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Eine Frau hält ihre Hände vor das Gesicht.

© dpa/Fabian Sommer

Update

BKA registriert 266.000 Opfer: So viel häusliche Gewalt gemeldet wie noch nie in Deutschland

Statistisch betrachtet wurde einem Bericht zufolge 2024 etwa alle zwei Minuten ein Mensch misshandelt. Betroffen sind meist Frauen. Die Justizministerin kündigt Maßnahmen für 2026 an.

Stand:

Es sind erschreckende Daten: Die Zahl der registrierten Opfer häuslicher Gewalt in Deutschland hat einem Medienbericht zufolge 2024 einen neuen Höchststand erreicht. Das schreibt die „Welt am Sonntag“ („WamS“) auf Grundlage von Angaben des Bundeskriminalamts (BKA).

Demnach waren im vergangenen Jahr insgesamt 265.942 Menschen offiziell betroffen. Statistisch betrachtet wurde in der Bundesrepublik somit etwa alle zwei Minuten ein Mensch von seinem Partner, Ex-Partner oder einem nahen Verwandten misshandelt.

Der Anstieg habe gegenüber dem Jahr zuvor bei rund 3,7 Prozent gelegen, berichtet das Blatt unter Berufung auf die BKA-Daten weiter. In den vergangenen fünf Jahren hatte die häusliche Gewalt den BKA-Zahlen zufolge um fast 14 Prozent zugenommen. Experten gehen von einer Dunkelziffer aus, weil nicht alle Fälle gemeldet werden.

73
Prozent der Opfer häuslicher Gewalt sind Frauen.

Von häuslicher Gewalt ist immer dann die Rede, wenn es sich um Personen handelt, die in einer partnerschaftlichen Beziehung zueinander sind oder waren oder wenn sich die Gewalt in der Familie abspielt, beziehungsweise eine familiäre Beziehung besteht.

Justizministerin Hubig setzt auf elektronische Fußfessel ab 2026

Besonders im Fokus steht dabei die Gewalt, die von Partnern oder Ex-Partnern verübt wird. Diese betrifft die meisten Fälle. Hierbei gab es dem Bericht zufolge 2024 knapp 171.100 Fälle – 1,9 Prozent mehr als 2023. Bei der innerfamiliären Gewalt registrierte das BKA 94.873 Betroffene – 7,3 Prozent mehr als im vergangenen Jahr. Rund 73 Prozent der Opfer häuslicher Gewalt sind demnach Frauen.

Um etwa Frauen besser vor gewalttätigen Partnern zu schützen, plant Bundesjustizministerin Stefanie Hubig (SPD) eine Regelung mit elektronischen Fußfesseln nach dem sogenannten spanischen Modell.

In Spanien werden keine festen Verbotszonen, etwa der Wohnort oder der Arbeitsplatz der Betroffenen, überwacht. Stattdessen ist der Abstand zwischen Täter und Opfer maßgeblich: Das Opfer trägt eine GPS-Einheit – befindet sich der Täter mit der Fußfessel absichtlich oder unabsichtlich in der Nähe, wird bei der Polizei Alarm ausgelöst und das Opfer erhält einen Warnhinweis.

Nach dem Sommer werde sie einen Gesetzentwurf vorlegen, kündigte Hubig in der „Süddeutschen Zeitung“ an. „Familiengerichte können dann nach dem Gewaltschutzgesetz die Anordnung treffen, dass Täter – also beispielsweise Männer, die ihre Ex-Partnerin schlagen oder bedrohen – eine elektronische Fußfessel tragen müssen. Den Opfern wird es offengelassen, ob sie selbst ein Empfangsgerät bei sich führen wollen oder nicht.“

Stefanie Hubig (SPD), Bundesministerin der Justiz und für Verbraucherschutz, gibt ein Interview.

© dpa/Michael Kappeler

Zum Zeitplan sagte Hubig: „Realistisch ist, dass wir damit im Laufe des nächsten Jahres anfangen können.“ Wenn das Gesetz verabschiedet sei, müssten die Länder es noch in die Praxis umsetzen, diese seien schon an den Vorbereitungen. 

Das Familienministerium teilte der „WamS“ mit, der Anstieg häuslicher Gewalt könne auf eine Zunahme der Gewaltbereitschaft „im Lichte gesellschaftlicher Krisen und persönlicher Herausforderungen“ zurückzuführen sein. Möglich sei aber auch eine gewachsene Anzeigebereitschaft.

Im Februar hatte der Bundesrat – nach dem Bundestag – einem Gesetz für einen besseren Schutz von Opfern zugestimmt. Damit werden die Länder dazu verpflichtet, ausreichend Schutz- und Beratungsangebote zu schaffen. Sie erhalten dafür vom Bund zwischen 2027 und 2036 insgesamt 2,6 Milliarden Euro. 

Der Rechtsanspruch auf kostenlosen Schutz und Beratung soll ab 1. Januar 2032 greifen. Bislang konnten Betroffene von häuslicher oder geschlechtsspezifischer Gewalt nur darauf hoffen, dass ihnen geholfen wird und genügend Kapazitäten, etwa in Frauenhäusern, vorhanden sind.

Notwendig sind auch effektive aus EU-Mitteln geförderte Maßnahmen zur Prävention ebenso wie groß angelegte Kampagnen und Bildungsarbeit.

Jasmina Hostert, frauenpolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion

Die frauenpolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion, Jasmina Hostert, forderte die Ratifizierung und vollständige Anwendung der Istanbul-Konvention in allen EU-Mitgliedstaaten. Die Istanbul-Konvention ist ein völkerrechtlicher Vertrag, mit dem auch Deutschland sich verpflichtete, zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen festgeschriebene Maßnahmen umzusetzen.

„Notwendig sind auch effektive aus EU-Mitteln geförderte Maßnahmen zur Prävention ebenso wie groß angelegte Kampagnen und Bildungsarbeit“, sagte Hostert.

Die Grünen erklärten, bei Gewalt gegen Frauen handele es sich nicht um „Familiendramen“, sondern um „patriarchale Gewalt“. „Es braucht mehr Präventions- und Täterarbeit, schnelle Verfahren, verpflichtende Schulungen von Polizei und Justiz“, sagte die frauenpolitische Sprecherin der Grünen, Ulle Schauws, der Zeitung.

Die Linke forderte Reformen beim Sorge- und Umgangsrecht. „Denn häufig nutzen gewalttätige Ex-Partner das Sorge- oder Umgangsrecht, um weiter Kontrolle über ihre Ex-Partnerinnen auszuüben“, sagte die frauenpolitische Sprecherin der Linken, Kathrin Gebel. (lem)

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