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Zwei Welten verbinden. Schneiderin Sarah Müller (links) vertreibt mit ihrem Team handgefertigte Accessoires.

© Nyuzi Blackwhite

Fairer Handel unterm Funkturm: Wir schaffen was!

Die Deutsche Sarah Müller bildete in Kenia Jugendliche im Schneiderhandwerk aus. So entstand das Label „Nyuzi Blackwhite“, das bei der Messe „Bazaar“ dabei ist.

Beim Upcycling lassen sich alte Stoffe wunderbar wiederverwenden und aufwerten. Aber Zement- und Futtersäcke? Die kenianischen Frauen waren entsetzt, als Sarah Müller auf die Idee kam, daraus moderne Accessoires zu gestalten. Doch das änderte sich schnell, als sie lernten, wie aus den Abfällen, die sonst auf dem Müll landen und verbrannt werden, schöne Taschen entstehen, die man auch als Rucksack tragen kann.

Dass aus dem Projekt am Ende ein Modelabel wird, hätte sich die inzwischen 27-jährige Stuttgarterin damals nicht träumen lassen. Heute vertreibt sie in Deutschland mit „Nyuzi Blackwhite“ schicke, multifunktionale Taschen, Rucksäcke, Etuis und Geldbörsen, die Frauen in Kenia herstellen und damit ihren Lebensunterhalt verdienen. Das Label ist auf der diesjährigen Verkaufsmesse „Bazaar Berlin“ vom 6. bis zum 10. November unterm Funkturm vertreten.

„,Nyuzi’ bedeutet auf Suaheli Fäden“, erklärt Müller. Der Name ist eine schöne Metapher für die Produkte, die den weißen und den schwarzen Kontinent verbinden.

Sie baute in Afrika ein Ausbildungszentrum mit auf

Sarah Müller lernte das Schneiderhandwerk bei Hugo Boss und bildete sich an der Modeschule Stuttgart zur Produktentwicklerin weiter. Nach einer zusätzlichen Trainee-Ausbildung zog es sie ins Ausland. Als ihre Mutter zufällig über einen Bekannten von einem Projekt in Kenia erfuhr, in dem Schülerinnen und Schüler nahe Nairobi das Schneiderhandwerk lernen, wusste sie sofort, wo die Reise hingehen wird. „Ich interessierte mich schon lange für den Kontinent“, erzählt sie. Nun war die Zeit reif, den Schritt zu wagen und den Aufenthalt mit ihrem Beruf zu verbinden. Im September 2016, mit einem Stipendium der Baden-Württemberg Stiftung in der Tasche, stand Müller im Karai Vocational Center, einem Ausbildungszentrum etwa 30 Kilometer von Nairobi entfernt.

Mit der Produktion können kenianische Frauen ihren Lebensunterhalt verdienen.
Mit der Produktion können kenianische Frauen ihren Lebensunterhalt verdienen.

© Nyuzi Blackwhite

Zum Center gehört ein Heim für Straßen- und Waisenkinder mit einer angegliederten Grund- und Berufsschule. Unterstützt werden derzeit 120 Kinder und junge Erwachsene im Alter von vier bis 20 Jahren. Die Berufsschule bietet Ausbildungen zum Schreiner, Elektriker, Frisör und Schneider für die Heimkinder und für Jugendliche aus der Umgebung an. Gefördert wird das Projekt von der Stiftung Kenia-Hilfe Schwäbische Alb.

Während ihres Aufenthalts half Sarah Müller den Lehrerinnen im Unterricht – und den Jugendlichen beim Nähen und Zuschneiden. Für die Schneiderlehre hatten sich überwiegend Mädchen und junge Frauen entschieden. In den Sommerferien, im Oktober und November, bot Müller Workshops an. „Ich wollte mit ihnen etwas machen, woran sie richtig Spaß haben und wozu sie im Unterricht sonst nicht kommen“, erzählt sie.

Die erste Produktidee war ein Flop

Trotz abgeschlossener Ausbildung würden die Frauen statt in ihrem Beruf meist bei der Kartoffelernte arbeiten, berichtet Müller. Die einzige Chance sei für sie, sich selbstständig zu machen. Doch: Für teure Nähmaschinen fehle den meisten das nötige Geld. „Ich wollte das ändern, den Frauen eine Perspektive geben und Arbeitsplätze schaffen“, sagt Müller.

Ihre erste Idee, die Produktion von Schuluniformen, war allerdings ein Fehlschlag. „Die Nähmaschinen waren im schlechten Zustand, eine gute Passform hinzukriegen, war schwierig“, erinnert sie sich. Dann der zweite Versuch: die Taschen. Da es aus afrikanischen Stoffen schon viele Produkte gab, entschied sie sich für das Upcycling von alten Polypropylensäcken. Ein Volltreffer, wie sich kurz darauf herausstellte.

Die modernen Rucksäcke und Umhängetaschen werden aus alten Zementsäcken gefertigt.
Die modernen Rucksäcke und Umhängetaschen werden aus alten Zementsäcken gefertigt.

© Nyuzi Blackwhite.

2017 kehrte Sarah Müller mit einer kleinen Kollektion nach Deutschland zurück und gründete das Label. Sie hielt Vorträge, verkaufte die Produkte auf Messen und entwickelte neue Ideen.

Als eine Handwerkskammer rund hundert Entwürfe als Präsente für Preisträger bestellt, ist endlich der erste große Schritt gelungen. Die Schneiderin fliegt zurück nach Kenia, bespricht mit den Frauen die neuen Entwürfe und erweitert die Produktion.

Die Zusammenarbeit war nicht immer einfach

Inzwischen bietet Nyuzi Blackwhite 20 verschiedene Produkte. Das Angebot wird kontinuierlich erweitert. Yoga- und Reisetaschen kommen demnächst dazu. Sarah Müller verkauft sie auf Messen, Weihnachtsmärkten und online. In Kenia gehören sechs Mitarbeiter zum Team, zwei Festangestellte und vier Teilzeitkräfte. Sie sind krankenversichert und können Kredite beantragen. „Es ist schön, gemeinsam Ideen zu verwirklichen“, sagt die 28-Jährige Caroline, die von Anfang dabei ist. Die Kenianerin organisiert die Produktion vor Ort. „Die Arbeit hilft mir, für mich und meine Kinder zu sorgen.“

Nicht immer war die Zusammenarbeit einfach. „Hier treffen zwei völlig unterschiedliche Kulturen aufeinander“, gibt Sarah Müller zu bedenken. Das Verständnis von Qualität und Pünktlichkeit sei einfach zu verschieden. Aber wenn man sich einlasse und bereit sei, aufeinander zuzugehen und sich wirklich kennenzulernen, sei es eine große Bereicherung. „Die Lebensfreude der Kenianer und ihre Kreativität, aus wenigen Dingen Nützliches zu machen, hat mich schon immer begeistert“, schwärmt sie.

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