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Lea (Madeleine Martin, rechts) und die amtierende Europameisterin Gentz (Ellen Karlsson) checken sich vor dem Kampf.

© zdf / Foto: ZDF und Dyamic

„Lea“, eine Serie bei ZDFNeo: Rocky in Pink

Das Sportdrama „Lea“ erweitert das männerdominierte Boxen um eine Kämpferin.

Filmboxer gibt es zu Hunderten, wenn nicht gar Tausenden. Sie kämpfen mal humorvoll wie Charlie Chaplins Tramp 1931, mal ungewollt komisch wie Sylvester Stallones Rocky gut 40 Jahre später. Sie landen mal ganz oben wie Paul Newmans Löwenherz Rocky Graziano, mal ganz unten wie Robert de Niros Stier Jake LaMotta. Sie spielen mal endlos lässig wie Brad Pitts Tyler Durdon, mal hochnotpeinlich wie Henry Maskes Max Schmeling. Es sind oft Loser, aber noch öfter Sieger, meistens Fighter und selten Feiglinge, aber eines sind sie nahezu nie: Frauen. Schon gar keine allzu weiblichen.

Wie gut, dass Lea beides ist.

Sie trägt Rosa und Schmetterlinge

Als Titelfigur des sechsteiligen deutsch-schwedischen Sportdramas setzt sich die Profiboxerin schließlich nicht nur im männerdominierten Faustkampfgewerbe durch; sie darf sogar ständig Rosa tragen und Schmetterlinge dazu, ihr Kind bemuttern und Gefühle zeigen, also weit weniger derbe wirken als Hilary Swanks „Million Dollar Baby“, das Clint Eastwood Anfang des Jahrhunderts oscarprämiert in den Hollywoodring schickte, aber dennoch zuhauen wie alle Rockys zusammen. So facettenreich ist Diversität selbst im postheroischen Zeitalter nur selten. Und so persönlich kompliziert schon gar nicht.

Vor ihrem Europameisterschaftskampf zu Beginn des ersten Teils nämlich war Lea Ferrera (Madeleine Martin) zwei Jahre wegen Dopingmissbrauchs gesperrt und versucht sich nun verbissen zurück ins Rampenlicht einer notorisch nebulösen Branche hochzuarbeiten. Dort verkauft Leas Ex-Freund Adrian (Joel Spira) illegale Aufputschmittel ihres Ex-Agenten Balthazar (Emil Almén), der seinen Ex-Schützling für einen Showfight gegen Janna (Erika Cardenas Hedenberg) gewinnen will, was die gesundheitlich angeschlagene Lea, vor allem aber ihren Trainer finanziell sanieren, aber den WM-Kampf kosten könnte.

Alles hängt hier mit allem zusammen, alle mit allen – so läuft es bekanntlich oft, wenn Filme übers 90-Minuten-Maß hinaus für relevante Unterhaltung sorgen. Und es wird gewiss nicht weniger verworren, wenn die Polizistin Amanda Birgmann (Jennie Silfverhjelm) einem Manipulationsvorwurf gegen Leas Qualifikationssieg nachgeht, aber in den Fall verstrickt ist, da ihr Bruder infolge von Drogenkonsum einst seine Boxkarriere beenden musste und Suizid beging.

Nach Ideen der Headautorin Alexandra-Therese Keining hat Regisseurin Andrea Östlund also eher eine Milieu- als Persönlichkeitsstudie inszeniert. Trotzdem ist es über sechs Folgen, sprich viereinhalb Stunden hinweg vor allem eine, die den Blick darauf prägt: Madeleine Martin. Nach ein paar Auftritten bei Kommissarin Bengtzon oder der schwedischen Serie „Riverside“ ist „Lea“ schon deshalb die Hauptrolle der 31-Jährigen, weil Kameramann Marek Septimus Wieser oft quälend lange Sekunden auf Martins Gesicht zoomt und darin jede Regung, jeden Schweißtropfen, jedes noch so verborgene Gefühl entlarvt.

Was er dort findet, ist allerdings auch keine Darstellerin allein, sondern eine Überzeugungstäterin. Mit Cornrows, Waschbrettbauch und Kleinkind namens Rocco wurde sie so ausgestattet, wie sich Außenstehende Aufstiegsaspirantinnen einschlägiger Hochhausquartiere halt vorstellen. Martin allerdings versieht ihre Stilikone empfindsam und trotzig zugleich mit einer Portion wütender Verzweiflung.

Das macht „The Fighter“, so der Untertitel, zur eindringlichen Empowerment-Studie in toxischer Umgebung, die ZDFneo zum Glück ein Stück unterhalb der großen Glocke aufhängt: Zu keiner Zeit der Serie werden boxende Frauen als jener Ausnahmefall vorgeführt, den sie trotz Regina Halmich und Boxfilmen wie „Girlfight“ weiterhin am Bildschirm sind – auf dem deutschen zumindest. In Skandinavien ist Gleichberechtigung keine Behauptung wohlmeinender emanzipierter Filmemacher mehr, sondern (ausbaufähige, aber spürbare) Realität und damit ungleich glaubhafter als hierzulande.

Für das deutsche Publikum ist das doppelt schade. Schließlich ist die Synchronisation nordeuropäischer Formate wegen der längeren Worte und Sätze verlangsamt, fast sediert. Dieser Makel ändert jedoch wenig daran, dass „Lea“ bis ins (leicht überzuckerte) Finale mehr zu erzählen hat als die Achterbahnfahrt einer ungewöhnlichen Frau. Rocky in Pink zeigt uns ihre bürgerlich bestaunte, nach wie vor fremde Randgruppenwelt aus neuer Perspek

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