankomme. Laut dem Senatsbericht sind rund die Hälfte der Berliner Brücken in „befriedigendem Zustand“. Nur jede fünfte wird als gut oder sehr gut beurteilt. 71 Brücken gelten wegen potenzieller Gefahr von Spannungsrissen als heikel.

Nach Angaben von Tiefbau-Abteilungsleiter Lutz Adam ziehen sich Planungen in Berlin auch wegen veralteter Sonderregelungen unnötig lange hin. Immerhin seien die nötigen Arbeiten dank eines „digitalen Erhaltungsmanagements Ingenieurbauwerke“ inzwischen klar priorisiert. Und im Fall der akut problematischen Ringbahnbrücke der A100 sei es Glück im Unglück, dass die Bundesunternehmen Autobahn GmbH und Deges schon vor Jahren mit der Neubauplanung für das Autobahndreieck Funkturm begonnen hätten und man angesichts der drohenden Vollsperrung „kein leeres Blatt“ habe.

Nach Einschätzung von Frank Prietz, Ingenieur bei der Baukammer Berlin, sei in der Vergangenheit nicht nur zu wenig gebaut, sondern auch zu wenig geplant worden. Wegen der langen Planungs- und Genehmigungsprozesse sowie enormer Bürokratie seien Brückenbauten für Ingenieurbüros oft nicht lukrativ – ein Grund für den Mangel an Kapazitäten.

Das hat nicht nur ein Geschmäckle, das ist blütenreiner Lobbyismus.

Antje Kapek (Grüne) über den Werbeauftritt des Baukonzerns Max Bögl im Parlament.

Zum drohenden Verkehrschaos ums Dreieck Funkturm konnte Verkehrssenatorin Ute Bonde (CDU) den Abgeordneten wenig Neues berichten: Der Senat habe erst am Montag von der möglichen Vollsperrung der Stadtautobahn erfahren. Am Mittwoch habe sie erstmals mit dem Bezirksamt Charlottenburg-Wilmersdorf Kontakt gehabt wegen der absehbaren Belastung der umliegenden Wohngebiete. Die Verwaltung habe aber nicht für jede denkbare Sperrung vorsorglich ein Umleitungskonzept in der Schublade, zumal es mit anderen Baustellen in der Umgebung abgestimmt werden müsste. Bereits die aktuelle Teilsperrung „kam am Freitag Knall auf Fall“.

Auf der Ausweichroute für die gesperrte Ringbahnbrücke baut bis Jahresende die BVG

Verschärft wird das momentane Stauproblem, weil die BVG an der Kreuzung von Kaiserdamm und Messedamm/Königin-Elisabeth-Straße bis Ende dieses Jahres die Tunneldecke der U2 saniert. Bis übernächste Woche soll geklärt sein, inwieweit die Brücke benutzbar bleibt.

Irritiert waren mehrere Ausschussmitglieder darüber, dass die von allen Fraktionen angesetzte Besprechung mit einer ausführlichen Präsentation von Vertretern des Baukonzerns Max Bögl begann, die für ihre Fertigteilbrücken warben. Der Grünen-Abgeordnete Werner Graf sprach von einer „Kaffeefahrt“ und erkundigte sich, ob man Bögl nun „was anderes abnehmen müsse“, wenn es schon mit der von CDU-Senatorin Bonde hochgelobten Magnetschwebebahn nichts werde.

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