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© Mike Wolff

ALTERNATIVEN ZUM ALKOHOL: Flüssiges für die Trockenzeit

Am Aschermittwoch beginnt für viele das Fasten. Zum Glück gibt’s Milch, Fidschi-Wasser, Hagebuttentee.

Es wird ein Wein sein, und wir wer’n nimmer sein. So heißt es im Wienerlied. Inzwischen ist es eher umgekehrt: Es darf kein Wein sein, schon gar nicht zum Essen. Die Leute müssen arbeiten oder Auto fahren, sie achten auf ihre Linie oder nehmen Medikamente, sie sind trockene Alkoholiker oder schwanger. Was aber trinkt man zu einem guten Essen, wenn man weder Wein noch Bier trinken kann oder will? Einige Vorschläge zum Beginn der Fastenzeit.

SÄFTE
Mit sortenreinen Obstsäften ist man schon mal auf der sicheren Seite. Romana Echensperger, Chef-Sommelière im Grandhotel Schloss Bensberg in Bergisch Gladbach, empfiehlt zum Fleisch Holundersaft, „zu herberen Gerichten wie Kabeljau oder Kalbsfuß passt gut Quittensaft“. Jeden Abend hat sie mindestens zwei Gäste, die keinen Alkohol trinken wollen, mittags sowieso. Apfelsaft eigne sich wegen seiner Säure zu Vorspeisen, herb-fruchtiger Johannisbeersaft sei ein guter Ersatz für Rotwein. Tabu ist für Echensperger Fruchtsaft aus Konzentrat. „Der ist eindimensional und pappsüß.“ Ebenfalls ungeeignet: frisch gepresster Orangensaft. Es sei denn, man will ein Säureattentat auf sein Menü verüben.
Wer trinkt sie: Leute, die alles richtig machen wollen.

TEE
Tee ist der neue Wein. Waren die raffiniertesten Teemischungen früher Vanille-, Yogi- oder Frauentee, kann man in Deutschland heute tausende Tees kaufen, schwarz, rot, grün und weiß, Sorten wie Nilgiri, Oolong, Gyokuro, Matcha, Yunnan oder Lung Ching. Und erst das Vokabular, das sich Kenner um die Ohren hauen können. First oder second Flush? Dimbula-Distrikt oder doch Südhang Himalaya? Für Menschen, die im Restaurant Wein bestellen, weil sie sonst kein Gesprächsthema hätten, ist Tee die ideale Alternative. Zumal sich fast zu jedem Essen ein passender Tee findet, Assam oder Darjeeling zum Fleisch, Jasmintee zum Fisch, Früchtetees zum Dessert.
Wer trinkt ihn: Leute, die abwarten können.

MINERALWASSER
Es gab Zeiten, da war Wassertrinken behördlich verboten. Im Münster des 17. Jahrhunderts etwa: Das Wasser war dreckig und verseucht, der Wein dafür so billig, dass man damit den Mörtel gemischt hat. Heute wird Wasser in Flaschen abgefüllt, die wie Parfümflakons oder Kristallvasen aussehen. Es wird auf den Fidschi-Inseln („Fiji“) gewonnen oder bei Vollmond abgefüllt („Aqua Luna“), und es ist so teuer, dass man sich wundert, warum Mörtel nicht wieder mit Wein angerührt wird. In vielen Spitzenrestaurants gibt es inzwischen eigene Wasserkarten. Die im Berliner „First Floor“, wo Gunnar Tietz, Sommelier des Jahres 2008, tätig ist, listet 34 verschiedene Mineralwassersorten auf, aus Norwegen, Argentinien, Neuseeland oder Südafrika. Sommelière Echensperger kann damit wenig anfangen. „Fiji-Wasser um den halben Globus zu transportieren, ist absurd.“ Vorsicht: Wasser aus Flaschen könnte ökologisch bald so pfui sein wie Sportwagen und Billigflieger.
Wer trinkt es: Flaschenfetischisten, die Wasser predigen und Wasser trinken.

BIONADE
Wer zum Essen Limonade serviert, besitzt entweder eine Fastfood-Kette oder ist ein besonders abgebrühter Anhänger der Molekularküche. Allerdings gibt es durchaus Spitzenrestaurants, in denen schon mal über Bionade nachgedacht wird. Die Küchenchefs des „Zum alde Gott“ in Neuweier könnten sich zu einem Sorbet etwa die Litschi-Variante vorstellen, ihrer milden Süße wegen. Den David-gegen-Goliath-Effekt gibt es gratis dazu. Eine deutsche Firma, die den Coca-Cola-Konzern abblitzen ließ und trotzdem erfolgreich ist – Bionade ist Konjunkturpaket zum Trinken.
Wer trinkt sie: Leute, die Flaschenwassertrinkern ihren ökologischen Fußabdruck vorhalten.

ESSIG
Ja, Essig kann man trinken. Natürlich nicht den Salatessig vom Discounter, sondern spezielle Trinkessige. Ursula Heinzelmann, gelernte Sommelière und Autorin, empfiehlt etwa die gereiften Essige vom Doktorenhof. Sie werden aus edelsüßen Weinen gemacht, die viel Zucker enthalten. Der mildert die Säure des Essigs und ergänzt sie gleichzeitig. Trinkessig passt an den Anfang und an das Ende einer Mahlzeit. Mit Mineralwasser zu einem Aperitif gemixt, ist er Ersatz für Sherry oder Champagner.
Wer trinkt ihn: Nur wer nicht daran denken muss, dass auch Jesus am Kreuz einst Essig gereicht wurde.

ALKOHOLFREIER WEIN
Zum Rausch gehört der Kater wie die Schuld zur Sühne. Saufen und dabei nüchtern bleiben wollen – das ist eine Anmaßung. Die Strafe dafür ist der Geschmack von alkoholfreiem Wein. Er changiert zwischen vergorener Apfelschorle und süß-säuerlichem Nichts. Alkohol ist ein Geschmacksträger, und was in dem aufwendigen Destillationsverfahren davon wegfällt, muss durch Zucker wieder gutgemacht werden. Unbegreiflicherweise werden in Deutschland trotzdem jedes Jahr 15 Millionen Liter an alkoholfreiem Wein und Sekt hergestellt, ein Teil davon geht in den arabischen Raum.
Wer trinkt ihn: Alle, die auch an fettfreier Pizza und Sahnetorte light Gefallen finden.

MILCH
Ein Steak, dazu ein Glas Vollmilch – diese Kombination hatten ganze Generationen vor Augen, wenn es darum ging, groß und stark zu werden. Heute sagen Experten, dass Milch gar kein Getränk, sondern ein Nahrungsmittel ist. Trotzdem: Kalte Milch zum Essen hat schon etwas. Zu süßen Aufläufen oder zu Torten und Kuchen. Oder zu sämigen Suppen.
Wer trinkt sie: Kinder, Kätzchen.

APFELSCHORLE
Auf dem Tischchen des schlimmen Friederich aus dem „Struwwelpeter“ stehen Wurst, Kuchen und eine Flasche Wein. Heute würde da Apfelschorle stehen, das Getränk, auf das sich alle einigen können, vom Kleinkind bis zum Greis. Schmeckt nach etwas, ist aber auch nicht zu intensiv, passt sommers wie winters. Genau wie die Farbe Beige. Und genauso langweilig ist Apfelschorle auch.
Wer trinkt sie: Leute, die einen über den Durst trinken wollen.

KAFFEE
Kaffee zum Essen – da fühlt man sich gleich wie in einem amerikanischen Diner, in dem dralle Kellnerinnen dafür sorgen, dass der Filterkaffee niemals versiegt. Kaffee ist das Getränk des Wirtschaftswunders, eines Wohlstands, den sich alle leisten können. Durch das Aufkommen von Latte Macchiato und Co. wurde Kaffee zum Luxusprodukt, der demokratische Filterkaffee, den alle zu jeder Gelegenheit in sich hineinschütten konnten, ist eine aussterbende Spezies wie Vollbeschäftigung und sichere Renten. Nur in Skandinavien ist, wie so oft, die Welt noch in Ordnung. Hier leben auch die Weltmeister des Kaffeekonsums: Die Finnen trinken durchschnittlich neun Tassen am Tag.
Wer trinkt ihn: Bewohner noch funktionierender Sozialstaaten.

LEITUNGSWASSER
In Italien oder Frankreich steht eine Karaffe Wasser auf dem Tisch, im Wiener Kaffeehaus bringt der Ober ungefragt ein Glas. Inzwischen hat das Leitungswasser auch Eingang in die gehobene Gastronomie gefunden. Berlin kann sofort den Hahn aufdrehen: Das Leitungswasser hat im Vergleichstest unter 270 deutschen Städten mit mehr als 40 000 Einwohnern die Note „Gut plus“ erhalten.
Wer trinkt es: Familien, die sich vor dem Essen an den Händen nehmen und im Chor „Guten Appetit“ sagen.

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