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Auf dem S-Bahnhof Yorckstraße (Großgörschenstraße) haben die Budenbetreiber alles mit Graffiti beschriftet, damit keine anderen Graffiti draufgeschmiert werden.

© Lars von Törne

Was auf dem S-Bahnhof Großgörschenstraße so alles passiert: Wo die Elfen sich verstecken

Der S-Bahnhof Yorckstraße (Großgörschenstraße) hat einen Hintereingang. Da geht es zu den Elfen. Es ist die Station meines Lebens. Aber was hat das mit Jahrgangs-Urin zu tun?

Von Andreas Oswald

Wer wie ich den S-Bahnhof Yorckstraße (Großgörschenstraße) seit 45 Jahren am Hintereingang verlässt, der denkt an Gestank, Dreck und scheue Begegnungen, aber davon später. Diesen Ausgang benutzt auch, wer die Gräber der Gebrüder Grimm auf dem märchenhaften Alten St.-Matthäus-Kirchhof besuchen möchte, direkt schräg gegenüber.

Hinter den Grabsteinen und Büschen sollen sich Elfen und Kobolde verbergen, der Elfenexperte und Buchautor Wolfgang Müller führt manchmal Freunde und Interessierte hierher, um ihnen die Elfen zu zeigen.

Aber Elfen sind scheue Wesen. Wie auch viele Menschen hier. Einmal stand auf dem Bahnsteig eine elegant gekleidete Frau mit einem wunderschönen großen Hund mit ganz dickem, elfenbeinfarbenen Fell. Schüchtern stand sie da, mehrere Personen bestaunten wortlos ihren Hund.

Ich wollte schon sagen, der sieht aus wie eine Mischung aus Hund und Eisbär. Aber ich traute mich nicht. Da sagte sie leise kichernd: „Manche Leute sagen, er sähe aus wie eine Mischung aus Hund und Eisbär.“ Die Umstehenden lächelten.

Früher war alles besser. 40 Jahre lang hatte immer dieselbe Frau meinen Zug abgefertigt. Eines Tages, meine Kollegen hatten mir zum Geburtstag einen Blumenstrauß geschenkt, drückte ich abends spontan der Frau diesen Strauß in die Hand und bedankte mich für den jahrzehntelangen Service. Sie war irritiert, ich ging schnell weiter. Es war zufällig ihr letzter Tag auf dem Bahnhof, schon am nächsten Tag gab es keine persönliche Abfertigung mehr.

Schluckibude und Schwarzmarkthändler

Der dunkle Hinterausgang stinkt. Früher waren die alten Ziegelmauern dort baufällig. Dann wurden sterile Betonwände eingezogen. Jetzt riecht es nicht mehr nach 100 Jahre altem Urin, sondern nach dreijährigem.

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Rechts am Eingang gab es früher eine heruntergekommene Schluckibude. Dort versammelten sich arme, finstere Zausel und immer war ein alter Herr in feinem Zwirn mit Bowler-Hut dabei. Das ist alles vorbei. Nur der Gestank ist geblieben. Auf dem Flecken der verschwundenen Bude feiern heute an manchen Abenden fröhlich trinkende junge Leute. Der Gestank stört sie nicht.

Der stört auch die Schwarzmarkthändler am Sonnabend nicht, wenn nebenan Markt ist. Es muss sich durchzwängen, wer den Bahnhof verlässt. Manche offerieren eingeschweißte Steaks von Lidl. Wo sie die herhaben? Manchmal kommt ein Polizist. Sie verschwinden dann. Hier sind sogar die Schwarzmarkthändler scheu.

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