
© Doris Spiekermann-Klaas
Auf Hoher See: Bünger an Bord: Land in Sicht!
Kurs auf Deutschland! Auf einem Frachter den Atlantik überqueren - das war immer sein Traum. Jetzt wird er wahr: Unser Autor begleitet die "Peking" auf ihrer letzten Reise.
Stand:
Bünger an Bord: Hier veröffentlichen wir regelmäßig Fotos und Einträge aus seinem persönlichen Logbuch.

Der Lotse hat seinen ersten zusammenhängenden Satz gesagt!
Er ist (fast) wieder da!
53 Grad, 54 Minuten Nord
9 Grad, 8 Minuten Ost
Geschwindigkeit: 0 Knoten
Ein Blick auf den Blog im Tagesspiegel. Huch! „Wo ist Bünger?“ lautet der letzte Eintrag. Was denn, seit Donnerstag keine Dienstmeldungen von Bord? Kann nicht sein. Jeden Tag sollten ein Beitrag und Bilder von Bord gehen, war auch alles vorbereitet und wurde höchstpersönlich auf die Brücke getragen zwecks Übermittlung per Satellit. Heiliger Klabautermann! Wer hat das dazwischengefunkt.
Egal, lässt sich ja alles nachtragen, bald sind wir wieder an Land.
Der Kapitän hat’s ganz schön eilig, den Zeitplan einzuhalten. Die „Combi Dock III“ mit der alten „Peking“ an Bord läuft 18,1 Knoten, hoffentlich fliegen uns nicht die von Chefingenieur Dudnik Vyacheslav hochgejazzten Maschinen um die Ohren. Aber die Strömungsverhältnisse schieben uns wohl ein Stück. Weiter und weiter. Der Marine Tracker zeigt nun, dem Netz der Niederländer sei Dank, auf die Wasserwelle genau an, vor wir sind: Die Insel Terschelling liegt an, Texel haben wir eben passiert. Will man das so genau wissen? Vielleicht, aber nicht jederzeit.
Strahlender Sonnenschein und Möwen begleiten unsere Fahrt. Zudem kreist um uns herum eine kleine Propellermaschine. Die Rückkehr der „Peking“ nach Deutschland wird in den Küstenländern offenbar mit großem Interesse verfolgt. Der Wind, der Flugzeuge zu tragen vermag und Rahsegler um das Kap Hoorn pustet, ist hier ein stets präsenter - mal sanfter, mal rauer - Naturbursche.
Doch wir müssen unter Deck. Es ist an der Zeit, die Kammer aufzuräumen und den Seesack zu packen. Der kleine Jack Daniel’s, der in Staten Island zugestiegen war, kommt natürlich auch mit. Irgendetwas riecht hier erstaunlich gut. Das muss das Mittagessen sein, das sich über die Klimaanlage durch die Lüftung ankündigt: „Smashed potatoes and meat balls“, erläutert Koch Andrij Virka. O.k., wunderbar, aber es reicht eine kleinere Portion. Der erste Offizier Pavlo Kolesnikov, der einen unnachahmlich zupackenden „Wo-steht-das-Klavier?“-Gang hat, bekommt vom Koch stets einiges aufgeladen. Will er den Hünen mästen? Weiß der Himmel, wo er damit bleibt.
Zeit sich von der „Peking“ zu verabschieden. Möge die alte Dame mit ihren wunden Stahlleib in der Peters Werft in Wewelsfleth gesunden. Zweieinhalb, eher drei Jahre werden für die Restaurierung veranschlagt. Doch erst einmal heißt es, bei ablaufendem Wasser Brunsbüttel zu erreichen. Wir laufen noch einmal bis zur Heckklappe des Dockschiffes und machen letzte Fotos von dem Bugspriet des alten Rahseglers: Die „Peking“ wurde gegen die Fahrrichtung eingedockt. Also wollen wir den Windjammer Rahsegler noch einmal von vorne sehen und klettern auf die abgelegten Lukendeckel, die sonst das Deck der „Combi Dock III“ verschließen.
Der Kapitän hat auf der Brücke inzwischen seine Offiziere um sich versammelt: Wie wollen wir es machen? Es geht natürlich um die Lotsenmanöver und das Anlegen in Brunsbüttel. Auch seine Mannschaft ist aktiv. Heute wird auf dem weiß Vordeck „Klar Schiff“ gemacht. Wer weiß, wie viele NDR-Teams dieses Mal kommen.
Inzwischen kommen uns etliche Schiffe aus der Deutschen Bucht entgegen: Kurs Atlantik. Auch einige kleine Segler sind unterwegs. Es fängt mächtig an zu prasseln: Sauwetter. Wie bei der Abfahrt aus Staten Island. Wieder wird die „Peking“ bis auf das Stahlgerüst nass.
Inzwischen ist das Ammerland erreicht. Bald kommt die Position „Elbe 1“ in Sicht. Dort soll der Lotse an Bord genommen werden. Und da steht er auch schon: Ronny Dietz möchte um die „Peking“ keine großen Worte machen (hat den Tagesspiegel-Blog aber en detail verfolgt, wie sich bald zeigt). Es dürstet ihn noch einmal Schluck Wasser. Sonst sagt er nach einem freundlichen „Moin erst mal nichts. Das muss er auch nicht, denn Dockschiff-Kapitän Dmytro Poteshkin redet ja. Über die aktuellen technischen Daten seines Schiffes, Kurs und wie viele Maschinen laufen (zwei), die Zahl der Männer an Bord wird auch genannt (keine Frauen). Ronny Dietz, ein Mann Mitte Dreißig, natürlich küstenblond mit hellen blauen Augen und von stämmiger Figur, hört sich alles an und sagt dann: „Kurs 130“. Sonst nichts.
Schließlich kommt der Schlepper, der uns in den Elbe Port Brunsbüttel bugsieren soll. Der Name ist mit Bedacht gewählt, geht es doch darum, die „Peking“ – einen ehemaligen „Flying P-Liner“ – auf einen neuen Kurs zu bringen. Die F. Laeisz-Reederei gab allen ihren frachttragenden Großseglern damals einen Schiffsnamen, der mit P begann. „Flying P-Liner“ deshalb, weil die Schiffe so schnell waren. Passenderweise heißt der Schlepper also „Parat“.
Am Land ist kein großes Empfangskommando zu erkennen: Die NDR-Teams dürften die größte Kopfzahl auf das Kai gebracht. Eine Blaskapelle, das den „Hamburger Veermaster“ intoniert, ist Gott-sei-Dank auch nicht zu erkennen. Das wäre auch zuviel des Guten gewesen: Vielleicht hätten wir wirklich noch eine Träne verdrückt. Um 18 Uhr 20 sind wir fest, können aber erst um 19 Uhr von Bord: Die Gangway muss nach allen Regeln der deutschen Hafenkunst installiert werden. Ordnung muss eben sein. „Es gibt andere Kapitäne, die ihre Schiffe nicht so gut im Griff haben“, sagt Ronny Dietz zum Abschied. Es bleibt der einzige zusammenhängende Satz, den er an Bord gesprochen hat.
Kehrwoche
Jetzt wird tatsächlich geschrubbt.
Wenige Stunden vor der Ankunft in Brunsbüttel wird auf der Combi Dock III noch einmal "Klar Schiff" gemacht.

Feucht durchwischen, anyone?
Sieht aus wie ein durchschnittliches Badezimmer 1991 in Prenzlauer Berg, ist aber von der Peking. Da fühlt sich Bünger immerhin fast schon wieder wie zu Hause.
Hier müsste wirklich einmal feucht durchgewischt werden. Ein letzter Besuch auf der "Peking" zeigt noch einmal den enormen Restaurierungsbedarf: (fast) alles muss raus.



Eier! Bünger braucht Eier!
Er ist wieder aufgetaucht. Und sendet: Fresscontent.
Koch Andrij Virka hat zum letzten Frühstück vor der Ankunft in Brunsbüttel seinen Klassiker neu aufgelegt: Eier mit Speck.

Deutscher Wetterdienst zeichnet erste Fahrt der „Peking“ von 1911 nach
Mit Hilfe seines Archivs, zu dem auch meteorologische Journale gehören, hat der Deutsche Wetterdienst (DWD) die Jungfernfahrt der historischen Bark analysiert.
Im Archiv des Deutschen Wetterdienstes im Seewetteramt Hamburg lagern über 37.000 dieser historischen meteorologischen Schiffsjournale deutscher Reedereien aus den Jahren 1829 bis 1939. Auch 20 Journale der „Peking“ mit verschiedenen Eintragungen und Wetteraufzeichnungen sind bis heute erhalten geblieben.
Diese Journale waren damals wie heute von großem Wert, um die Wind- und Wetterverhältnisse auf See klimatologisch zu erfassen und auszuwerten.
Eintragungen der Jungfernfahrt der „Peking“ nach Valparaiso (Chile):
Kurz nach Abreise, am 23. Juni 1911, findet sich der erste Vermerk: „Steuern hinter Schlepper“; „2h Elbe 1 dwars“. Der Himmel ist fast bedeckt (8/10), Wind: SSW 3, Luftdruck: 762,9 mm, Lufttemperatur: 15,2 °C, Wassertemperatur: 14,7 °C, etwas Regen …
Die Reise führte durch die Nordsee, wo das Schiff gleich in einen Sturm mit bis zu 8 Windstärken geriet. Dieser sollte aber nicht der letzte sein. Nach einer relativ ruhigen Passage auf dem Atlantik erwartete die „Peking“ am 26. und 27. August im Seegebiet um Kap Hoorn ein Orkan. Aber auch dieses schwere Wetter wurde heil überstanden.
Am 14. September 1911 ist dann im Journal über die Ankunft in Valparaíso zu lesen:
„4h30 halten auf die Bay zu, nehmen Schlepper an und werfen um 7h Anker auf der Reede von Valparaíso. Ende der Reise. Reisedauer 84 Tage.“
Weitere Infos zu den historischen Schiffstagebüchern des DWD:
http://www.dwd.de/DE/leistungen/metschiffsjournale/metschiffsjournale.html
Aktuelle Position des Dockschiffs mit der „Peking“:
http://www.hamburg.de/combi-dock-3-position/


Wo ist Bünger?
Keine Meldung von Bünger heute! Vielleicht noch mit der Schilfentfernung beschäftigt ... Hoffentlich hat er den Kapitän nicht verärgert und muss nun unter Deck faule Kartoffeln aussortieren. Wobei, hat freilich noch niemandem geschadet!

Schilf an Bord!
An Bord der Peking müsste man sein: Bünger heute unter strahlend blauem Himmel! Aber neidisch sind wir nicht: Es wird geputzt ...
47. Grad, 39,29 Minuten Nord
33. Grad, 53,42 Minuten West
Kurs: 075 Grad
Geschwindigkeit: 15,2 Knoten
„Die Luft war milder geworden, schon hatten wir die ersten Delphin- und Tümmler-Schulen gesichtet. Die Mannschaft war nicht untätig geblieben. Zuerst hatten sie das beseitigt, was des Seemanns größter Greuel ist. Mit Wasser und Sand, mit Schrubber und Besen waren die Schmutz- und Rußspuren der Hafenzeit beseitigt worden. Peinlich sauber lagen die Decks, blank leuchteten wieder alle Messingbeschläge in der Sonne.“ („Peking“-Kapitän Hermann Piening über eine Reise zur Westküste Südamerikas)
Das könnte heute auch unser Motto sein. Bestes Segelwetter nämlich, der Himmel blau, in Spitzen ca. sieben Windstärken und eine schöne Dünung. Heute bleiben wir nicht an Bord der „Combi Dock III“, sondern wechseln das Schiff. Der Seegang dürfte bei fünf bis sechs liegen. Das ist immer an den weißen Käppchen auf den Wellen zu erkennen. Das Deck der „Peking“ rollt im Zweiklang mit der „Combi Dock III“ wie ein alter amerikanischer Straßenkreuzer in der Kurve. Sehr gemütlich. Herrliches Nordatlantikwetter, die See schön blau, die Sonnenstrahlen wärmen.
Wir bewegen uns auf die alten Zeiten zu und gehen an Deck der „Peking“: Heute ist auf dem alten Rahsegler wieder einmal Aufräumen angesagt. Die „Peking“ soll „bella figura“ machen, wenn wir Brunsbüttel erreichen. Das Deck zu schrubben würde wenig Sinn machen, wir wären schon froh, wenn überall noch heiles Holz liegen würde. Und wenn wenigstens der gestrige Regen über die dafür eigentlich vorgesehenen mit reinem Zement ausgelegten Rinnsteine an den Außenseiten des Hauptdecks ablaufen würde, anstelle das Holz zu durchfeuchten …
Inzwischen laufen beide Maschinen der „Combi Dock III“ wieder volle Kraft voraus. Das Tief hat uns Gott sei Dank verlassen und so konnte die zweite Maschine des Dockschiffs am Vormittag wieder angelassen werden. Die „Combi Dock III“ soll etwas Zeit gutmachen, nachdem wir am Vortag wetterbedingt mit nicht einmal zehn Knoten unterwegs waren.
Morgen sehen wir uns den Dokumentarfilm „Around Cape Horn“ (1929/30) von Irving Johnson an. Ohne diesen Film wären wir nicht an Bord. Doch davon später mehr.

Regen, Regen und Regen
46. Grad, 20,7 Minuten nörliche Breite
39. Grad, 52,4 Minuten westliche Länge
Kurs: 72 Grad
Geschwindigkeit: 9,8 Knoten
Womit haben wir das verdient? Am Rande eines kleinen Tiefdruckgebietes machen wir nur noch langsame Fahrt voraus: Kapitän Dymtro Poteshkin hat das Tempo rausgenommen aus der „Combi Dock III“, die den alten Windjammer „Peking“ von New York nach Brunsbüttel bringen soll. Die Sicherheit der Ladung ist oberstes Gebot.
„Hope to see you on the other side“, hatte der nautisch-technische Sachverständige Karl-Heinz Kronisch gesagt, als er in Staten Island die Seefestigkeit der verladenen und festgelaschten „Peking“ mit einem Zertifikat und seiner Unterschrift am vergangenen Mittwoch bestätigt hatte. Kronisch‘ Wünschen können wir uns nur anschließen. Hoffentlich geraten wir nicht noch in das Zentrum des aktuellen Tiefs. Ein Rollen der „Combi Dock III“ um mehr als zehn Grad war uns nämlich ausdrücklich von Kronisch verboten worden. Schriftlich. Wenn eine solche Lage vorherzusehen ist, müssen wir einen anderen Kurs einschlagen. Wir müssten ihn dann „abstecken“, sagen die Nautiker. Doch davon sind wir – der Blick führt aus der Bar für die Offiziere kurz ins Freie – noch weit entfernt.
Voraussichtliche Ankunftszeit ist nun Sonntag, der 30. Juli gegen Abend, vielleicht um 18 Uhr. Rund 12 Stunden Verspätung hat die Schiffsleitung errechnet.
Dann setzte der Regen ein. Und was für einer. „Low Pressure has taken us“, sagt der erste Offizier Pawlo Kolrsnikov. Der Mann hat eine Statur wie ein Einbaum und gehört zu dem Typus von Seeleuten, die man bei einer Havarie gerne bei sich in der Nähe hätte. Gegen das Tiefdruckgebiet helfen allerdings weder Schraubenschlüssel noch Kielblöcke und Befehle. Wer weiß? Vielleicht bleibt es uns ja auch erhalten und wir spannen auf der „Peking“ bald eine Persenning auf, um an neues Frischwasser zu kommen.
Dabei hatte der Tag vielversprechend begonnen, nämlich ohne Regen und mit Walen steuerbord voraus (46. Grad, 00.8 Minuten Nord, 44. Grad, 11,9 Minuten West). Sie tauchten bald wieder ab: Wale mögen keine Schraubengeräusche. Gegen Mittag setzte dann strömender Regen ein. Und jetzt? Was macht man auf einem Schiff bei strömendem Regen?
Joachim Kaiser, Vorstandsmitglied der Stiftung Hamburg Maritim, tut zunächst einmal das Naheliegende. Er bewegt sich in seinem frisch gewaschenen roten Overall mit Helm und Sicherheitsschuhen geradezu mustergültig über die nach allen Vorschriften und Regeln der Kunst errichtete Behelfsgangway (mit Sicherheitsnetz!) auf die „Peking“. Zeit für den täglichen Kontrollgang. Tatsächlich findet er immer wieder etwas Neues, was gerichtet werden könnte, nein: sollte. Heute sind es zwei Ölfässer, die er im Bug der „Peking“ entdeckt hat – nicht festgezurrt. Das hätte eigentlich Caddells Dry Dock and Repair Co. in Staten Island erledigen sollen. Doch Werften folgen ihren eigenen Gesetzen.
In die „Peking“ sifft es wieder rein, erzählt Joachim als er von seinem Rundgang zurückkommt: „She is leaking like a basket.“ Gott-sei-Dank hat er keine neuen Löcher im Rumpf entdeckt. Das Bilgenwasser ist auch nicht abgelaufen. Das sollte bei Gelegenheit mal mit der Tauchpumpe über Bord der „Peking“ gehen. Doch dafür wird Strom benötigt. Für diese Aktion können wir aber keinen Regen gebrauchen.
Leider regnet es auch weiter in das Kartenhaus an Deck hinein. Joachim Kaiser hat den vermutlich noch originalen Kartentisch erst einmal mit Bordmitteln abgedeckt. Ein Provisorium. Auch die Türen und Klappen sind mit einfachen Mitteln arretiert, damit während des Transportes nicht noch mehr zu Bruch geht. Und so klemmt mal ein abgebrochener Besenstiel hier, steckt eine lange Schraube dort in einem Riegelende.
Gegen Abend kommt über Bordlautsprecher die Ansage, auf die wir schon gewartet hatten: Die Uhren werden abermals eine Stunde vorgestellt. Unsere Bordzeit entspricht jetzt der von Reykjavik/Island. Anscheinend kommen wir voran, machen aber nur langsame Fahrt.

Essen ist Unterhaltung
Am Sonntagabend bleibt an Bord die Küche kalt. Aber gegenüber früheren Reisen ist das immer noch Luxus, wie unser Reporter beim Vergleich von historischen und heutigen Speiseplänen feststellt.
44. Grad, 25,5 Minuten nörliche Breite
46. Grad, 23,1 Minuten westliche Länge
Kurs: 64 Grad
Geschwindigkeit: 14,7 Knoten
Heute ist Sonntag. Große Teile der Besatzung haben frei. Einige „Bordmembers“ sind den ganzen Tag über nicht zu sehen, aus einigen Kabinen ist Heavy Metal ukrainischer Prägung zu vernehmen. Andere Besatzungsmitglieder tun im Fitnessraum etwas dafür, dass ihre Tattoos straff gespannt bleiben.
In der kommenden Nacht wird wieder an der Uhr gedreht: noch einmal eine Stunde voraus. Drei Stunden Zeitunterschied trennen uns nun noch von der deutschen Sommerzeit. Wir sind mitten auf dem Nordatlantik.
Was ist nun von 23-Stunden-Tagen zu halten? Der Unterschied ist eigentlich nur beim Aufstehen wahrnehmbar. Entweder heißt es, eine Stunde eher ins Bett oder eine Stunde weniger schlafen oder weiterschlafen und das Frühstück verpassen. Das sind die Alternativen.
A propos Frühstück. Es liegen etliche Seemeilen zwischen dem, was Schiffsköche auf frachtfahrenden Segelschiffen zu Anfang des 20. Jahrhunderts auf dem Speisezettel hatten und dem, was heute geboten wird. Die Privatjacht „Sea Cloud“ (Ex-„Husar“) gehörte in den dreißiger Jahren zu den ersten Großseglern, die schon beim Bau mit professionellen Kühlräumen ausgestattet wurden. Die hat natürlich auch Koch Andrj Vieka auf der „Combi Dock III“ zur Verfügung und kann hier aus dem Vollen schöpfen. Jeden Morgen gibt es Eierspeisen, als sei eine ganze Legebatterie an Bord. Pfannkuchen mit Erdnussbutter, Eier mit Speck, Rührei mit grünen Bohnen – an deftigem Essen fehlt es morgens nie (mittags und abends auch nicht: Lammfleisch, Piccata Milanese, Hackbraten etc. pp.). Butter ist natürlich an Bord, verschiedenen Sorten Käse, Marmelade, gelegentlich Lachs, Wurst, Schwarz-, Weiß- und Graubrot, Toaster waren auf ihren Einsatz. Alles ganz wie zu Hause an Land. Davon konnten Besatzungen früherer Tage nur träumen. Sie mussten noch an Deck Gemüse zählen und faule Kartoffeln aussortierten.
Die „Deutsche Speiserolle“ von 1911, dem Jahr des Stapellaufs der „Peking“, enthielt klare Festlegungen, was dem deutschen Seemann zuzumuten war: ein sehr gleichförmiger Speiseplan, der sich Woche um Woche wiederholte. Gleichwohl kam im Magenfahrplan auch Frischfleisch vor, das – soweit es nicht seekrank wurde oder vor Schreck tot umfiel – in Käfigen an Bord gehalten wurde. Frischgemüse konnte natürlich nur in Häfen an Bord genommen werden.
Alkoholika zählten mit zur Nahrung. Für die Mannschaft sei Bier mitzunehmen, hieß es auf der Speiserolle: „bis zu 50 Liter für den Mann“. Das war natürlich keine wöchentliche Ration, sondern für die gesamte Reise gedacht, die ein halbes Jahr und länger dauern konnte. Drei Wochen nach der Ausreise – Häfen wurden in dieser Zeit meist nicht angelaufen – seien für den Mann täglich 20 Gramm Zitronensaft zu verabreichen „zweckmäßig in Mischung mit 20 Gramm Zucker, etwas Rum und ungefähr vier Zehntel Wasser“ – eine Vorsichtsmaßnahme Vitamin-C-Mangel.
Die Einförmigkeit und Knappheit war bei mittleren Reisen bis 90 Tagen zu ertragen. Wer aber monatelang unterwegs war, vielleicht auf halbe Ration gesetzt wurde und nicht ständig auf Frischwasser zurückgreifen konnte, verlor schnell die gute Laune.
Unsere Überführungsfahrt nach Brunsbüttel ist weit von den Strapazen früherer Tage entfernt. Nahrung ist Teil des Unterhaltungsprogramms! Auf der „Combi Dock III“ gibt es zwei Mal täglich warmes Essen. Bis auf sonntags, da wird abends Brot serviert: Der Koch braucht auch einmal in der Woche etwas Freizeit.
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