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Vater lernt mit Kindern zu Hause.

© Eric Baradat/AFP

Zwischen Homeoffice und Homeschooling: Eltern berichten, wie der Unterricht zu Hause funktioniert - oder scheitert

Seilspringen, Heulanfälle und Online-lernen. In manchen Familien funktioniert das Homeschooling gut, in anderen gar nicht.

Wir hatten unsere Leser dazu aufgerufen, uns von ihren Homeschooling-Erfahrungen zu berichten. Hier sind zunächst drei Berichte. Wir haben sehr viele Zuschriften bekommen und werden diesen Text hier fortlaufend aktualisieren.

EIN PERMANENTES E-MAIL-RAUSCHEN

„Wir haben drei Kinder: Zwillinge in der vierten Klasse und das dritte Kind in der ersten Klasse. Alle besuchen dieselbe Ganztagsschule. Als die Schulschließung beschlossen wurde, waren wir selbst bereits im Corona-Homeoffice. Es wurden jede Menge Informationen und Hausaufgaben per Email versandt.

Teilweise mehrmals täglich. Bei drei Kindern sorgt das für ein permanentes Rauschen. Es gab keine einheitlichen Prozesse, was Kommunikationskanäle, Tools oder sonstige Materialien angeht. Unterrichtsmaterial wurde eingescannt oder abfotografiert, sodass es einem beim Ausdrucken im Nu den Toner leer lutscht. Trotz mangelnder Infrastruktur wurde dennoch erwartet, dass täglich Tagebucheinträge und Hausaufgaben eingereicht werden.

Blinder Aktivismus

In blindem Aktivismus versuchten die Lehrer, kreativ zu sein und Aufgaben zu stellen, wie: „Schnapp dir ein Springseil und zähle, wie oft du ohne Unterbrechung springen kannst.“ Zu gerne hätte ich geantwortet: „Super! Können Sie dann bitte zählen, wie viele Vasen und Kronleuchter dabei zu Bruch gehen und wie viele blaue Augen die Geschwister davontragen?

Denn wir leben in einer Stadtwohnung, arbeiten gerade den ganzen Tag von zu Hause, verbringen die meiste Zeit des Tages in Video-Calls und es herrschen Ausgangsbeschränkungen.“ Insgesamt hatte ich den Eindruck, dass die ganze Verantwortung von heute auf morgen auf die Eltern übertragen wurde.

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Es schien herzlich wenig Verständnis dafür zu herrschen, dass Eltern weiterhin arbeiten müssen. Es wurden nicht nur ein paar Hausaufgaben verteilt, sondern vielmehr erwartet, dass die Kinder in ungebremster Geschwindigkeit weiter dem Lehrplan folgen. Briefing oder Unterstützung für die Eltern gab es dabei nicht.

Kanäle und Tools vereinheitlichen? Keine Chance

Um ehrlich zu sein, erwarte ich von den Lehrern und Pädagogen, die in der aktuellen Situation nicht freigestellt sind, dass sie ihrem Bildungsauftrag weiterhin in vollem Umfang nachkommen. Genauso wie von mir erwartet wird, dass ich weiterhin meinen Job mache. Immerhin beziehen wir alle weiterhin unser volles Gehalt.

Eine einstündige Sprechstunde für die ganze Klasse pro Woche wird diesem Anspruch nicht gerecht. Ich habe Unterstützung angeboten, was Tools und Infrastruktur angeht, da die Pädagogen damit anscheinend überfordert sind, bin jedoch auf wenig Gegenliebe gestoßen.

Die Anfrage, ob sich die Schule eventuell über Prozesse, Tools und Kanäle einigen könne, damit die Eltern weniger Verwaltungsaufwand haben, wurde abgetan mit einem einfachen: „Dazu haben wir nicht die Möglichkeiten“.

Zwölf Stunden Aufwand täglich

Der Aufwand, den ich aktuell betreiben müsste, würde sich vermutlich um die vier Stunden pro Tag und Kind belaufen (also zwölf Stunden am Tag bei drei Kindern). Nach den ersten zwei Wochen und diversen hysterischen Heulanfällen der Kinder, die mit ihren Hausaufgaben nicht hinterherkommen und sich unter Druck gesetzt fühlen, habe ich beschlossen, Prioritäten zu setzen.

Für die Kinder ist dies ebenfalls eine extrem belastende Ausnahmesituation. Ihr normales Leben wurde pausiert und sie müssen sich plötzlich Sorgen darüber machen, ob Oma und Opa in Gefahr sind oder ob Mama und Papa sterben könnten, weil die ja auch schon irgendwie ein bisschen alt sind.

Reine Schikane

Mir ist es wichtiger, dass die Kinder glücklich und gesund sind, sich geborgen fühlen, wenigstens einmal am Tag kurz an die frische Luft kommen, gesunde Mahlzeiten gekocht bekommen und sich den Tag über mit sinnvollen Dingen beschäftigen. Das Letzte, was die Kinder jetzt brauchen, ist, von den Eltern angeschrien zu werden, wenn sie ihre Matheaufgaben nicht fertig bekommen.

Das Letzte, was die Eltern jetzt brauchen, ist, täglich Zusatzaufgaben wie Tagebucheinträge und gemalte Bildchen oder sonstige Beschäftigungstherapiemaßnahmen einscannen zu müssen. Ich bin mit meinen Kindern sehr ehrlich und sage: „Hey, ich weiß, dass du super malen kannst, und keiner zwingt dich, ein Tagebuch zu schreiben. Lass uns zusehen, dass wir die schriftliche Multiplikation weiter üben und dass die Grammatik sitzt.“

Wir werden dennoch einiges in den Osterferien nachholen müssen und wir werden nicht alles schaffen. Bei einigen Dingen werde ich mich auch weigern und sagen: „Nein. Das ist irrelevanter Blödsinn und reine Schikane und ich mache das nicht mit!“ Am Ende des Tages gibt es aber auch einige Lichtblicke.

Meine Kinder fangen an zu verstehen, was ich beruflich mache, sie lernen sehr viel dazu (fast zu viel) über Eigenverantwortung, Persönlichkeitsrechte, Pflichtbewusstsein, wie man Sauerteig ansetzt, den Unterschied zwischen Viren und Bakterien, die Wirtschaft, sozialen Zusammenhalt, welche Regierungschefs mit der Krise wie umgehen. Mein Fazit: Homeschooling funktioniert nicht.“ Sita Duken

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SKYPEN MIT DER LEHRERIN

„Meine Tochter geht in die 5. Klasse, keine Brennpunktschule, aber mit Sicherheit eine mit hohem Migrationsanteil und allen damit verbundenen Problemen. Unsere Klassenlehrerin hat vom ersten Tag der Schulschließung an ein top Online-Lernprogramm aus dem Boden gestampft, welches ich als beispielhaft bezeichnen würde.

Passend zum Stundenplan werden täglich für die jeweiligen Fächer diverse Aufgaben per E-Mail geschickt nebst zahlreichen auszudruckenden Arbeitsblättern (ohne Drucker können auch nur die Lösungen auf einem Extra-Blatt aufgeschrieben werden), passenden Links zu Lehrvideos und diversen Aufgaben in vorhandenen Arbeitsheften sowie auf verschiedenen Online-Lernplattformen, für die es am ersten Tag für jedes einzelne Kind Anmeldedaten gab.

Von 9 bis 13 Uhr ist die Lehrerin erreichbar

Mit der Bearbeitung der Aufgaben sind die Kinder täglich mehrere Stunden beschäftigt, viele sind dabei sicherlich auf Unterstützung angewiesen. Aber auch dafür gibt es eine Lösung: Täglich zwischen 9 und 13 Uhr ist die Klassenlehrerin über Skype direkt erreichbar (bis auf die Tage, an denen sie am Notprogramm an der Schule mitarbeitet - dann steht sie aber am Nachmittag zur Verfügung), um Fragen zu beantworten.

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Am Ende des Tages müssen die Eltern alle erledigten Aufgaben abfotografieren beziehungsweise die Arbeitsblätter einscannen und die Ergebnisse an die Klassenlehrerin senden oder alle bearbeiteten Materialien in der Schule hinterlegen. Die Arbeiten auf den Online-Lernplattformen kann sie dort selbst verfolgen.

Pünktlich am nächsten Morgen liegen dann die neuen Aufgaben im Postfach und der nächste Schultag am heimischen Schreibtisch beginnt. Sicherlich haben wir großes Glück, dass bis auf eins alle Hauptfächer von der Klassenlehrerin unterrichtet werden.

Maßgeschneidertes Tagesprogramm

In den anderen Fächern gab es am letzten Schultag „nur“ ein paar Arbeitsblätter oder eine größere Aufgabe, die während der Zeit der Schulschließung zu erledigen sind. Motivationstechnisch und auch lerntechnisch ist das mit dem maßgeschneiderten Tagesprogramm der Klassenlehrerin überhaupt nicht vergleichbar!

Es ist ihr gelungen, die Inhalte jedes einzelnen Schultags in handhabbare Pakete zu verwandeln, die online zugestellt und abgeholt werden. Aus meiner Sicht ist es sogar eine enorme Bereicherung für die Selbstständigkeit der Kinder, denn jeder kann Beginn, Tempo und Pausen der Arbeiten selbst bestimmen. Viele Arbeitsblätter gibt es sogar in verschiedenen Schwierigkeitsstufen, die selbst ausgewählt werden können.

Vokabeln lernen ist kein Problem mehr

Die Online-Plattformen erfreuen sich natürlich der größten Beliebtheit und sogar Vokabeln lernen ist plötzlich kein Problem mehr (und soll auf Wunsch der Kinder für die Zukunft so beibehalten werden). Das alles funktioniert aber nur, weil es die individuell passenden tagesaktuellen Aufgabenpakete gibt - ein reiner Hinweis auf digitale Lernprogramme oder irgendwelches Lernfernsehen wäre da überhaupt nicht zielführend!

Mein Fazit: Homeschooling kann mit dem entsprechenden Engagement von Lehrern und Eltern durchaus funktionieren und dieses Beispiel sollte Schule machen!“ Karin Berger

Täglich zwischen 9 und 13 Uhr ist die Lehrerin direkt per Skype erreichbar. (Symbolbild)
Täglich zwischen 9 und 13 Uhr ist die Lehrerin direkt per Skype erreichbar. (Symbolbild)

© imago images/photothek

DIE LEHRER GINGEN IN DIE OSTERFERIEN

„Unsere Tochter geht in die neunte Klasse eines Zehlendorfer Gymnasiums. Nachdem die Schulschließung von der Senatsverwaltung beschlossen wurde, hat die Rektorin uns Eltern per Mail darüber informiert, dass sie die Umsetzung des Unterrichts in dieser Zeit den jeweiligen Lehrern überließe. Eine Schul-Cloud oder ähnliches gibt es nicht.

Das führte dazu, dass die Schüler*innen mit einem Stapel Zettel oder ein paar Aufgaben per Mail sich selbst überlassen wurden. Die Lehrer schienen, in vorgezogene Ferien zu gehen. Drei Lehrer sahen es überhaupt nicht als notwendig an, Aufgaben zu verteilen. Darunter befanden sich zwei Hauptfächer mit jeweils drei Wochenstunden.

Nichtsdestotrotz startete unsere Tochter motiviert in die erste Woche des Homeschoolings. Sie hatte sich einen Stundenplan und eine To-Do-Liste mit allen geforderten Aufgaben erstellt. Zusätzlich machten wir einen Zeitplan, damit alles organisiert ablaufen konnte. Das klappte in der ersten Woche auch noch sehr gut.

 Drei Lehrer schickten gar keine Aufgaben

In der zweiten Woche ohne jeglichen Kontakt zu nur irgendeinem Lehrer der Schule, ließ die Motivation unserer Tochter merklich nach. Sie kam dann an den Punkt, dass sie in Mathematik die Aufgaben mit bekannten Themen fertig bearbeitet hatte, nun aber ein neues Thema gefordert war, welches sich die Schüler*innen vollständig selbst erarbeiten sollten.

Von der Lehrerin war keine Hilfe angeboten worden, weder ein Angebot einer Online-Erklär-Stunde, noch ein Hinweis auf ein erklärendes Lernvideo und ebenfalls kein Angebot, dass die Schüler*innen Fragen an sie richten könnten, falls der neue Stoff nicht verstanden würde. Die Schüler*innen waren also völlig auf sich gestellt. Wie hat sich die Lehrerin dies vorgestellt? Waren nun die Eltern gefragt?

Hätten wir nicht das Glück, dass aufgrund von Universitätsschließungen unser eigentlich auswärts studierender Sohn zur Zeit bei uns wohnt und er in seinem Studiengang als Mathetutor arbeitet, also viel Erfahrung im Erklären von Matheaufgaben hat, wäre es schwierig geworden, diese Aufgaben in Heimarbeit selbstständig zu lösen. Er setzte sich also mit seiner kleinen Schwester hin und erklärte ihr das neue Thema, was eigentlich die Aufgabe der Mathelehrerin gewesen wäre.

 Die Schüler wurden sich selbst überlassen

Nach knapp zwei Wochen waren immer noch keine Aufgaben in den noch fehlenden drei Fächern gestellt worden. Unsere Elternvertreterinnen wandten sich dann an die Spanischlehrerin. Auf diese Nachfrage hin, kam eine versuchte Rechtfertigung und eine Erklärung, dass  „…die SchülerInnen doch ihr Spanischbuch seit zwei Jahren kennen und doch dann im Prinzip darin weiterarbeiten können“. Das war‘s.

Und jeder kann sich vorstellen, wie unsere Tochter mit dieser „Aufgabenstellung“ freudig und motiviert ans Arbeiten ging! Von den anderen zwei noch ausstehenden Fächern waren immer noch keine Aufgaben gestellt worden.

Das Fazit dieser Homeschooling-Zeit ist jedenfalls für uns, dass man die Umsetzung des Unterrichts nicht ausschließlich in die Hände der jeweiligen Lehrkraft legen kann. Ein qualitativ gutes, für alle Schüler gleichermaßen hochwertiges Homeschooling kann nur unter professioneller Führung und Vorbereitung durch die Schulleitung funktionieren.“ (Die Mutter aus Zehlendorf will namentlich nicht genannt werden)

Die Schüler*innen wurden mit ein paar Zetteln sich selbst überlassen. (Symbolfoto)
Die Schüler*innen wurden mit ein paar Zetteln sich selbst überlassen. (Symbolfoto)

© Sebastian Gollnow/dpa

VIELE ELTERN MÜSSEN AUCH OHNE CORONA HOMESCHOOLING MACHEN

„Als Mutter von drei Kindern kann ich wohl gut mitreden, beim Thema Homeschooling. Zum einen, weil eines meiner Kinder noch hier bei uns zu Hause wohnt und zum anderen, weil unser Bildungssystem ja sowieso auf Homeschooling ausgerichtet ist.

Oder glauben Sie wirklich, dass die Eltern ohne Corona von Schulthemen befreit sind?

Wer nicht zu den Eltern, der Hälfte der Kinder gehört, die in der Lage sind, den Stoff im Unterricht zu verstehen und ihre Hausaufgaben selbstständig anzufertigen, braucht Eltern, die sich mit den Kindern an den Küchentisch setzen und den Stoff nacharbeiten, üben oder schlimmstenfalls sogar vollständig vermitteln.

Fragen Sie einmal Eltern von Hochbegabten, Legasthenikern oder Kindern mit ADS, Dyscalkulie oder allgemeiner Bocklosigkeit (beispielsweise bei den Pupertisten).

Glauben Sie wirklich, für solche Eltern oder den Nachhilfelehrer*innen ändert sich etwas, außer, dass es jetzt noch mehr ist? Leider gibt es immer solche und solche Schulen. Die Online-Kurse, die ich im Fernsehen sehe, sind bei uns leider noch nicht angekommen. Hier gibt es einen Zettel, auf dem irgendwelche kryptischen Kürzel stehen: AH S.30 - 63 oder LB S.54-62. Glücklich die Eltern, deren Kinder die Kürzel verstehen.

Die irische NUI (National University of Ireland) macht fröhlich weiter: da laufen Seminare, Vorlesungen und Klausuren (sic!) einfach online weiter und jede/r präsentiert auf Zoom, Teams oder whatever. Das wäre mal was, wenn wir durch Corona da hinkämen, oder?“ (R. Weisse)

Viele Familien haben keinen Computer

„Ich bin Lehrerin an einer Sekundarschule in Lichterfelde. Bei uns sieht das so aus: Wir haben ein elektronisches Klassenbuch (zum Glück!) und versenden darüber die Hausaufgaben. Oder auch nicht. Denn es gibt Kolleg*innen, die mit den digitalen Geräten und Programmen fremdeln, die schicken das dann per Mail. Immerhin.

Als Klassenlehrerin habe ich keinen Überblick, welcher Kollege was schickt. Nach der ersten Woche gab es schon einen Aufschrei der Eltern, dass das alles zu viel sei und überhaupt kämen die Aufgaben aus so vielen unterschiedlichen Kanälen, da seien sie total verwirrt. Verständlich.

Allerdings wurde unsererseits dann erst mal festgestellt, dass es durchaus nicht vermessen ist, dass Kinder drei Stunden am Tag was für die Schule machen. In der zweiten Woche haben meine Kollegin und ich alle Eltern der Klasse 7 angerufen. Schon bot sich ein noch viel differenzierteres Bild. Denn viele Eltern haben gar keinen PC oder Laptop, geschweige denn einen Drucker.

Die sehen die Hausaufgaben nur auf dem Handy. Da es zum Teil Arbeitsblätter sind, die wir geschickt hatten, war uns dann auch klar, warum der Rücklauf nur so sporadisch war. Wie soll ich das bewerten? Gar nicht.

 Von Videokonferenzen sind wir weit entfernt

Eltern haben zum Teil so große Sorgen um ihre Existenz oder arbeiten im Homeoffice oder in Schichten in der Pflege, dass sie gar keine Kraft haben, ihre Kinder zu überwachen bzw. ihnen zu helfen.

Es gibt natürlich Schüler*innnen , die uns fleißig ihre Ergebnisse schicken, die wir uns dann ansehen und sie loben und korrigieren. Aber von Videokonferenzen oder ähnlichem sind wir ganz weit entfernt.

Besonders schwierig ist die Situation unserer Integrationskinder, die sowieso schon Probleme beim Lernen haben. Da gibt es eben meist kein Elternhaus, das sie unterstützen kann.

Es ist frustrierend. Die Tatsache, dass die Digitalisierung der Schulen so lange verschleppt wurde, aber auch, dass an vielen Schulen das selbständige Lernen nicht wirklich gefördert wurde, fällt uns jetzt auf die Füße.“ (Die Lehrerin möchte anonym bleiben)

Auch ohne Corona sind die Eltern nicht von den Schulthemen befreit (Symbolbild).
Auch ohne Corona sind die Eltern nicht von den Schulthemen befreit (Symbolbild).

© Sebastian Gollnow/dpa

WIR HOFFEN, DASS DIE SCHULBEHÖRDE EINGREIFT

„Unsere Schule bietet leider keinerlei digitale Lernangebote. Die Lehrstoffvermittlung liegt komplett bei den Eltern. Arbeitsmaterialien werden per E-Mail zum Ausdrucken übersandt oder in einem Fach in der Schule hinterlegt. Erledigte Aufgaben werden zum Teil auch wieder im Schulfach „eingeliefert“.  

Wir hoffen sehr, dass die Schulbehörde verpflichtend für alle Schulen/Lehrer digitalen Unterricht einführt, die Lehrer dafür schult, ihnen kostenlose Laptops und Software zur Verfügung stellt. Andere Schulen spiegeln bereits die kompletten Unterrichtsstunden digital in einer Art Webinarformat und arbeiten erfolgreich mit Google Classroom oder Microsoft Teams für eLearning in Verbindung mit Office 365.

Die Schüler haben Office 365 Lizenzen von der Schule erhalten. Bedürftige sollten Laptops kostenlos vom Staat erhalten. Wir hoffen sehr, dass die Digitalisierung der Schulen jetzt schnell Fahrt aufnimmt!“ (Dirk Wischnewski)

Einige Schulen bieten keinerlei digitale Lernangebote.
Einige Schulen bieten keinerlei digitale Lernangebote.

© Sebastian Gollnow/dpa

WIR SPÜREN DAS ENGAGEMENT

„Beim Thema Homeschooling möchte ich an erster Stelle unserer Lehrerin danken für deren Einsatz. Wir spüren ihr Engagement und ihren Willen, für die Kinder und die Familien da zu sein.

In der praktischen Erfahrung finde ich vor allem eines anstrengend: Die berufliche Belastung und die Kinderbetreuung/Homeschooling unter einen Hut zu bringen.

Ich wünschte mir wirklich mehr Entgegenkommen der Arbeitgeber – wo dies finanziell möglich ist. Bei der Aussage, dass jeder quasi eins zu eins seinen Büro-Job von zu Hause leisten muss, fühle ich nicht ausreichend Entgegenkommen und Unterstützung. JEDER mit Kindern zu Hause weiß, dass das schlichtweg unmöglich ist.

Die Zeit für die Kinder, die ich sowohl für die schulischen Aufgaben bräuchte als auch für eine Förderung darüber hinaus (gemeinsam spielen, draußen spielen, gemeinsam Zeitung/Nachrichten lesen und diskutieren) – diese Zeit ist einfach nicht da. Und gleichzeitig ist auch für den Job nie genug Zeit da. Das empfinde ich als sehr aufreibend.“ (Christine G.)

Beruf und die Betreuung der Kinder unter einen Hut zu bekommen wird bei geschlossenen Schulen für viele Eltern zur Doppelbelastung.
Beruf und die Betreuung der Kinder unter einen Hut zu bekommen wird bei geschlossenen Schulen für viele Eltern zur Doppelbelastung.

© Klaus-Dietmar Gabbert/dpa-Zentralbild/dpa

LEHRER GEBEN MORALISCHE ENTLASTUNG

„Ich bin Alleinerziehende einer 8-jährigen Tochter, die die 2.Klasse einer Grundschule besucht. Ohne Entgegenkommen meines Chefs und moralische Entlastung der Schulleiterin und Klassenlehrerin würde ich scheitern. Und so sieht mein Tagesablauf von Montag bis Freitag aus:

6.30-8.30 Uhr: Homeoffice.

8.30-9.00 Uhr: Frühstück mit der Tochter.

9:00-12:00 Uhr: Homeschooling nach dem regulären Stundenplan (ohne Hofpausen).

12:00-13:00 Uhr: gemeinsames Mittagessen.

13:00-18:00 Uhr: bleibt meine Tochter sich selber überlassen und ich arbeite im Homeoffice.

18:00-20:00 Uhr: gemeinsames Abendessen, lesen, ins Bett bringen.

Ab 20:30 Uhr: Homeoffice.

Glücklicherweise darf ich meine Arbeit tagsüber unterbrechen, um meine Tochter zu unterrichten. Die Schulleiterin und die Klassenlehrerin schreiben unterstützend, dass wir Eltern es nicht schaffen können, die Lehrkraft zu ersetzen. 

Wir müssen nichts Neues vermitteln; das bereits Gelernte zu wiederholen und zu verfestigen, sei ausreichend. Das entlastet mich sehr. Ich bin froh, dass meine Tochter erst in der 2. Klasse ist und ich dem Unterrichtsstoff intellektuell gewachsen bin. 

Wir beide freuen uns auf jedes Wochenende und auf die baldigen Osterferien. Ich befürchte, dass wir beide (!) diesen Rhythmus noch bis zu den Sommerferien beibehalten müssen und die Schule nicht am 20.4. wieder öffnet." (Annika Stübe)

Das Lernen zu Hause kann den Schulunterricht nicht ersetzen. (Symbolbild)
Das Lernen zu Hause kann den Schulunterricht nicht ersetzen. (Symbolbild)

© SEBASTIEN BOZON / AFP

MEINE TOCHTER HAT KEINE LUST

„Unsere Tochter (7 Jahre) ist in der 2. Klasse einer Grundschule in Pankow. Es gab wie jeden Tag Theater bezüglich der Hausaufgaben. Sie hat nämlich keine Lust...

Für jüngere Kinder ist es schwer, zu verstehen, dass derzeit keine Corona Ferien stattfinden und man nicht den ganzen Tag spielen kann - wo Mama und Papa doch auch zu Hause sind (Konzept Home Office wird nicht ernst genommen- vor allem, dass es da eben auch feste Arbeitszeiten gibt) und der kleine Bruder ja auch spielen darf.

Das Wichtigste ist eine Tagesstruktur mit regelmäßigen Zeiten für Hausaufgaben. Problem: ist in der Praxis oft nicht durchsetzbar, wenn beide Elternteile parallel in der Telefonkonferenz sind o.ä..

Für jüngere Kinder ist es oft schwer, zu verstehen, dass derzeit keine Corona-Ferien stattfinden. 
Für jüngere Kinder ist es oft schwer, zu verstehen, dass derzeit keine Corona-Ferien stattfinden. 

© IMAGO

Arbeitsblätter erfreuen sich keiner Beliebtheit. Heute kam allerdings ein Anruf von der Klassenlehrerin mit dem Zugangscode für das Lernprogramm Anton. Das war ein Erfolg - plötzlich wollte Madame nur noch damit lernen. Geht doch!

Dennoch: die aktuelle Situation ist für Kinder genauso surreal. Sie merken die eigene Anspannung, Genervtheit - das ist keine entspannte Atmosphäre, in der Lernen und Hausaufgaben leicht gelingen (und in der man sich auch selbst gut auf seine Arbeit konzentrieren könnte). Fazit: es geht, weil es gehen muss. Ein langer Bürotag wäre aber gerade ein echtes Wellnesserlebnis dagegen....

Und natürlich haben Schule und Kita auch eine soziale Funktion: die Kinder vermissen ihre Freunde. Das kann auch keine Whatsapp-Telefonie oder kein digitales Lernprogramm ersetzen.“ (Agnes Lorenz)

VON DER SCHULE HÖREN WIR NICHTS

„Einfach ist die Situation nicht. Zwar können meine Frau und ich beide kein Homeoffice machen, aber ich konnte meine Arbeitszeit, die normalerweise zwischen 9.30 und 18.00 Uhr liegt auf 14.30-21.00 Uhr verschieben und so täglich auch zwei Überstunden abbauen.

Unsere Tochter (10, 4. Klasse) bleibt etwa von 14.00 bis 16.00 Uhr allein zu Hause, bevor dann ihre Mutter nach Hause kommt. Das Homeschooling teilen wir uns - ich bin für Mathe und Englisch zuständig, meine Frau für Deutsch und Sachkunde. Das Positive an dieser Situation ist, dass ich nun täglich koche, was ich normalerweise meistens nur am Wochenende schaffe.

Davor dann halt Mathe. Das geht soweit ganz gut, auch wenn die Beziehung Vater-Tochter leider manchmal dazu führt, dass ich meine Tochter anmeckere, weil sie gerade nicht weiß, wie eine Aufgabe geht, obwohl sie vor zehn Minuten drei Aufgaben der gleichen Art problemlos gerechnet hat... Das wird in der Schule vermutlich anders sein, aber die Geduld eines Lehrers haben Eltern sicher meistens eher nicht, leider.

Ansonsten keine weiteren Infos

Leider höre ich von der Schule praktisch nichts. Zwar bin ich Elternvertreter der Klasse und bekomme so von Zeit zu Zeit eine Email von der Gesamtelternvertreterin, die gerade mit allgemeineren Infos und Angeboten der Schulsozialarbeiterin versorgt wurde. Ansonsten aber leider nichts. Unsere Tochter hat am letzten Tag viele Aufgaben bekommen, die wir jetzt abarbeiten, deren Gesamtumfang aber bei weitem nicht dem normalen täglichen Unterrichtspensum entspricht.

Ansonsten keine weiteren Infos, keine Email-Adresse oder Telefonnummer von einer der Lehrerinnen der Klasse. Dabei höre und lese ich so viel von anderen Schulen, wo die Schüler per Email Nachschub bekommen oder Fragen stellen können, auch Videochats soll es anderswo geben.

Bei unserer Schule leider nur auf der Homepage ein Verweis auf den Lernraum Berlin - nur dafür müsste natürlich ein Lehrer einen Kurs anlegen, in den sich dann die Schüler / Eltern einloggen könnten.

Sicher ist das alles außergewöhnlich und es wird auch Lehrer geben, die sich jetzt auch um ihre eigenen Kinder kümmern müssen. Aber wir müssen ja auch arbeiten UND uns um unsere Kinder kümmern UND mit ihnen die Schulaufgaben machen. Mein Eindruck ist leider, dass sich die Lehrer abgesehen von der Sozialarbeiterin das Leben momentan ziemlich einfach machen, schließlich sind die Lehrer ja nicht auf Kurzarbeit. Ich bin gespannt wie es weitergeht, falls die Schulen auch nach den Osterferien noch geschlossen bleiben sollten.“ (Stephan Kaphengst)

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