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Eine Mutter über ihren Umgang mit Social Media: Mein Sohn bekommt kein Smartphone, bevor er 14 ist
Alle Kinder in der Klasse von Juliana Jakubeks zehnjährigem Sohn haben ein Smartphone. Sie selbst hält Social Media für Kinder und Jugendliche für zu gefährlich.
Stand:
Ich hatte es meinem ältesten Sohn schon versprochen: Er würde ein Smartphone bekommen, sobald er mit zehn Jahren ins Gymnasium kommt. Schließlich haben praktisch alle Kinder ab dieser Schulstufe eines. Das sehe ich täglich, wenn ich in Wien mit dem öffentlichen Verkehr unterwegs bin. Ich wollte nicht, dass mein Sohn ausgeschlossen wird.
Smartphones beenden die Kindheit
Wir waren schon dabei, ein Smartphone für ihn auszusuchen. Doch dann stolperte ich über Studien, in denen beschrieben wurde, was diese Geräte mit Kindern machen. Viele Studien. Daraufhin führte ich mit meinem Mann mehrere abendfüllende Diskussionen. Wir kamen beide zu dem Schluss: Das möchten wir für unsere vier Kinder nicht, bevor sie mindestens 14 Jahre alt sind.
Smartphones für Kinder sind wie ein Experiment – und zwar ohne Schutzkonzept. Schon heute weiß man: Sie schaden der Gehirnentwicklung. Die Geräte fördern sozialen Stress und Konzentrationsprobleme.
Viele Kinder bewegen sich laut Studien ungeschützt im Internet. Die Gefahr ist groß, dass sie Videos oder Bilder sehen, die nicht für ihr Alter gedacht sind. Die Geräte hemmen auch die Kreativität und den Spieltrieb. Sie beenden quasi die Kindheit.
Ich weiß, Eltern meinen es nicht böse, wenn sie ihrem Kind ein Smartphone schenken. Sie sind sich der Gefahren nicht bewusst. Ihnen fehlt die Erfahrung, da sie ohne aufgewachsen sind. Ich glaube, dass die heutigen Zehnjährigen deshalb die am stärksten gefährdete Smartphone-Generation sind.
Ich bin 1996 geboren und viel jünger als die Eltern der Klassenkameraden meines Sohnes. Vielleicht machen Leute in meinem Alter es besser, wenn sie einmal Schulkinder haben. Meine Generation kannte zwar noch Tastenhandys, doch mit zwölf oder 13 Jahren hatten die meisten von uns ein Smartphone.
350.000 Follower auf Instagram
Dieser abrupte Übergang war ein Schock für uns. Niemand war darauf vorbereitet und es gab keine Regulierungen. Plötzlich waren wir ständig erreichbar, konnten von überall aus Videos sehen, und wir verglichen unsere Bilder in den sozialen Medien. Dort war es wichtig, wer am meisten Likes hatte. Das setzte uns unter Druck und hat sich nicht gut angefühlt. Als Teenager reagiert man viel sensibler.
Dass ich heute als Influencerin mein Geld verdiene und auf Instagram fast 350.000 Follower habe, mag widersprüchlich erscheinen. Doch über diesen Kanal erreiche ich viel mehr Eltern mit meinen Themen als im „echten Leben“.
Ich bin gelernte Kindergartenpädagogin und Familienbegleiterin. Bereits seit vielen Jahren präsentiere ich in den sozialen Medien Spiel- und Bastelideen. So ist mein Kanal gewachsen. Doch man findet darauf auch Erziehungstipps sowie Beiträge über Pädagogik, Kinderschutz und Mediennutzung.
Gemischte Reaktionen
In einem Instagram-Video sprach ich darüber, dass mein Sohn kein Smartphone hat – die Reaktionen waren gemischt. Einige Follower waren ganz meiner Meinung. Andere kritisierten, dass ich meinen Sohn ausgrenze. Es sei nun mal real, dass die Kinder in den Pausen zockten und in der Freizeit chatteten. Verbote bewirkten eher das Gegenteil, meinten sie – Smartphones würden dadurch noch reizvoller.
Und: Dank Kinderschutzeinstellungen könne man gut kontrollieren, was der Nachwuchs auf dem Smartphone mache. Das sei doch besser, als wenn er auf fremden Geräten schlimme Inhalte konsumiere.
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Diese Argumente überzeugen mich nicht. Es ist ein Unterschied, ob ein Kind mal zehn Minuten auf ein fremdes Handy oder die ganze Zeit auf sein eigenes Gerät schaut. Auch schaffen es Kinder problemlos, die ganzen Schutzeinstellungen zu umgehen. Mein Sohn hat mir kürzlich erklärt, wie das geht, obwohl er kein Smartphone hat.
Und was den Reiz des Verbotenen angeht: Ich lasse meinen Sohn doch auch keinen Alkohol trinken, um diesen für ihn weniger reizvoll zu machen. Wir Eltern müssen nun mal Dinge verbieten, um unsere Kinder zu schützen.
Klar, mein Zehnjähriger war zuerst sehr traurig, als wir ihm sagten, dass er noch ein paar Jahre auf sein erstes Smartphone warten müsse. Schließlich hatte er fest damit gerechnet. Doch wir erklärten ihm, warum dieses Gerät nicht gut für ihn ist. Er hat verstanden, dass im Internet viele Gefahren lauern und Mobbing in WhatsApp-Gruppen ein großes Problem ist.
Mit 19 das erste Smartphone
Wir sagten ihm auch, dass er vielleicht nicht mehr so Lust auf Legospielen und Basteln habe, wenn er ein Smartphone besitze. Dieses Argument hat ihn letztlich überzeugt.
Gemobbt wird er deswegen in seiner Klasse nicht. Im Gegenteil. Er hat viele Freunde, und wenn sie ihn fragen, erklärt er ihnen, warum seine Eltern gegen ein Smartphone sind.
„Warte ab. Das kannst du nicht durchziehen, bis er 14 ist“, wird mir oft gesagt. Doch, kann ich.
Ich habe sechs jüngere Geschwister im Alter zwischen fünf und 19 Jahren. Auch sie wachsen ohne Smartphone auf und sie vermissen nichts. Meine 19-jährige Schwester hat sich erst vor einigen Monaten ihr erstes gekauft.
Auch für Straftäter erreichbar
Glücklicherweise sind Smartphones in österreichischen Schulen verboten – auch während der Pausen. Dafür sind sie in der Freizeit und auf dem Heimweg umso präsenter. Klar, mit einem Smartphone können Kinder ihre Eltern von unterwegs kontaktieren, falls etwas sein sollte. Das Thema Sicherheit ist ja für viele ein Kaufargument.
Nur vergessen sie, dass das Kind nicht nur für die Eltern, sondern auch für Straftäter oder pädophile Netzwerke erreichbar ist. Im Internet lauern viel mehr Gefahren als auf dem Schulweg.
Unser zehnjähriger Sohn kann uns von unterwegs übrigens jederzeit anrufen. Er hat ein altes Tastenhandy. Dort hat er die Nummern seiner Freunde eingespeichert, damit er mit ihnen in Kontakt bleiben kann. Vielleicht nicht in Echtzeit wie mit einem Smartphone. Doch kein Kind muss ständig erreichbar sein.
Unter Aufsicht ans Tablet
Wir wurden wegen unserer Einstellung schon als hinterwäldlerisch bezeichnet, als ob wir keine Medien nutzen würden. Dabei dürfen unsere Kinder ausgewählte Fernsehsendungen sehen und Videogames spielen.
Wir lassen unseren Sohn auch mal unter unserer Aufsicht etwas auf unserem Smartphone oder Tablet recherchieren. Uns ist nur einfach wichtig, dass unsere Kinder passende Inhalte konsumieren und nichts, was sie traumatisieren könnte.
Smartphones stören auch die Bindung zwischen Eltern und ihren Kindern. Sie reden dadurch weniger miteinander. Ich beobachte oft, wie Kinder und Eltern in der U-Bahn oder im Restaurant sitzen und alle in ihre Geräte vertieft sind.
Neulich fuhr unser Sohn mit seiner Klasse für mehrere Tage weg. Mein Mann brachte ihn zur Busstation. Unser Sohn war der Einzige, der vom Bus aus den Eltern draußen zuwinkte. Die anderen Kinder starrten nur auf ihre Smartphones. Das ist doch traurig.
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