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Causa Rammstein: Landgericht Hamburg untersagt Shelby Lynn manche Behauptungen im Fall Till Lindemann
Eine junge Nordirin hatte mit Anschuldigungen Empörung gegen den Musiker ausgelöst und eine umfangreiche Berichterstattung. Einige Aussagen darf sie nun nicht wiederholen, andere schon.
Stand:
Die Behauptungen einer jungen Frau aus Nordirland brachten Till Lindemann, weltweit bekannter Frontmann der Rockband Rammstein, in Bedrängnis und beschäftigten die Staatsanwaltschaft. Jetzt hat die deutsche Justiz ein Urteil im Hauptverfahren gefällt: Das Landgericht Hamburg hat Shelby Lynn drei konkrete Aussagen verboten, zwei andere darf sie weiter tätigen.
Die Frau, eine Influencerin, hatte in sozialen Netzwerken behauptet, dass sie am 22. Mai 2023 auf einem Rammstein-Konzert in Vilnius bei einer Party der Band „gespiked“, also unter Drogen gesetzt worden sei. Sie habe auch den Verdacht geäußert, im Zustand der Bewusstlosigkeit körperlich misshandelt worden zu sein, schreibt Lindemanns Anwalt. Ihr Vorwurf richtete sich allerdings nie explizit gegen den heute 62-jährigen Lindemann. Dieser hatte im Juni 2023 bereits vergeblich beantragt, eine einstweilige Verfügung gegen mehrere Aussagen der damals 24-Jährigen zu erlassen.
Die Entscheidung ist deshalb von besonderer Bedeutung, weil fast die gesamte Medienberichterstattung ab Juni 2023 an den nunmehr verbotenen Vorwürfen von Shelby Lynn angeknüpft hatte.
Simon Bergmann, Anwalt von Till Linemann, in einer Erklärung
Lynns Anschuldigungen lösten eine weltweite Empörungswelle aus und rückten Lindemann in den Fokus der MeToo-Bewegung. Zudem entfachten sie eine breite Debatte über Machtmissbrauch, Sexismus und Umgangsformen in der Musikbranche.
Diverse Medien berichteten über den Verdacht, der Rammstein-Sänger habe Frauen bei Konzerten mithilfe von K.-o.-Tropfen betäubt oder betäuben lassen, um sexuelle Handlungen an ihnen vornehmen zu können, teilte Lindemanns Anwalt Simon Bergmann in einer auf der Plattform X verbreiteten Erklärung mit.

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Das Landgericht begründet dem Anwalt zufolge das Verbot damit, dass es sich bei den Äußerungen um prozessual unwahre Tatsachenbehauptungen handele. Da die Behauptungen ehrverletzend seien, treffe Lynn die Darlegungs- und Beweislast für die Richtigkeit ihrer Aussagen. Dieser sei sie nicht nachgekommen. Auch die persönliche Anhörung von Lynn im Verhandlungstermin vom 22. August 2025 habe nicht zu einer anderen Überzeugung des Gerichts geführt. „Damit wurden Shelby Lynn nun die schwersten Vorwürfe gegenüber unserem Mandaten und der Band ,Rammstein’ gerichtlich verboten“.
Um welche Vorwürfe geht es genau? Folgende konkrete Aussagen sind durch das Urteil vom 24. Oktober 2025 nicht mehr erlaubt, wie der Anwalt weiter mitteilte:
- „I was spiked by Rammstein at pre party“ („Ich wurde von Rammstein auf der Pre-Party gespiked“)
- „The girl that got spiked by Rammstein“ („Das Mädchen, das von Rammstein gespiked wurde“)
- „SOMEBODY on Rammstein crew spiked me and many other girls“ („IRGENDJEMAND aus der Rammstein Crew hat mich und viele andere Mädchen gespiked“)“
Wie die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ unter Berufung auf das Landgericht schreibt, führt die Kammer als Begründung an, dass Lindemann als Sänger und Gesicht von Rammstein von den Aussagen betroffen sei. Das gelte auch für die Formulierung „JEMAND von der Rammstein-Crew“, da Band und Frontmann „auch die Verhaltensweisen von untergeordneten Mitarbeitern von der Öffentlichkeit zugerechnet“ würden.
Weiterhin verbreiten darf Lynn dem Bericht zufolge jedoch zwei andere Aussagen:
- „The girl that got spiked AT Rammstein“ („Das Mädchen, das BEI Rammstein gespiked wurde“)
- „I was spiked at the concert, only had 2 drinks at pre party. And Till gave everybody a tequila shot. I don’t know when this happened or how.“ („Ich wurde bei dem Konzert gespiked, ich hatte nur zwei Drinks bei einer Pre-Party. Und Till gab jedem einen Tequila-Shot. Ich weiß nicht, wann oder wie das passiert ist.“)
Dem Bericht zufolge wertete das Gericht dies als „Schlussfolgerungen aus unstreitigen Tatsachen“. Dabei handele es sich um eine wertende Äußerung, Lynns Meinungsfreiheit überwiege. Der entscheidende Unterschied zu den untersagten Aussagen sei, dass Lynn nicht behaupte, zu wissen, wer sie „gespiked“ habe. Für die Kammer besteht demnach ein „großer Unterschied“ zwischen der Behauptung, man wurde während („at“) eines Konzerts der Band oder von („by“) der Band unter Drogen gesetzt. Für ihre Schlussfolgerung habe Lynn „entsprechende Anknüpfungstatsachen vorgetragen“.
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Lindemann muss dem Bericht zufolge zwei Fünftel der Kosten des Verfahrens tragen, Lynn drei Fünftel.
Lindemanns Anwalt wertete das Urteil als Erfolg: „Die Entscheidung ist deshalb von besonderer Bedeutung, weil fast die gesamte Medienberichterstattung ab Juni 2023 an den nunmehr verbotenen Vorwürfen von Shelby Lynn angeknüpft hatte. Gegen diese Berichterstattung mussten wir für unseren Mandanten in zahlreichen Verfahren ebenfalls gerichtlich vorgehen. Diese Verfahren gingen fast ausnahmslos erfolgreich zugunsten unseres Mandanten aus“, heißt es in der Erklärung von Bergmann.
Shelby Lynn äußert sich in Erklärung
Lynns Rechtsanwalt Jasper Prigge schreibt in einer Erklärung: „Die besondere Bedeutung des Verfahrens liegt darin, dass Shelby Lynn im Kern weiter darüber sprechen darf, dass sie bei dem Konzert ‚gespiked‘ wurde. Mehrere Beiträge in sozialen Netzwerken, in denen sie dies tat, wurden von Lindemann erfolglos gerichtlich angegriffen.“ Auch von ihrer eigenen Wahrnehmung wie Gedächtnislücken dürfe sie weiterhin berichten.
Die nun vom Landgericht Hamburg beanstandeten Aussagen habe Lynn „lediglich kurz nach dem Konzert und unter dem frischen Eindruck der Erlebnisse in Vilnius veröffentlicht, sie waren aber nur kurze Zeit online“.
Lynn selbst wird in der Erklärung des Anwalts mit den Worten zitiert: „Die Gedächtnislücken während des Konzerts sind für mich nicht anders zu erklären, als dadurch, dass mir etwas in das Getränk gemischt wurde. Wie das geschehen ist, weiß ich nicht. Ich weiß aber, was ich erlebt habe. Dass ich darüber weiter sprechen darf, ist für mich sehr wichtig“.
Till Lindemann startete gerade Solo-Tour
Lindemann hatte die von Lynn sowie anderen Frauen in Berichten anonym erhobenen Vorwürfe stets zurückgewiesen. Im August 2023 stellte die Staatsanwaltschaft Berlin ein Ermittlungsverfahren gegen ihn wegen Vorwürfen aus dem Bereich der Sexualdelikte und der Abgabe von Betäubungsmitteln mangels hinreichenden Tatverdachts ein.
Lindemanns Casting-System
Allerdings deckten Medien 2023 ein Casting-System auf, mit dem Lindemann im Umfeld von Konzerten junge Frauen für sexuelle Handlungen zugeführt wurden.
Lindemann startete am vergangenen Mittwoch gerade eine Reihe von Auftritten ohne die Band Rammstein. Zum Auftakt seiner Solo-Tournee „Meine Welt“ spielte er vor mehr als 10.000 Menschen in der Leipziger Quarterback Arena. Die Tour führt durch Deutschlands und Europas größte Städte und zum Abschluss im Januar nach Australien. Eine Einladung Lindemanns als Gast zum Leipziger Opernball am 25. Oktober hatte Proteste ausgelöst.
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