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Von Tag zu Tag: Zaunkönige

Andreas Conrad übermannt auf der Fanmeile die Erinnerung

Stand:

Gegenüber der Ostalgie konnte sich die Westalgie nie recht durchsetzen – als medial endlos sezierte Befindlichkeit nicht und als Wortschöpfung schon gar nicht. Gleichwohl erschien manchem das teils ummauerte, teils eingezäunte West-Berlin als paradiesisches Idyll, das perfekte Biotop für zwischenmenschliche Experimente. Ein nicht zu großes, nicht zu kleines Areal, gut überschaubar, von dem es sogar Miniaturausgaben gab: die Spandauer Exklaven Erlengrund und Fichtewiesen, genutzt als Wochenendgrundstücke erholungsbedürftiger West-Berliner, zu erreichen über einen eigenen Weg unter Kontrolle der DDR-Grenzer. Eine bis 1988 bestehende Kuriosität, die zu verführerisch war, um sie auf dem Friedhof der Geschichte zu verbuddeln. Denn pünktlich zum 20. Jahr der Wiedervereinigung wurde das Exklaven-Modell wiederbelebt, auf freilich harmlose Weise: Es wird an der umzäunten Fanmeile nicht geschossen, und allenfalls droht ihren Einwohnern, von einer verirrten Bierflasche getroffen zu werden. Oder durch einen gezielten Vuvuzela-Fanfarenstoß kurzfristig zu ertauben.

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