
© zdf / Foto: ZDF/ARTE/Thomas Wildner
Der Nordic-Noir-Krimi erreicht die Faröer-Inseln: Der Atlantik bleibt tief
Die Serie „Trom - Tödliche Klippen“ erfüllt die Vorgaben des Genres, mehr schaffen die sechs Folgen aber nicht.
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Der Lückenschluss war fällig. Nachdem Grönland mit „Thin Ice“ und Island mit „Trapped“ auf der Nordic-Noir-Karte verzeichnet waren, werden jetzt die Faröer Inseln zum Schauplatz. Jógvan Isaksen hat mit seinen Krimi-Bestsellern die Vorlagen geliefert. „Trom – Tödliche Klippen“ will dreierlei sein: ein Panorama atemberaubender Natur, ein spannender Mordfall und ein tiefer Einblick in die Inselgesellschaft der Faröer.
Berauschende Naturkulisse
Was die Kamera von Thomas Wildner in den sechs Folgen insbesondere bei den Autofahrten einfängt, vermittelt viel von der Wildheit der meerumtosten Landschaft, ihren Herausforderungen für die Einwohner, gerade wenn sie im Haupterwerb der Insel, der Fischerei, arbeiten.
Fischerei bedeutet auch Walfang. Umweltaktivistin Sonja (Helena Heðinsdóttir) macht sich mit ihrem Engagement dagegen viele Feinde. Zusammen mit ihrem Kollegen Páll ((Dánjal á Neystabø) ist sie auf brisante Informationen gestoßen. Kurz darauf hat Páll einen mysteriösen Autounfall und wird schwer verletzt. War es ein Anschlag? Sonja ist alarmiert und bringt ihre Tochter zu ihrer Mutter. Von Kommissarin Karla Mohr (Maria Rich) fühlt sie sich im Stich gelassen.
Sonja verschwindet. Auch der investigative Journalist Hannis Martinsson (Ulrich Thomsen) will die junge Frau finden. Die hatte ihm ein Handyvideo geschickt und ihm dabei eröffnet, dass er ihr Vater sei. Martinsson kommt auf die Insel – doch noch bevor er seine Tochter überhaupt kennenlernen kann, findet er im Meer ihre Leiche. Unfall, Suizid, Mord – die Polizei will zunächst nichts ausschließen. Martinsson findet heraus, dass seine Tochter illegale Machenschaften in einer Fischfabrik aufgedeckt hatte und öffentlich machen wollte. Karla Mohr macht inzwischen eine ähnlich erschreckend, gleichwohl ganz andere Entdeckung: Ihr Sohn Gunnar (Magnus Reinert Gásadal) könnte etwas mit Sonjas Tod zu tun haben. Informationen dazu behält sie für sich.
Auch Ragnar i Rong (Olaf Johannessen) kommt ins Spiel, denn Sonjas Recherchen führen zu dem reichen „Inselkönig“. Auch er hat einen Sohn, Trygvi (Brandur Teitsson), Freund von Gunnar und offenbar in Sonjas Verschwinden verstrickt.
Damit ist der Plot eröffnet: Zunehmend weiß niemand mehr, wem er noch trauen kann, die familiären Ingredienzen überlagern die professionellen, Mütter und Söhne, Väter und Söhne, Mütter und Töchter, Väter und Töchter – kaum eine familiäre Bindung, die nicht hineinspielt in den Mordfall.
Die Regie von Kasper Barfoed sucht beide Ebenen spannend und nahbar zu inszenieren – die Fahndung und den Taumel der Irrungen und Wirrungen in den Beziehungen. Und die Lösung im Mordfall zeigt, dass es nur eine erste ist. Der überraschende Cliffhanger lässt Protagonisten und Zuschauer mit einer Frage zurück, die nur eine zweite Staffel beantworten kann.
Die dänisch-deutsch-isländisch-färöische Koproduktion, die zwischen den Genres Krimi und Drama changiert, ist beim Fernsehfestival in Monte Carlo 2022 mit einem Spezialpreis der Jury sowie mit der Goldenen Nymphe für Ulrich Thomsen als besten Darsteller ausgezeichnet worden. Das mit dem Preis für Thomsen geht klar, er hat seine Figur so fest-überzeugend im Griff wie Karla Mohr ihre Polizistin. Im Abstand dazu fasern die Figuren aus, vor allem Gunnar und Tiedje als eindimensionale Sohn-Figuren gezeichnet und gespielt. Mehr Genauigkeit und Individualität wären auch beim bösen Kapitalisten Ragnar i Rong angebracht. Raue See, raue Sitten, raue Menschen ist ein überstrapaziertes Schnittmuster.
Das ist auf hohem Niveau gemeckert, die angeführten Nordic-Noir-Krimis haben die Messlatte eben so hoch gelegt, wie der Atlantik tief ist.
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