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Überwiegend leere Sonnenliegen stehen am Strand des Badeortes Rimini.

© dpa/Roberto Brancolini

Leere Strände wegen hoher Preise: „Millionen Italiener verzichten auf Urlaub, weil sie ihn sich nicht leisten können“

Ein Schirm und zwei Liegen in einem der vielen Strandbäder am Mittelmeer – das kann 2025 richtig teuer werden. Der Streit um die Sommerferien hat längst eine politische Dimension erreicht.

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Mit ihren stabilimenti balneari – so heißen die privaten Strandbäder in der Landessprache – verbindet die Italiener eine Art Hassliebe. Eigentlich gehören die mehr als 7.500 Kilometer Küste dem Staat, also allen. Jedoch ist mehr als die Hälfte der Strände an Privatleute verpachtet, oft schon seit Jahrzehnten, oft unter der Hand und oft auch zu Spottpreisen. Manche nennen das Vetternwirtschaft, andere mafiöse Strukturen. Viele Pächterfamilien sind schwerreich geworden.

Billig ist es schon lange nicht mehr, sich in einem von Italiens vielen Strandbädern einen Platz an der Sonne zu mieten. Aber so teuer wie in diesem Sommer war es noch nie. Das Problem ist im Jahr 2025, dass von den mehr als 7.000 Bädern in Privatbesitz auch viele weitere die Tarife nochmals angehoben haben. Für einen Platz an der Sonne werden auch andernorts Mondpreise verlangt. Bislang haben die meisten Italiener den alljährlichen Preissprung mitgemacht. Jetzt allerdings bleiben viele Liegen leer – und das hat eine politische Dimension bekommen.

Tourismusverband sieht Rückgang um 25 bis 30 Prozent

Der Tourismusverband Assobalneari Italia spricht für die bisherige Saison von einem Rückgang der Gästezahlen um 25 bis 30 Prozent. Nur an Sonntagen sei es noch voll. Die Branche hofft, dass jetzt, da sich das Land auf den alljährlichen Höhepunkt seines Sommers zubewegt, den Feiertag Ferragosto am 15. August, alles wieder wird wie früher. Das Wetter spielt zumindest mit: 35 Grad plus sollen es werden. Allerdings gibt es berechtigte Zweifel, ob das reichen wird.

Andererseits hat man sich längst daran gewöhnt, dass man hier für den Strand im Unterschied zu den meisten anderen europäischen Ländern bezahlen muss. Die Strandliege (Italienisch: lettino) und der Sonnenschirm (ombrellone) gehören zu den nationalen Kulturgütern. Auf Urlauber aus dem Ausland, die sich nur mit einem Handtuch auf Körner oder Steine fallen lassen, blickt man gern von oben herab – und wenn es nur aus 20 Zentimetern Höhe ist.

Vielleicht habt ihr mit den Preisen ein bisschen übertrieben. Senkt sie, und vielleicht wird es dann besser.

Alessandro Gassmann, italienischer Schauspieler

Im landesweiten Durchschnitt lag die Tagesmiete für zwei Liegen und Sonnenschirm vergangenes Jahr nach Angaben der nationalen Beobachtungsstelle für das Badewesen – die gibt es tatsächlich – bei etwas mehr als 30 Euro. In diesem Jahr dürfte es kräftig in die Höhe gehen. Im Strandbad „La perla del Tirreno“ von Santa Marinella, einem keineswegs luxuriösen Badeort in der Nähe von Rom, verlangen sie jetzt 60 Euro. Die Tasse Cappuccino kostet fünf, der Thunfisch-Cheeseburger 14 Euro.

Hundert Euro pro Familie keine Seltenheit

Unter hundert Euro kommt eine Familie kaum noch weg, auch wenn sich viele mittlerweile ein Lunch-Paket mitbringen. „Das können wir uns ein oder zwei Tage die Woche leisten, mehr nicht“, sagt Dario D'Alatri, ein Familienvater aus der Hauptstadt. Die Geschäftsführerin des Strandbads in Santa Marinella, Leila Fares, rechtfertigt sich in der Zeitung „La Repubblica“ damit, dass die Schirme bei ihr weiter auseinander stehen als üblich, alles jeden Tag gereinigt wird und 20 Leute an Personal bezahlt werden müssen.

Solche Diskussionen gibt es eigentlich jeden Sommer. In diesem Jahr jedoch hat sich daraus eine größere Welle der Empörung entwickelt. Einer von Italiens beliebtesten Schauspielern, Alessandro Gassmann, brachte den Unmut mit einem Appell an die Strandbad-Besitzer auf den Punkt: „Liebe Freunde, ich habe gelesen, dass die Saison nicht gut läuft. Vielleicht habt ihr mit den Preisen ein bisschen übertrieben. Senkt sie, und vielleicht wird es dann besser.“

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Mit Ausnahme einzelner Rabatt-Aktionen – drei Schirme zum Preis von zweien, Sondertarife nach 14.00 Uhr – zeigte der Appell bislang kaum Wirkung. Assobalneari-Präsident Fabrizio Licordari entgegnet: „Es gibt Strandbäder für jedes Budget.“ Als Ursache für den Rückgang macht er die Inflation aus, die viele Familien belaste. „Die gestiegenen Lebenshaltungskosten haben die Kaufkraft stark verringert. Selbst mit zwei Einkommen reicht das Budget in vielen Fällen nicht mehr aus.“

Tourismusministerin nennt Berichte „alarmistisch“

Von der rechten Regierung in Rom unter Ministerpräsidentin Giorgia Meloni haben die Italiener keine schnelle Hilfe zu erwarten. Tourismusministerin Daniela Santanché will von einer Krise nichts wissen. Solche Berichte seien „alarmistisch“ und „irreführend“. Die Strandbad-Besitzer hingegen können sich auf Rom bislang verlassen: Verschiedenste Regierungen halfen mit, dass sich die Pächterfamilien seit 2006 um die Umsetzung einer EU-Richtlinie für neue Ausschreibungen herummogeln können.

Elly Schlein ist seit März 2023 Vorsitzende der Sozialdemokraten in Italien.

© Imago/Zuma Press Wire/ValeriaxFerraro

Elly Schlein, seit März 2023 Parteivorsitzende der Sozialdemokraten, dagegen sagte der Zeitung „La Stampa“ zu den leeren Stränden im Land: „Sie sind die Postkarte der Regierung Meloni.“ Die Chefin der wichtigsten linken Oppositionspartei des Landes weiter: „Millionen Italiener verzichten auf ihren Urlaub, weil sie ihn sich nicht leisten können.“

Die Lager an den Stränden sei das Manifest von drei Jahren rechtsgerichteter Regierung: „Die Kosten explodieren, die Löhne sinken; wir sind das einzige Land, in dem sie um sieben Prozent gefallen sind. Die Leute verzichten auf Urlaub.“ Das Land habe verstanden, dass die Regierung Meloni für die Bessergestellten kämpfe und die anderen vergesse. „Die Atmosphäre ändert sich; sie hat sich bereits geändert“, sagte Schlein.

Einstweilen kann man den Menschen in Italien nur empfehlen, den Urlaub tief in den Süden zu verlegen: Auf Sizilien, in Porto Empedocle, kosten Schirm und zwei Liegen nach einem landesweiten Vergleich nur 20 Euro pro Tag. Oder einfach: Handtuch und Sonnenschirm mitbringen und dann hinunter in den Sand. Denn das ist gratis. (dpa, lem)

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