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Wegen Beihilfe zu tausendfachem Mord verurteilt: Frühere KZ-Sekretärin Furchner im Alter von 99 Jahren gestorben
Irmgard Furchner soll bereits im Januar verstorben sein. Ihre Verurteilung 2022 hatte großes Aufsehen erregt, weil ihr keine direkte Beteiligung an den Morden nachgewiesen werden konnte.
Stand:
Die ehemalige KZ-Sekretärin Irmgard Furchner ist im Januar 2025 im Alter von 99 Jahren gestorben. Ein Sprecher des Landgerichts und Staatsanwaltschaft Itzehoe bestätigte dem „Spiegel“, dass Furchner bereits am 14. Januar verstorben war. Sie war Ende 2022 wegen Beihilfe zum Mord in über 10.000 Fällen zu einer zweijährigen Jugendstrafe auf Bewährung verurteilt worden.
Im Herbst 2021 hatte sich der Prozessbeginn gegen F. verzögert, weil sie vor dem ersten Termin von ihrem Seniorenheim nach Hamburg geflüchtet war. Das Gericht ließ die damals 96-Jährige für fünf Tage in Untersuchungshaft nehmen.
Zu Beginn ihrer Arbeit war sie 18 Jahre alt. Zwischen 1943 und 1945 arbeitete sie als Sekretärin des Lagerkommandanten im Konzentrationslager Stutthof. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass sie mit ihrer Büroarbeit – etwa durch das Abwickeln von Deportationslisten und Materialbestellungen für Zyklon B – zur Tötungsmaschinerie beitrug. Zwar war sie nicht unmittelbar an Gewaltverbrechen beteiligt, doch sie habe das Lager „mit am Laufen gehalten“. Der Bundesgerichtshof bestätigte das Urteil im August 2024. Damit wurde das Urteil zu einem Präzedenzfall.
Durch ihre Arbeit habe sie den Verantwortlichen des Konzentrationslagers bei der systematischen Tötung von Inhaftierten Hilfe geleistet. Auch unterstützende Tätigkeiten könnten rechtlich als Beihilfe zum Mord angesehen werden. Irmgard F. habe durch ihre Dienstbereitschaft sowohl physische als auch psychische Beihilfe geleitet, erklärte der Bundesgerichtshof.
Keine neutrale Arbeit als Sekretärin
Die Bundesrichter gingen aufgrund der Feststellungen des Landgerichts Itzehoe davon aus, dass Irmgard F. sehr genau über das Geschehen im Lager Bescheid wusste. Sie blickte demnach von ihrem Arbeitsplatz über einen Teil des Geländes, sah den Schornstein des Krematoriums, wusste um den elenden Zustand der Gefangenen.
Die Sekretärin habe zudem von Beginn ihrer Tätigkeit an erkannt, dass die Haupttäter um Lagerkommandant Hoppe verbrecherisch handelten. Durch ihre treuen Dienste habe sie sich mit ihnen solidarisiert, sodass ihre Handlungen nicht mehr neutral gewesen seien.
Der Sekretärin wurde die Tötung von Häftlingen durch die lebensfeindlichen Bedingungen in dem Lager, bei Todestransporten sowie in einer Gaskammer angelastet. Im KZ Stutthof und seinen 39 Außenlagern waren nach Angaben des Dokumentationszentrums Arolsen Archives zwischen 1939 und 1945 etwa 110.000 Menschen aus 28 Ländern inhaftiert. Fast 65.000 wurden getötet. (Trf, dpa)
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