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Calvinstraße in Moabit: Zugemauerte Mieter: Streit verschärft sich

Zugemauerte Fenster, ein ausgebauter Fahrstuhl, dauerhafte Lärmbelästigung. Die Mieter in der Calvinstraße 21 wehren sich mit mehreren einstweiligen Verfügungen gegen Modernisierungsarbeiten an ihrem Haus. Sie sprechen von "Schikane", der sie ausgesetzt seien.

Die Auseinandersetzungen zwischen dem Eigentümer und den verbliebenen Mietern des Wohnhauses Calvinstraße 21 in Moabit verschärfen sich. Nachdem wie berichtet unter anderem einer Mieterin Mauern vor ihre Fenster gesetzt wurden, klagen die Betroffenen jetzt über weitere Schikanen. Seitdem die "Terrial Stadtentwicklung GmbH" mit Sitz in Biberach das Haus 2008 gekauft hat, um es zu modernisieren, streiten sich die sechs verbliebenen Mieter über Rechtsanwälte mit der Geschäftsführung der Firma, die die Bewohner für die Modernisierungsarbeiten mit immer rabiateren Methoden zum Auszug zwingen will.

Helga Brandenburger, die im ersten Stock wohnt, wurde eine Mauer vor das Küchen- und Badezimmerfenster gesetzt. "Seitdem ist es sehr dunkel bei mir und wenn ich lüften will, muss ich das Fenster im Schlafzimmer aufmachen", sagt Brandenburger. Rechtsanwalt Christoph Müller, der Helga Brandenburger, wie auch drei weitere Mieter vertritt, habe beim Amtsgericht die Klage eingereicht, dass die Mauer entfernt werde, da der Abstand zwischen zwei Häusern mindestens drei Meter betragen muss. "Der Richter hat wortwörtlich gesagt: 'Machen Sie das, die Mauer muss weg'", sagt Müller. Das endgültige Urteil wird am 17. Juli gefällt. "Es wird aber wohl darauf hinauslaufen, dass die Mauer entfernt werden muss."

Anfang Juni wurde außerdem der Aufzug im Haus ersatzlos demontiert, obwohl ein Fahrstuhl mietvertraglich vereinbart ist und von einigen Bewohnern aus gesundheitlichen Gründen benötigt wird. Seit Anfang der Woche können die Mieter auch nicht mehr in ihre eigenen Kellerräume. Diese wurden ohne Zustimmung der Mieter geräumt oder mit einer Zugangstür versehen, für die die Mieter keinen Schlüssel haben. Auch die Lärmbelastung durch den Bau liegt fast kontinuierlich bei 70 bis 80 Dezibel, erlaubt sind laut der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Schutz gegen Baulärm etwa 50 Dezibel. Für eine Stellungnahme der Geschäftsführung der "Terrial Stadtentwicklung GmbH" war weder das Berliner Büro noch der Hauptsitz in Biberach zu erreichen. "Die Geschäftsführung ist außer Haus und wird den ganzen Tag nicht erreichbar sein. Weitere Auskünfte möchte ich nicht geben", sagte ein Mitarbeiter der Firma. Der Berliner Mieterverein (BMV) unterstützt die Mieter bei ihren Forderungen und sieht in dem Handeln der "Terrial", den Versuch die Mieter zum Auszug zu zwingen. "Mit dieser Schikane gegen die Mieter will der Vermieter offenbar die bereits angekündigte Modernisierung durchsetzen", sagt BMV-Geschäftsführer Reiner Wild. "Es wird höchste Zeit, Mieter vor diesen Herausmodernisierungen zu schützen."

Das Leben hinter der Mauer:

Wie der Tagesspiegel im Februar berichtet hatte, hatten die verbliebenen Bewohner die Miete wegen der Beeinträchtigungen um 20 Prozent gemindert. Daraufhin gab es mehrere Räumungsklagen gegen die Mieter des Hauses durch die "Terrial". "Diese Räumungsklagen betrafen alle sechs Mieter, in drei Fällen konnten wir die Räumungen abwehren", sagt Anwalt Müller. Durch die Modernisierung würde sich zum Beispiel die Kaltmiete für Familie Czapara in ihrer 75 Quadratmeter großen Wohnung von derzeit 376 Euro auf 780 Euro erhöhen. "Das ist eine Unverschämtheit", sagt Hanna Czapara. "Wir sind emotional und körperlich am Ende, aber wir lassen uns nicht unterkriegen." Vom Bezirksamt fühlen sich die Mieter bisher im Stich gelassen.

Auch Reiner Wild betont: "Die mietrechtlichen Abwehrmöglichkeiten reichen gegen diese Vermieterwillkür am Ende aber nicht aus." Die Mieter benötigten die Hilfe des Bezirksamtes und des Senats. Baustadtrat Carsten Spallek sehe bisher keinen Handlungsdruck. "Ich habe ihn mal gebeten, ob er Frau Brandenburger mit ihren zugemauerten Fenstern helfen könne. Erst beim zweiten Briefverkehr kam eine persönliche Nachricht zurück, in der er Frau Brandenburger nahelegte, sich den Vorstellungen des Vermieters zu unterwerfen", sagt Anwalt Müller. Trotz mehrfacher Nachfrage des Tagesspiegels war Carsten Spallek nicht für eine Stellungnahme zu erreichen.

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