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Der Literaturkritiker Denis Scheck

© picture alliance / Rolf Vennenbe / Rolf Vennenbernd

Druckfrisch: Abstoßende Splatterprosa hier, feministisch-kulinarische Späße dort

Literaturkritiker Denis Scheck bespricht einmal monatlich die „Spiegel“-Bestsellerliste, abwechselnd Belletristik und Sachbuch – parallel zu seiner ARD-Sendung „Druckfrisch“ (nächste Sendung 29. Januar, 23 Uhr 35, Gäste Ana Marwan, Hernan Diaz).

Stand:

10.) Charlotte Link: Einsame Nacht (Blanvalet, 562 S., 25 €)
Genauso wenig wie ich verstehe, wieso die in ihrer absurden Fadheit absolut ungenießbaren Bratwürstchen als Bestandteil des traditionellen englischen Frühstücks nicht längst ausgestorben sind, genauso unerklärlich ist mir der anhaltende Erfolg der mindestens ebenso faden pseudo-britischen Krimis der deutschen Autorin Charlotte Link. Das gilt auch für diesen um den Fall eines gefolterten Jugendlichen, der noch viele Jahre später im Wachkoma liegt.

9.) Tommy Jaud: Komm zu nix (Scherz, 208 S., 15 €)
Geschmacklos, das sind auch diese bemüht humorigen Dönnekes aus dem Alltag eines notorischen Prokrastinierers: vorhersehbare Witzeleien über Steuerprüfungen, Genderkapriolen und die Größe von Frauenparkplätzen. Am Ende findet der Erzähler einen Beleg über seinen ersten Witz für die RTL Comedy-Show „Samstag Nacht“ aus den frühen neunziger Jahren. Leider ist Tommy Jaud auf diesem Niveau stehengeblieben. Wirklich nicht lustig.

8.) Ewald Arenz: Die Liebe an miesen Tagen (DuMont, 384 S., 24 €)
Der schönste Dialog in diesem bemerkenswerten Liebesroman lautet: „Es gibt Dinge, die verlieren ihre Faszination nie. Feuer. Fließendes Wasser oder das Meer. Der Sternenhimmel in solchen Nächten. „Frisch gebackenes Brot“, sagte Clara. „Wein. Sex.“ Ewald Arenz verfügt über verblüffende Menschenkenntnis, über ein feines Gespür für die Dramen des Alltags – und über eine Sprache, die auch große Gefühle und das Erschrecken darüber auszudrücken vermag. Ein schönes Buch über die Liebe unter Erwachsenen.

Man kann verzweifelt sein und trotzdem poetisch.“

Ferdinand von Schirach

7.) Arno Geiger: Das glückliche Geheimnis (Hanser, 240 S., 25 €)
Spannend und berührend erzählt Arno Geiger in diesem ungewöhnlichen und ungewöhnlich intimen Roman von seinem jahrzehntelangen Doppeleben als Autor und Altpapiersammler: „Handschriftlich Geschriebenes verschwand fast zur Gänze, ich wohnte dem allmählichen Untergang einer Kultur bei. Die Kinder wurden dicker. Autos wurden dicker (…) Die Liebesromane wurden von Jahr zu Jahr weniger, die Kriminalromane von Jahr zu Jahr mehr.“ Ein Erkenntnisblitz von einem Buch!

6.) Ferdinand von Schirach: Nachmittage (Luchterhand, 175 S., 22 €)
Ebenso wehmütige wie weltläufige Geschichten über mörderische Uhrmacher, geniale Pianistinnen oder gestürzte Radfahrer, erzählt im Plauderton, angesiedelt zwischen Paris und Pamplona, Marrakesch und Venetien. Was verbindet diese Geschichten? Von Schirachs Erkenntnis: „Man kann verzweifelt sein und trotzdem poetisch.“

5.) Colleen Hoover: It starts with us – nur noch einmal und für immer (Deutsch von Katarina Ganslandt und Anja Galić, dtv, 352 S., 20 €)
Eine öde Dreiecksgeschichte über eine Frau, die in ihrer Ehe Gewalt erfahren hat und nun ihre Jugendliebe wiedertrifft. Leider fragt die Autorin nie nach den gesellschaftlichen Ursachen für destruktive Männlichkeit, so dass am Ende nur eine Schmonzette steht.

4.) Mariana Leky: Kummer aller Art (DuMont, 172 S., 22 €)
Mariana Leky führt in ihrer süffigen Kolumnensammlung hochpräzise Vermessungen menschlichen Elends durch, tröstet aber durch die Einsicht, dass der Schritt von der niedlichen Marotte zur bedrückenden Zwangsvorstellung oft recht klein ist. 

3.) Sebastian Fitzek: Mimik (Droemer, 384 S., 24 €)
Diese zutiefst deprimierende Splatterprosa unterliegt einer hanebüchenen Dramaturgie, getragen von abstrus unglaubwürdigen Figuren, deren nicht nachvollziehbare Handlungen in abstoßende Gewaltorgien münden: also alles wie immer bei Sebastian Fitzek.

2.) Bonnie Garmus: Eine Frage der Chemie (Deutsch von Klaus Timmermann und Ulrike Wasel, Piper, 464 S., 22 €)
Dass Unterhaltungsliteratur durchaus Tiefgang aufweisen und mit Esprit glänzen kann, beweist dieses herausragende Erstlingswerk über eine Chemikerin, die eine unverhoffte Karriere als Fernsehköchin macht. Ein großer feministisch-kulinarischer Spaß.

1.) Dörte Hansen: Zur See (Penguin, 256 S., 24 €)
Warum träumen so viele von einem Leben auf einer Insel? „Alle Inseln ziehen Menschen an, die Wunden haben, Ausschläge auf Haut und Seele“, schreibt Dörte Hansen in ihrem rühmenswerten Roman, in dem sie ohne jede Effekthascherei am Beispiel einer Fischerfamilie von den Schönheiten und Schattenseiten des Lebens auf einer Nordseeinsel erzählt. Gut möglich, dass mancher nach der Lektüre seinen Traum vom Haus am Meer begräbt – oder sich im Gegenteil denkt: jetzt erst recht!

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