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Die Soziologen im Gespräch: Eylem Kanol (Freie Universität) und Gökçe Yurdakul (Humboldt-Universität).

© Tagesspiegel/Marie Staggat

Wissenschafts-Community diskutiert im Tagesspiegel: „Kein deutsches Unternehmen könnte bei der Bürokratie überleben“

Im Tagesspiegel kamen am Dienstag Spitzenforschende aus der Region zusammen, um mit Redakteuren und der Politik über die Stärken des Standorts zu diskutieren. Ein Wunsch zog sich wie ein roter Faden durch den Abend.

Von Nadia Jusufbegović

Stand:

Betont optimistisch gab sich Günter M. Ziegler am Dienstag im Tagesspiegel-Haus, als er als Sprecher der Berlin University Alliance (BUA) die Gäste des Events „100 Köpfe der Berliner Wissenschaft“ begrüßte. Mit bester Laune bereite sich der Universitätsverbund auf die anstehende Evaluation vor, so Ziegler.

Dabei steht viel auf dem Spiel. Bald bekommt die BUA Besuch von internationalen Gutachtern. 2026 entscheidet sich, ob der Verbund für weitere sieben Jahre mit vielen Millionen aus den Exzellenz-Mitteln des Bundes gefördert wird.

Einen Wunsch richtete Ziegler dennoch an die Politik: „Langfristig gehört zur Wissenschaft eben auch Kleingeld und Großgeld dazu“, sagte er an Berlins Wissenschaftssenatorin Ina Czyborra (SPD) gerichtet.

Der Berliner Senat machte den Hochschulen zuletzt harte Sparvorgaben, bis 2027 fallen voraussichtlich 14.000 Studienplätze weg, dutzende Professuren werden gestrichen.

Wissenschaftssenatorin Ina Czyborra (SPD) (links) und BUA-Sprecher Günter Ziegler mit Anke Myrre, stellvertretende Chefredakteurin, und Geschäftsführer Nicolas Köhn vom Tagesspiegel.

© Marie Staggat

Bleibt Berlin unter diesen Bedingungen überhaupt wettbewerbsfähig, wollte Anke Myrrhe, stellvertretende Chefredakteurin beim Tagesspiegel, dann auch von der Senatorin wissen. Czyborra räumte mit Blick auf die Kürzungen ein: „Berlin nimmt sich die ein oder andere Chance, das kann nicht der dauerhafte Weg sein.“

Erfolgreiche Start-Up-Gründerin auf dem Podium

Trotzdem hätten sich die Zeiten geändert, nicht alle Studiengänge seien noch gut nachgefragt. Daher müsse man „von Masse zu Klasse umsteuern“. Am Anspruch, dass Berlin „Nummer Eins in der deutschen Wissenschaft“ sei, hält sie dennoch fest.

Eingeladen hatte der Tagesspiegel Forschende, die in der Serie „100-Köpfe“ ausgezeichnet wurden. Auch dieses Jahr kam damit wieder Expertise aus diversen Fachgebieten zusammen – und Vertreter der Berliner Gründerszene. Mit der wollen sich die Hochschulen der Region künftig enger vernetzen, vor allem über die neu gegründete Start-Up-Fabrik Unite.

Im Publikum saßen Spitzenforschende aus diversen Fachdisziplinen.

© Tagesspiegel/Marie Staggat

Die Chemikerin Julia Bauer zeigte auf dem Podium, wie man mit Ideen aus der Forschung Erfolg haben kann. Sie gründete mit zwei Kollegen das Start-up Spark, das zum Ziel hat, synthetische CO₂-neutrale Kraftstoffe mit eigens entwickelten Verfahren energieeffizient zu herzustellen.

Mehrfach wird Bürokratie als Hemmnis genannt

Das Unternehmen laufe großartig, sagte Bauer. Beim Bau der Pilotanlage sei man „sogar vor dem Zeitplan“. Sie steht schon in Adlershof. Deutschland als Standort habe ihnen in Sachen Maschinen- und Anlagenbau einen entscheidenden Vorsprung geliefert.

Die Ingenieurin und TU-Juniorprofessorin Inka Mai erklärt, wie man Baustoffe optimiert.

© Tagesspiegel/Marie Staggat

Was mehrere Wissenschaftler:innen auf dem Podium einforderten: Für Forschung und ihre Anwendungen brauche es weniger Vorschriften. Volker Haucke, Direktor am Leibniz-Forschungsinstitut für Molekulare Pharmakologie Berlin, nannte als Beispiel die Übertragung wissenschaftlicher Erkenntnisse in medizinische Therapien. „In Deutschland gibt es eine große Finanzierungslücke in der translationalen Forschung.“ Ein kompliziertes Regelwerk behindere das und halte auch Risikokapital-Geber ab.

Wissenschaftsredakteur Martin Ballaschk (links) mit dem TU-Biochemiker Jens Kurreck. Beim Get-together wurden die Themen vertieft.

© Tagesspiegel/Marie Staggat

Statt Bürokratie brauch es einen größeren Vertrauensvorschuss der Politik. „Kein deutsches Unternehmen wäre in der Lage zu überleben, wenn es dieselben bürokratischen Regeln befolgen müsste wie unsere Institute“, sagte Haucke. Für den Appell an die Politik bekam er spontan großen Applaus von den Wissenschaftskolleg:innen im Publikum.

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