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Ein Obdachloser schläft nahe dem Bahnhof Zoo.

©  Daniel Bockwoldt/dpa

So wollen die Parteien Berliner Obdachlosen helfen: Zählen und mehr Wohnungen bauen

Rot-Rot-Grün will eine Statistik anlegen und die Mietschuldenübernahme verbessern. Die CDU schlägt noch etwas anderes vor. Der FDP geht alles zu langsam.

Von Ronja Ringelstein

In der Aktuellen Stunde im Berliner Abgeordnetenhaus diskutierten die Berliner Parlamentarier über die Wohnungslosenhilfe in Berlin. Die Links-Fraktion hatte das Thema auf die Tagesordnung gesetzt. Hintergrund war die Erneuerung der „Leitlinien der Wohnungsnotfallhilfe und Wohnungslosenpolitik“.

Die sozialpolitische Sprecherin der Linksfraktion, Stefanie Fuchs, lobte die Errungenschaften der neuen Leitlinien. Zu den wichtigsten Maßnahmen der Leitlinien zählt, dass Obdachlose gezählt und eine Wohnungsnotfallstatistik angelegt wird. außerdem soll der Prozess zur Übernahme von Mietschulden verbessert werden soll. Es soll berlinweite Kriterien dafür geben, außerdem soll ein Qualitätsmanagement für den Prozess eingesetzt werden. Zudem soll es ein bezirksübergreifendes Fachstellenkonzept der Sozialen Wohnhilfen geben.

Die Zählung der Obdachlosen soll wie berichtet im Januar 2020 durchgeführt werden. Bislang weiß man nicht, wie viele Wohnungs- und Obdachlose in Berlin leben und auch nicht, woher sie kommen.  „Diese Koalition bekämpft die Armut und nicht die Armen in dieser Stadt“, sagte Fuchs.

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Die alten Leitlinien für das Thema seien von 1999 und seit 20 Jahren nicht „angefasst“ worden. Das, so kritisierte Fuchs, zeige den niedrigen Stellenwert, den das Thema bis 2016, also bis Rot-Rot-Grün im Senat einzog, hatte. Für die Erarbeitung der Leitlinien habe man vorbildlich ressortübergreifend gearbeitet, betonte Ülker Radziwill von der SPD-Fraktion.

Sie dankte dem Einsatz der Sozialsenatorin Elke Breitenbach (Linke) und den Beteiligten Senatsverwaltungen. Auch Bezirke, Verbände, Betroffene, die Polizei, die BVG waren an der Erstellung der Leitlinien beteiligt. Der Abgeordnete Stefan Ziller (Grüne) sagte, dass man mit dem kommenden Doppelhaushalt das Regelsystem in der Wohnungslosenhilfe stärke. Er mahnte allerdings eine Klärung der Zuständigkeiten von Bezirken und Senat an, die bei der Wohnungslosenhilfe immer wieder ein Problem darstellen.

Die Klientel der Wohnungslosen verändere sich

Maik Penn, CDU-Fraktion, kritisierte, dass die angekündigten Maßnahmen des Senats zwar teilweise gut seien, aber Rot-Rot-Grün schließlich seit drei Jahren im Amt sei und bislang noch keine konkreten Ergebnisse und Maßnahmen erfolgt wären. Außerdem sagte Penn: „Die beste Wohnungslosenhilfe besteht im Wohnungsneubau“ und kritisierte erneut die Diskussionen um einen Mietendeckel, der Investitionen in die Stadt hemme und so Neubau verhindere.

Auch Thomas Seerig, sozialpolitischer Sprecher der FDP-Fraktion, bemängelte, wie langsam der Senat in der Sache arbeite. Er, wie andere aus den Reihen der Opposition, betonte, dass man sich bei einer Aktuellen Stunde im November 2018 genau zu demselben Thema getroffen habe und sich die Situation seitdem nicht geändert habe.

Für Herbert Mohr aus AfD-Fraktion ist das Problem der Wohnungs- und Obdachlosigkeit vor allem eines, das mit Ausländern zu tun habe. Er forderte, „umgehend die real existierende Sogwirkung“ der Stadt abzustellen. Und eine „öffentlichkeitswirksame Ausrufung des Migrationsnotstandes.“

Mohr sagte, er hoffe, die geplante Zählung im Januar gelinge, auch, da diese wohl bestätigen werde, dass es sich bei den Obdachlosen weit überwiegend um Ausländer, vor allem aus dem osteuropäischen Raum, handele. Da habe die Freizügigkeit ihre Schattenseiten, so Mohr.

Sozialsenatorin Elke Breitenbach hatte das letzte Wort in der Debatte. Die Argumentation der AfD nannte sie, ohne Mohr direkt anzusprechen, "Hetze". Und sie sprach von einer „Milchmädchenrechnung“, dass nur mehr Wohnungen auch zum Ende der Wohnungslosigkeit führten.

Das Problem sei weit vielschichtiger. Die Klientel der Wohnungslosen verändere sich, sie werde weiblicher, jünger, internationaler. „Die Hilfe muss sich auf die Menschen einstellen und konkrete Auswege bieten“, sagte Breitenbach. Das sei bisher gescheitert, weil nicht zusammen gearbeitet wurde.

Nun habe man zur Erarbeitung der Leitlinien mit „allen Akteuren und Akteurinnen der Stadt“ gesprochen. Und es habe ein „Ringen“ und „lange Debatten“ gegeben. Doch das sei das besondere und ein Erfolgsmodell, sagte Breitenbach.  In Zukunft sollen die Bezirksstadträte nun über die Umsetzung der Leitlinien informiert werden.

Die Zählung der Obdachlosen im Januar soll „Nacht der Solidarität“ heißen. Breitenbach betonte: „Berlin wird die erste Stadt sein, die eine solche Zählung macht“. Diese Nacht der Solidarität solle deutlich machen, dass die Menschen auf der Straße ein Teil dieser Stadt seien. „Das wollen wir ihnen zeigen“, so Breitenbach.

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