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Das Hotel war der erste Neubau in der Nachkriegszeit in Westberlin.

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Hotelkolumne: In fremden Federn: Individualität am Lützowplatz

Jeder Berliner kann hier sein eigenes Zimmer gestalten: eine Wand mit Fotos seiner Lieblingsorte, dazu ein Brief.

Der Lützowplatz ist selbst bei wohlwollender Betrachtung nichts als eine Brache mit Baustelle. Im vergangenen Herbst erst wurden fast alle seine Bäume gefällt, um das größte Regenrückhaltebecken der Stadt nicht zu gefährden. Und die Betonberge ringsum sind gewiss schon vor Jahrzehnten in einen geheimen Wettbewerb um den Titel des hässlichsten Bauwerks der Stadt eingetreten.

Theodor Wolff, Adolf Menzel oder Carl Andreas Julius Bolle, die hier einmal lebten, würden ihren Platz nicht wiedererkennen. Bolle ließ die Kühe seiner Meierei darauf grasen. Aber Herkules vertrieb sie. Der große Herkulesbrunnen des Ludwig Hoffmann zentrierte ab 1903 den Platz, er gehörte zur Kindheit Walter Benjamins, der gleich um die Ecke in der Kurfürstenstraße wohnte.

Rundum standen Bürgerhäuser, die intellektuelle Avantgarde Berlins zog es an den Lützowplatz, leider ist er auch mitverantwortlich für die politische Karriere Adolf Hitlers. Als Österreicher hätte er hier nichts werden können, am 25. Februar 1932 erhielt er in der Braunschweiger Gesandtschaft hinter der Nummer 11 die deutsche Staatsbürgerschaft. 13 Jahre später war vom Platz fast nichts mehr übrig.

Erster Hotelneubau Westberlins nach dem Krieg

Dann kam das Hotel „Berlin“, der erste Hotelneubau West-Berlins nach dem Krieg. Vor genau 60 Jahren, 1958, wurde es fertig. „Wir waren das Hotel Berlin in Berlin“, sagt Horst Wikgolm, einer der dienstältesten Mitarbeiter. Es klingt vieles darin: Zu uns kamen sie alle, wir waren ein gesellschaftlicher Mittelpunkt der Stadt!

Der älteste Flügel des Hotels, in typischer Nachkriegsarchitektur, steht heute unter Denkmalschutz, drei andere kamen hinzu. Es ist demnach ein ganzes Hotelviertel. Leider haben andere ihm den Namen gestohlen, darum hat es ihn einfach verdoppelt: „Hotel Berlin, Berlin“.

Von außen strahlt das Haus eine gewisse gesichtslose Kühle aus, sodass sein Slogan „Stay individual“ schon etwas ironisch wirkt. Aber von innen! Zum Jubiläum wird das ganze Hotel saniert, der Sauna- und Fitnessbereich braucht keinen Vergleich zu scheuen, und was dem Platz an Eigenart, an Individualität fehlt, haben die Zimmer. Jeder Berliner kann hier sein eigenes gestalten: eine Wand mit Fotos seiner Lieblingsorte, dazu ein Brief. Ich hab’ noch ein Zimmer in Berlin! Rund 200 von 500 sind nach wie vor zu vergeben (Aktion: youmeandberlin.com). Mag sein, der Lützowplatz ist eher eine terra incognita als ein Platz, aber er ist der ideale Ausgangspunkt. Mit drei Schritten ist man am Wittenbergplatz, mit zweien im Tiergarten, kurz: in der ganzen Stadt.

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