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Schreibers Debüt erschien 2018 unter dem Titel: „Bilder als Waffen. Die ikonische Ästhetisierung der neuen Kriege“.

© Juliane Marie Schreiber

Tagesspiegel Plus

Gegen den Optimismus-Fetisch: „Schimpfen ist großartig!“ 

Positives Denken bringt uns nicht weiter, erklärt Autorin Juliane Marie Schreiber. Stattdessen wäre es in manchen Situationen hilfreicher, laut „Fuck! FUCK!“ zu rufen.

Jedes Leid eine Lektion, jede Krise eine Chance und der Überfall auf die Ukraine gut für die Energiewende? Quatsch!, sagt die Autorin Juliane Marie Schreiber. In ihrem neuen Buch „Ich möchte lieber nicht“ wehrt sie sich gegen die Diktatur des Optimismus – und lobt Wut, Neid und das explosive Wörtchen „Fuck“.

Frau Schreiber, Sie beschreiben in Ihrem Buch einen Zwang, den viele kennen: den Zwang, ständig positiv, optimistisch und gut gelaunt zu sein.
Ja, glücklich sein ist zum Fetisch geworden: Duschbäder, Ratgeber, Apps, Coaches und vor allem die Werbung drängen uns dazu, andauernd positiv zu sein. Dazu gehört auch, Scheitern als Chance zu begreifen und aus jeder Niederlage und aus jedem Schnupfen etwas zu lernen.

Mit dem russischen Überfall auf die Ukraine hat sich das geändert. So richtig hoffnungsfroh ist seitdem ja kaum noch jemand. Beobachten Sie in der aktuellen Situation trotzdem einen aus Ihrer Sicht unnötigen Optimismus?
Die Situation ist furchtbar. Doch selbst jetzt gibt es schon wieder einige, die fast zwanghaft das Positive am Krieg sehen wollen, zum Beispiel die Chance einer schnellen Energiewende. Dieser Reflex zeigt unsere Obsession, jedes Leid umzudeuten zu wollen. Wir können es nicht aushalten, wenn etwas einfach nur schlimm ist, und müssen es immer „produktiv“ drehen. Doch am Krieg gibt es nichts Gutes. Und die weltweite Rezession, die jetzt folgen kann, könnte eine Energiewende eher erschweren.

Wir leben in einer Zeit der erdrückenden Gleichzeitigkeit der Dinge. Alles passiert parallel: Die einen genießen den Urlaub, die anderen kauern im Luftschutzbunker. 

Juliane Marie Schreiber

In den sozialen Medien hat sich der Ton dennoch geändert: Anders, als Sie in Ihrem Buch behaupten, stellen viele ihr Glück zur Zeit nicht mehr zur Schau. Ist das schon das Ende des Optimismuszwangs?
Wir leben in einer Zeit der erdrückenden Gleichzeitigkeit der Dinge. Alles passiert parallel: das größte Glück und das schlimmste Leid. Die einen genießen den Urlaub, die anderen kauern im Luftschutzbunker. In den Feeds der sozialen Medien taucht das unterschiedslos nacheinander auf.

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