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Keine Angst vorm Mikrofon: Zehn Tipps für einen rauschenden Karaoke-Abend
Wer sich überwindet, wird belohnt: Karaoke bietet eine Flut von Glückshormonen, die süchtig machen kann. Wir erklären, wie man sie garantiert bekommt.
Stand:
Die Weltlage ist katastrophal, die Erde brennt, Schokolade wird immer teurer. Wir sind uns wohl einig: Alles ist schlimm. Aber wenn man minutenlang so laut brüllen würde, wie es der Situation angemessen wäre, beschwert sich wieder die Nachbarschaft.
Da empfiehlt sich eine sozial akzeptierte Form des Brüllens: Karaoke. Man kann sich herrlich abreagieren, es ist gesünder als Drogen, ungefährlicher als Tempo 300 auf der Autobahn – und man muss nicht mal singen können. Trotzdem scheuen sich viele Menschen, eine Karaoke-Bühne zu betreten.
Es lohnt sich, diese Scheu zu überwinden. Denn wer die größten Hemmungen hatte, geht danach oft ekstatisch nach Hause. Innerlich befreit. Nur ein paar Dinge sollte man dabei beachten.
1 Geh mit den richtigen Leuten hin
Das gilt ja eigentlich für alles im Leben. Aber nur beim Karaoke findet eine ganze Nation es völlig normal, mit Geschäftspartner:innen zu gehen. Oder mit dem ganzen Team, inklusive Chef:in. Japan mag Karaoke erfunden haben – hier liegt es einfach falsch. Wer Spaß haben will, geht mit Leuten, vor denen man nicht am nächsten Tag im Meeting den Kater verbergen muss. Wenn sie zudem partytauglich sind und wie man selbst gesanglich eher mittelmäßig begabt: perfekt.

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2 Finde den sweet spot
Die meisten Menschen brauchen ein paar Bier oder Gin Tonics, um ans Mikrofon zu treten. (Es handelt sich hier um anekdotische Evidenz, aber das Weinangebot in Karaokeschuppen ist eher nicht zu empfehlen.) Man muss nur den richtigen Pegel finden und halten – denn Achtung: Alkohol entspannt die Muskulatur. Das betrifft auch die zwei Muskeln im Hals, die Tonhöhe und Lautstärke der Stimme regeln. Wie es klingt, wenn jemand über die kaum noch Kontrolle hat, haben wir alle schon mal gehört.
Hinderlich ist auch der Verlust der Urteilsfähigkeit, der ab einem gewissen Punkt eintritt. Im jüngst erschienenen Buch „Völlig losgelöst“ von Andreas Neuenkirchen, einer kleinen Kulturgeschichte des Karaoke, erwähnt der Autor gleich mehrere tragische Todesfälle: In Malaysia wollte 2007 ein Mann das Mikrofon nicht mehr aus der Hand geben und überlebte die anschließende Schlägerei nicht. 2013 wurde ein amerikanischer Tourist in Thailand erstochen, weil er lieber selbst singen wollte, statt der Band zuzuhören. Es handelt sich hier um bedauerliche Einzelfälle. Dennoch gilt: Niemand mag Leute, die besoffen das Mikro nicht mehr hergeben.
3 Sing einen richtigen Hit
Der perfekte Karaoke-Song ist einer, den alle irgendwie kennen, ohne bereits genervt von ihm zu sein. Das schließt „Summer of ’69“, „I Will Survive“ und „Sweet Home Alabama“ aus. Ideal ist die zweite Reihe: wurde mal als Single ausgekoppelt, toppte aber nicht die Jahrescharts. Also eher „Heaven“ von Bryan Adams oder „Can’t Take My Eyes Off You“ von Gloria Gaynor, um bei diesen Künstler:innen zu bleiben.
Theoretisch kannst du natürlich auch was völlig Obskures singen. Du darfst dich dann nur nicht wundern, wenn keiner zuhört. Deine eigene Liebe zu Björk muss reichen, um dich dreieinhalb Minuten durch die Performance zu tragen, während die anderen die Gelegenheit nutzen, die Toilette aufzusuchen.
4 Such dir eine Sache, mit der du dich sicher fühlst
Kannst du null singen, aber passabel rappen? Mach das doch. Kannst du beides nicht, aber dafür tanzen? Auch gut. Oder wenigstens einigermaßen Luftgitarre? Super, dann „sing“ eben „Paradise City“ und hüpf bei einem wilden und ausgesprochen langen Gitarrensolo über die Bühne. Du kannst nichts von alldem? Lies weiter beim nächsten Tipp.

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5 Nicht jede:r ist Mariah Carey
Das gilt nicht nur für Normalos, sondern auch für Musikstars. Ein Glück! Denn dadurch gibt es ein paar Songs, bei denen es nicht auffällt, wenn du nicht singen kannst. Die Sportfreunde Stiller zum Beispiel können es ebenso wenig wie du. Beim frühen Herbert Grönemeyer und bei Bob Dylan kann man über die Gesangsdarbietungen zumindest streiten. Nur ein Beispiel, bitte sing nichts von Bob Dylan.
6 Denk nie, dass du ein Lied eh auswendig kennst
Klar kam das oft im Radio. Und immer haben alle mitgesungen. Und der Text wird ja auf dem Bildschirm angezeigt, also kann das jeder aus dem Stand singen, richtig? Mit dieser Annahme liegt man überraschend häufig falsch. Manchmal fällt einem das schon nach fünf Sekunden auf, weil der Refrain zwar super sitzt, aber die Strophe nicht. „Gold“ von Spandau Ballet ist so ein Klassiker. Bei „Durch den Monsun“ läuft es manchmal prima bis zur Bridge, und plötzlich gucken sich alle nur noch ratlos an. In „Wannabe“ gibt es einen Rap, der schnell genug ist, dass Ungeübte leicht aus der Kurve fliegen.
Spontaneität bei der Songauswahl ist trotzdem gut! Man sollte nur das Risiko kennen, damit man nicht mittendrin peinlich berührt von der Bühne flieht. Notfalls kann man immer noch lächelnd dem Publikum das Mikro hinhalten und hoffen, dass sich da jemand auskennt.
7 Vergiss deinen Perfektionismus
Selbst die Stars, von denen du denkst, dass sie fantastisch singen, nutzen Autotune. Manche brauchen es mehr, andere weniger. Es gibt online Rohmaterial von Konzerten, das man sich vor dem eigenen Auftritt ruhig mal anhören kann. Dann relativiert sich der eigene Perfektionismus ganz schnell. Exemplarisch sei hier der denkwürdige Auftritt von Madonna beim Eurovision Song Contest 2019 genannt, der später stark überarbeitet auf ihrem eigenen YouTube-Channel erschien. Den direkten Vergleich zeigt dieses Video:
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8 Verbieg dich nicht
Beim Karaoke singt man schnell viel zu laut. Vor allem, wenn man Töne zu erreichen versucht, die außerhalb der eigenen Komfortzone liegen. Das beansprucht die Stimme stark. Karaoke-Experte Andreas Neuenkirchen schreibt in seinem Buch: „Eine Studie der Keio Universität legt nahe, dass zehn Prozent aller japanischen Fälle von Polypen im Hals durch Karaoke hervorgerufen wurden.“
Dagegen hilft nur, sich Lieder auszusuchen, die zur eigenen Stimme passen. Manche von uns sind Disneyprinzessinnen. Manche sind Crooner. Wenige sind Shouter. Und ein Karaoke-Abend ist schöner, wenn man am Ende noch ein bisschen Stimme hat, um auf dem Heimweg weiterzusingen.
9 Nimm dich nicht so wichtig
Manche Menschen missverstehen Karaoke: Sie stellen sich mit geschlossenen Augen hin und singen bewegungslos und wunderschön ein Lied. Manche öffnen die Augen, schauen aber nur auf ihren Freund, der sie für Instagram filmt. Das ist langweilig für die Anwesenden. Karaoke ist immer für alle, selbst wenn du allein auf der Bühne stehst. Schau das Publikum an, das wahrscheinlich hingebungsvoll mitsingt – niemand von denen interessiert sich dafür, ob du das Cis im Refrain perfekt getroffen hast. Versemmel ruhig mal einen Einsatz. Das ist alles völlig egal, solange alle eine gute Zeit haben – inklusive dir selbst.
10 Applaus! Applaus!
Der Typ eben hat wirklich richtig schlecht gesungen? Ja, klar. Willkommen beim Karaoke, klatsch gefälligst trotzdem. Wer Leuten nicht applaudiert, die sich trotz begrenztem Talent auf die Bühne gewagt haben, kommt direkt in die Hölle. Sei nett zu allen! Das ist das Wichtigste. Nur so kann Karaoke die beste Version seiner selbst sein: ein safe space, in dem es keine Blamage, keine Scham und keine Urteile gibt. Wo alle singen, als würde niemand zuhören. Und jubeln, als hätten sie gerade Adele zugehört.
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